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Vor 150 Jahren geboren
Maler Pierre Bonnard, Meister der schillernden Farben

In seiner Malerei widmete sich der Franzose Pierre Bonnard der Darstellung lichtdurchfluteter Interieurs, weiblicher Akte und bukolischer Landschaften. Zu seinen künstlerischen Vorbildern zählte der Postimpressionist Paul Gauguin, von dem er den opulenten Einsatz kräftiger Farben übernahm.

Von Björn Stüben | 03.10.2017
    Das Gemälde Le Déjeuner von Pierre Bonnard aus dem Jahr 1932.
    Die Farben scheinen bei Pierre Bonnard ihr Eigenleben zu führen. Hier das Bild "Le Déjeuner" aus dem Jahr 1932 (imago/United Archives International)
    Die Fenster sind häufig weit geöffnet und der Blick fällt auf eine üppig wachsende, in grelles Sonnenlicht getauchte Vegetation. Die Natur ist für Pierre Bonnard hier der Hauptdarsteller. Seine Interieurs hingegen zeigen die Intimität häuslicher Szenen mit gedeckten Tischen, Frauen bei ihrer Toilette oder spielenden Kindern. Die Perspektive bleibt immer flach und die Farben scheinen ihr Eigenleben zu führen. Sie leuchten, bilden aber das Gesehene nicht naturalistisch ab, sondern dienen zur Konstruktion der Bildfläche. Wie ein Schleier liegen sie über der ersten Skizze, dem ersten Eindruck, womit für Bonnard alle Kunst begann. Er war überzeugt: "Das Zeichnen ist die Empfindung. Die Farbe ist die Überlegung". Diesen Grundsatz liest der Kunstkritiker Georges Roque deutlich an Bonnards Skizzenheften ab:
    "In seine kleinen Skizzenhefte trug Bonnard seltsamerweise auch ein, welches Wetter herrschte. Das amüsierte später viele Kritiker, die dahinter nur eine Leidenschaft für die Meteorologie vermuteten. Tatsächlich jedoch verarbeitete und speicherte er so seine Eindrücke. Beim späteren Mal-Akt konnte er mit diesen Notizen die skizzierten Szenen sozusagen wieder abrufen. Nur so ließen sich Empfindungen, die für Bonnard immer große Bedeutung besaßen, in Malerei übertragen."
    Van Gogh und Gauguin als künstlerische Vorbilder
    Pierre Bonnard wurde am 3. Oktober 1867 in Fontenay-aux-Roses südlich von Paris geboren. Parallel zu seinem Jurastudium besuchte er seit 1889 die private Kunstschule Académie Julian in Paris, an der auch der gleichaltrige Henri Matisse studierte. Als Mitglied der gerade gegründeten Künstlergruppe der "Nabis" um Édouard Vuillard und Maurice Denis entdeckte Bonnard 1891 in einer Ausstellung an der École des Beaux-Arts japanische Farbholzschnitte, die ihn und seine Künstlergeneration nachhaltig prägen sollten. Künstlerische Vorbilder sah er vor allem jedoch in Vincent van Gogh und Paul Gauguin.
    Auf dem Salon des Indépendants 1891 feierte er einen großen Erfolg mit Entwürfen für Werbeplakate, die deutlich den Einfluss des Jugendstil zeigten. Kurz darauf lernte er Marthe kennen, die zunächst sein Modell, dann seine Geliebte und Frau wurde. In der Nachbarschaft Claude Monets kaufte er 1911 ein Haus in der Normandie, das ihm auch als Atelier dienen sollte. Gegen Ende des Ersten Weltkriegs entdeckte er für sich das Licht der Côte d’Azur. Henri Matisse in Nizza und Paul Signac in St. Tropez zählten hier zu seinen Freunden. Oberhalb von Cannes erstand er 1926 ein kleines Haus in Le Cannet. Doch nicht alle farbintensiven Gemälde, die er an der Côte d’Azur schuf, waren direkt dem Einfluss der grellen südlichen Sonne geschuldet, wie sich sein Großneffe Michel Terrasse erinnert:
    "Besonders über das Sonnenlicht in Bonnards Gemälden, über die satten Gelb- und Goldtöne wurde sehr viel geschrieben. Viele Kritiker waren überzeugt, Bonnard hätte mit ihnen das gleißende Mittagslicht wiedergegeben. In Wirklichkeit zeichnete er sehr oft am Abend bei elektrischem Licht und übertrug diesen Effekt dann anschließend in seine Gemälde."
    "Bonnard war niemals mit seiner Malerei zufrieden"
    Von der immensen Bedeutung, die Bonnard der Farbe beimaß, zeugt auch eine Anekdote, die sein Galerist Jean Dauberville in einem Interview erzählte:
    "Bonnard war niemals mit seiner Malerei zufrieden. Eines Tages besuchte er eine Ausstellung seiner Werke im Musée de Luxembourg mit der festen Absicht, eines der Gemälde zu retuschieren. Er hatte hierfür Farbe in eine kleine Jakobsmuschel gefüllt. Kurz vor Schließung, als der Wärter gerade nicht hinschaute, tupfte er mit dem Finger Farbe auf eines seiner Bilder. Plötzlich drehte sich der Wärter um und ertappte ihn. Dass er Pierre Bonnard selbst wäre, glaubte man ihm natürlich nicht. Er wurde dann ins Büro des Konservators eingesperrt, der ihn später befreite."
    Bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs übersiedelten Bonnard und seine Frau Marthe in ihr Haus nach Le Cannet. Als Bonnard hier 1947 mit 79 Jahren starb, umschrieb sein Malerfreund André Lhote den Verlust in einer Radioansprache zum bevorstehenden Begräbnis:
    "Wenn wir wirklich zivilisierte Menschen wären, müsste der morgige Tag zu einem Tag der nationalen Trauer erklärt werden. Die Welt der Kunst weiß, dass er einer der drei größten Maler unserer Zeit war."
    Ohne Zweifel dachte Lhote bei den zwei anderen Malern an die Künstlergenies Henri Matisse und Pablo Picasso. Dem bescheidenen und introvertierten Bonnard wäre so viel Lob aber sicher eher peinlich gewesen.