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Vor 125 Jahren geboren
Die britische Schriftstellerin Dorothy Leigh Sayers

In England kommt sie gleich nach Agatha Christie und Arthur Conan Doyle. Die Schriftstellerin Dorothy Leigh Sayers gehört bis heute zu den meistgelesenen englischen Kriminalschriftstellerinnen. Ihre Romane sind dabei auch immer Gesellschaftsstudien. Heute vor 125 Jahren wurde die Pfarrerstochter aus Oxford geboren.

Von Regina Kusch | 13.06.2018
    Undatierte Aufnahme der britischen Schriftstellerin Dorothy Leigh Sayers. Sie wurde am 13. Juni 1893 in Oxford geboren und starb am 17. Dezember 1957 in Witham (County Essex).
    Undatierte Aufnahme der britischen Schriftstellerin Dorothy Leigh Sayers. (dpa)
    "'Hallo, Mutter.' 'Oh, da bist du ja, mein Lieber', antwortete die Herzogin-Witwe. 'Du kennst doch Mr. Tipps?' 'Was ist mit ihm?' 'Er hat in seiner Badewanne eine Leiche gefunden. … Ein toter Mann, der nichts anhatte außer einem Zwicker.' 'War es jemand, den er kannte?' 'Nein, ich glaube nicht. Dass er nun die Polizei im Haus hat usw., macht ihm wirklich Kummer.' 'Sehr peinlich für ihn', antwortete Lord Peter und lächelte ins Telefon."
    "Der Tote in der Badewanne", ein Hörbuchausschnitt, gelesen von Christian Brückner. Mit dem schnöselig-humorvollen Lord Peter Wimsey schuf Dorothy Sayers einen der populärsten Amateurdetektive der englischen Literatur, übertroffen nur noch von Sherlock Holmes und Hercule Poirot. Mit ihren Wimsey-Romanen wurde die Autorin weltbekannt. Zu Recht, findet die Literaturkritikerin Franziska Augstein.
    "Sie war eine Autorin, die nicht bloß den Plot eines Kriminalromans darstellen wollte, sondern sie hat das gesellschaftliche Umfeld dargestellt."
    Leben mit verschiedenen Gesellschaftsmodellen
    Dorothy Leigh Sayers kam am 13. Juni 1893, im ausklingenden Viktorianischen Zeitalter, als Tochter eines Pfarrers und College Direktors aus altem englischen Landadel in Oxford zur Welt.
    "Sie war auf der Kippe zwischen dem Viktorianismus, wo die Frauen nichts galten, dann hatte sie die Suffragettenbewegung erlebt, und dann lebte sie in der Moderne, wo Frauen sich kurze Röcke anzogen. Und diese Diskrepanz zwischen diesen zwei vollkommen verschiedenen Gesellschaftsmodellen hat sie in ihren Romanen abgebildet. Und deswegen ist sie immer ganz ausführlich eingegangen auf die Frage, wie die Rolle einer Frau in ihrer Geschichte jeweils ist."
    So stellte Dorothy Sayers der blaublütigen Spürnase Wimsey bei seinen Ermittlungen ihr Alter Ego an die Seite: Die Kriminalschriftstellerin und Oxford-Absolventin Harriet Vane, die Sayers eigene Fragen beantwortet. In "Aufruhr in Oxford" zum Beispiel wird Harriet Vane gefragt, warum sie mit so etwas Ungehörigem wie Verbrechen ihr Geld verdiene, zumal sie einmal unschuldig verhaftet und nur durch die Scharfsinnigkeit Wimseys gerettet wurde. Ein Hörbuchausschnitt, gelesen von Doris Wolters:
    "'Ich wundere mich, dass Sie nach Ihrem eigenen schrecklichen Erlebnis noch Lust haben, solche Geschichten zu schreiben.' 'Nun', antwortete Harriet, 'erstens kann ein Schriftsteller nicht wählerisch sein, bevor er mal richtig Geld verdient hat. … Ich weiß aber, was Sie meinen – dass ein Mensch mit schicklichen Gefühlen sich seinen Lebensunterhalt eher mit Fußbodenschrubben verdienen würde. Aber ich schrubbe Fußböden sehr schlecht und schreibe Detektivromane ganz gut. Ich sehe nicht ein, warum schickliche Gefühle mich davon abhalten sollten, den für mich richtigen Beruf auszuüben.'"
    Nach den Krimis Theaterstücke und Hörspiele geschrieben
    "Die konnte genau unterscheiden: Ich schreibe die Kriminalromane, weil ich Geld verdienen will, aber eigentlich interessiere ich mich dafür, Dante zu übersetzen und dafür, theologische Traktate zu verfassen. Und sie hat das eine mit dem anderen nicht verbunden."
    Dorothy Sayers erwarb als eine der ersten Frauen Englands einen Universitätsabschluss, konnte Motorräder fahren und reparieren, arbeitete zeitweilig als Werbetexterin und hatte einen unehelichen Sohn, dessen Existenz sie allerdings lange verheimlichte. Mit 32 Jahren heiratete sie den geschiedenen Journalisten und Kriegsveteranen Oswald Fleming, der sich im Verlauf einer unglücklichen Ehe als Trinker entpuppte. Aus Loyalität blieb sie bei ihm und konzentrierte sich auf ihre detailgetreuen Gesellschaftsstudien für die Wimsey-Romane, die alle zu Bestsellern wurden.
    "Sie hat ihre verschiedenen Personen je nachdem mal viktorianisch sein lassen, mal modern. Man begreift unglaublich viel über das Großbritannien und damit auch über Westeuropa der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Und das zu verstehen, ist eine Freude."
    Dabei wäre die Philologin viel lieber als Dramatikerin bekannt geworden. Sobald sie genügend Geld verdient hatte, gab sie Ende der 1930er Jahre das Schreiben von Kriminalliteratur auf und widmete sich ihrer wahren Leidenschaft: Theaterstücken, die sie im Auftrag der Kirche verfasste, und modernen Hörspielinszenierungen über das Leben Christi. Daneben begann sie mit der Übersetzung von Dantes "Göttlicher Komödie", die sie aber nicht mehr vollenden konnte, da sie 1957 an einem Schlaganfall starb. Unvergessen jedoch blieb Dorothy Sayers allein durch ihre Kriminalromane.