Samstag, 20. April 2024

Archiv

Vor 125 Jahren
Einwanderungsbehörde auf Ellis Island öffnet

Millionen von Europäern verließen im 19. Jahrhundert ihre Heimat, um in den Vereinigten Staaten ein besseres Leben zu finden. 1892, auf dem Höhepunkt der Einwandererwelle, gründeten die Amerikaner auf Ellis Island, im Hafen von New York, eine Einreisebehörde. Hier mussten sich die Ankommenden einer strengen Befragung unterziehen.

Von Philipp Eins | 01.01.2017
    Ellis Island Immigration Museum
    Seit 1990 beherbergt die Insel Ellis Island das Museum of Immigration. (Deutschlandradio / Philipp Eins)
    Silvester 1891. Das Dampfschiff S.S. Nevada aus dem britischen Liverpool erreicht nach einer Woche Fahrt den Hafen von New York. An Bord: 127 Immigranten aus Russland, Irland, England und Deutschland. Sie haben Haus und Hof für ein Ticket in die USA verkauft, um dort ein neues Leben zu beginnen. An Land dürfen sie aber noch nicht. Die Passagiere der S.S. Nevada sind die ersten, die über Ellis Island einreisen müssen, einer vor Manhattan gelegenen Insel. Am 1. Januar 1892 eröffnet die Einwanderungsbehörde dort ihre neue Sammelstelle. Auf dem Schiff herrscht Anspannung: Wer wird die Befragung durch die Inspektoren bestehen? Wer wird abgelehnt und muss nach Europa zurück?
    "Am nächsten Morgen suchten die Immigranten ihr Gepäck zusammen, nachdem sie die Nacht auf dem Schiff am Dock in Manhattan verbracht hatten. Sie wurden auf eine kleine Fähre verladen, die sie nach Ellis Island brachte."
    Barry Moreno, Historiker am Ellis Island Immigration Museum in New York.
    "Nach der Ankunft wählten die Inspektoren ein irisches Mädchen mit roten Haaren und blassem Gesicht aus. Sie sollte als Erste interviewt werden. Die Inspektoren wollten zur feierlichen Eröffnung jemanden vorzeigen, der Englisch sprach."
    Deutsche Immigranten gelten als schlecht integrierbar
    Das Mädchen heißt Annie Moore, sie ist 15 Jahre alt und lebte zunächst bei ihren Großeltern im irischen Cork. Ihre Eltern waren bereits nach New York ausgewandert. Als sie genügend Geld verdient hatten, holten sie Annie und ihre Söhne Philip und Anthony nach. Annies Fall ist eine typische Geschichte. Von 1880 bis in die 1920er-Jahre hinein sind 26 Millionen Menschen in die USA ausgewandert. Oft fliehen sie vor Armut oder religiöser Verfolgung wie dem zunehmenden Antisemitismus in Europa.
    "Die Entscheidung, Ellis Island zur Sammelstelle für Immigranten in New York zu machen, wurde von der US-Regierung getroffen. Seit 1890 regelte sie die bundesweite Einwanderung. Die Regierung wollte striktere Regeln durchsetzen, um die Immigrantenzahlen zu begrenzen. Da die Einwanderer von der Bevölkerung für die steigende Kriminalität verantwortlich gemacht wurden, bevorzugten die Behörden einen isolierten Ort."
    Die Immigranten werden nicht nur des Raubs und Diebstahls bezichtigt. Viele US-Bürger klagen, Einwanderer drückten die Löhne und nähmen ihnen die Jobs weg. Deutsche Immigranten gelten als schlecht integrierbar, da sie kaum Englisch sprechen. Auf einer Art Hörspiel, das Immigranten in New York 1915 produzierten und an neu eingetroffene Landsleute verkauften, wird mit dem Klischee des lernunwilligen Deutschen gespielt.
    "Ladies and Gentlemen, Kinder, Weibsvolk und everybody. Mein Name ist Heinrich Friedrich Wilhelm Luis August Lutz Putzelheimer von Blitzenhausen. Ich bin noch nicht sehr lange in Amerika, hab aber schon ein sehr schönes Mädchen kennengelernt. Das einzige Unglück ist: She is Irish. Und ich kann noch nicht so gut Englisch sprechen.".
    "Hier ist die Sprache der Immigranten zu hören: eine unglaubliche Mischung aus Deutsch, Norwegisch oder auch Italienisch zusammen mit Englisch. So wie damals in New York eben gesprochen wurde!"
    Eric Byron, Archivar am Ellis Island Immigration Museum.
    Nur zwei Prozent der Immigranten werden abgelehnt
    "Mein liebes, liebes Zuckerherz, my dear little sweet sugar heart, seitdem ich mich mit dir verbunden habe – das ist nicht so leicht von Deutsch ins Englische zu übersetzen ..."
    Die Inspektoren auf Ellis Island wollen von den Immigranten wissen, ob sie ausreichende Englischkenntnisse und genügend Geld haben, um eine Arbeit in den USA zu finden. In medizinischen Tests müssen sie zudem nachweisen, dass sie körperlich fit genug sind. An manchen Tagen warten bis zu 5.000 Menschen auf den dunklen Holzbänken des "Registry Rooms" der Halle im Empfangsgebäude, auf ihre Anhörung. Nach drei bis fünf Stunden soll entschieden sein, ob sie nach New York einreisen dürfen oder zurück nach Europa müssen. Nur zwei Prozent der Immigranten werden bis zur Stilllegung von Ellis Island im Jahr 1954 abgelehnt.
    Im Fall der 15-Jährigen Annie Moore ist alles gut gegangen.
    "Colonel Weber, der erste Kommissar von Ellis Island, gab Annie Moore nach bestandenem Interview ein Goldstück im Wert von zehn Dollar – ein ganz besonderes Geschenk! Sie kam zur ihrer Familie im irischen Slum in der Monroe Street, wo Annie den Rest ihres Lebens verbrachte."