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Vor 150 Jahren
Geburtstag des Bodybuilding-Erfinders Eugen Sandow

Er trat vor Publikum auf, gründete Trainingsschulen und schrieb Artikel und Bücher zum Thema Kraftsport: Eugen Sandow gilt als Erfinder des Bodybuildings. Er stemmte Pferde, Menschen, Gewichte, kein Kraftautomat hielt ihm stand. Am 2. April 1867 wurde Sandow in Ostpreußen geboren.

Von Jürgen Bräunlein | 02.04.2017
    Hanteln, Gewichte, Obst und Nüsse
    Dass Ernährung beim Body-building eine wichtige Rolle spielt, sah auch Eugen Sandow, der Erfinder des Sports, so (Deutschlandradio / Elmar Krämer)
    "Übung 6: Beuge den Körper seitwärts, abwechselnd in jeder Hüfte, ohne die Beine zu bewegen, so tief wie möglich. Bringe dabei den rechten und linken Unterarm abwechselnd unter den Oberarm. Die Hantel möglichst bis in die Achselhöhle ..."
    So turnten und schwitzten Anfang des letzten Jahrhunderts hierzulande zigtausende Fitnessjünger und folgten dabei den Anweisungen des Muskeltrainers Eugen Sandow, einer Autorität sogar in Amerika:
    "You are so Sandow-like."
    war das größte Kompliment, das ein muskulöser High-School-Boy damals von seiner Freundin bekommen konnte.
    Mit selbst gebastelter Biografie zum Welterfolg
    Eugen Sandow wurde am 2. April 1867 im ostpreußischen Königsberg als Friedrich Wilhelm Müller geboren. Das zumindest bestritt er nicht. Ansonsten bastelte er sich eine Wunsch-Biografie zusammen: Seinen Vater machte er einmal zum Offizier, das andere Mal zum Juwelier, sich selbst sah er als Medizinstudent, der beim Anblick antiker Athletenskulpturen in Rom seine Berufung fand.
    Wie dem auch sei: Mit 15 schloss er sich als Gewichtheber einem Wanderzirkus an, der zwei Jahre später pleite ging. In Brüssel schlug er sich als Aktmodell an Kunstschulen durch, bis er Louis Dürlacher kennenlernte, einen Athleten aus Baden, der ihm den Künstlernamen Eugen Sandow gab. Ihr erster gemeinsamer Erfolg: Sandow ruinierte sämtliche "Hau-den-Lukas", die in Amsterdam am Hafen standen. Die Automaten waren seiner Muskelkraft einfach nicht gewachsen und "der schöne starke Deutsche" und seine Körpermaße jetzt in aller Munde:
    "Brust 121 Zentimeter, Bauch 86 cm, Oberarm 49 Zentimeter, Oberschenkel 66 Zentimeter."
    Vorbild auch für Bürohengste
    Der Durchbruch zum Weltstar gelang Sandow 1893, als er für den Hollywood-Impressario Florenz Ziegfeld auf der "World's Columbian Exposition" in Chicago posierte. Nur mit knapper Unterhose bekleidet und den Körper bronzefarben bemalt, stellte er antike Marmorstatuen nach. Das war aufregend und neu, denn bis dahin bestanden Darbietungen von Kraftmenschen aus Ringkämpfen und Gewichtestemmen. Vor Sandows Umkleidekabine standen die benommenen Damen Schlange. Er animierte sie dazu, seine Muskeln zu betasten, und wurde zum Idol auch der Männer, die den ganzen Tag in Büros saßen, kaum mehr die eigene Körperkraft erlebten und sich zusehends verweichlicht und unattraktiv fühlten. Sandows Ziel war es dann auch - wie er in einer Fachzeitschrift über Körperkultur schrieb:
    "den physischen Stand des Menschengeschlechts zu heben und die alten Vorbilder physischer Stärke und Schönheit wieder herzustellen, für deren Verlust die Zivilisation im so hervorragendem Maße verantwortlich ist."
    Sandow wirkte in Stummfilmen mit, lernte Thomas Alva Edison kennen, der einen Kurzfilm über ihn drehte, und erfand einen Muskel-Wettbewerb, für den er Sir Arthur Conan Doyle, den Autor der Sherlock Holmes-Krimis, als Jurymitglied gewinnen konnte.
    Doch 1897 hatte der "Bühnen-Herkules" genug vom amerikanischen Showbusiness, kehrte nach London zurück und gründete sein erstes Fitnessstudio, viele weitere folgten. Mit seinem 1905 erschienenen, ungemein erfolgreichen Lehrbuch "Bodybuilding or Man in the Making" erfand er den Begriff Bodybuilding und verdiente an den Kraftgeräten gleich mit.
    "Sandows einmaliges Angebot! Kostenloser Versuch mit Sandow-Griff-Apparaten! Feder-Hanteln sowie Gummi- und Stahl-Expander! Fabriziert seit 20 Jahren! 7tägiger Gratis-Versuch."
    Kritik an seinem Trainingsprogramm kam von besorgten Ärzten und Ästheten. Ein Professor Fritz Winther schrieb 1919:
    "Bei Sandows Kraftraining schwellen die Muskeln der Arme massig, aber die Rumpfmuskeln bleiben unverhältnismäßig zurück."
    Vom Muskelpionier zum Gesundheitsapostel
    Sandow focht das nicht an, der Muskelpionier war mittlerweile zum Gesundheitsapostel geworden und propagierte Vegetarismus, vielleicht eine nachträgliche Wiedergutmachung an seinen Vater, dem von ihm verleugneten Gemüsehändler.
    Am 15. Oktober 1925 starb Eugen Sandow im Alter von 58 Jahren in London, wie die Zeitungen schrieben: an Überanstrengung beim Versuch seinen in den Graben gefahrenen Sportwagen aus dem Schlamm zu ziehen. Was gelogen war. In Wahrheit starb er an einem Blutgerinnsel im Gehirn. Doch Eugen Sandow, der Erfinder des modernen Bodybuildings, lebt als goldene Statuette weiter, die in Amerika seit 1977 jährlich an den Sieger der Mister-Olympia Wettbewerbe vergeben wird.