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Vor 175 Jahren
Entdeckung des "Großen Märzkometen"

Sie galten einst als Störenfriede am Firmament und Unglücksboten: Kometen, eisige Brocken aus den Randbereichen des Sonnensystems, die mit mächtigem Schweif die Blicke auf sich ziehen. Ein ganz besonderes Exemplar ist der helle "Große Märzkomet", der heute vor 175 Jahren entdeckt wurde.

Von Dirk Lorenzen | 05.02.2018
    In den kommenden Nächten huschen Staubteilchen des Kometen Giacobini-Zinner über den Himmel
    Kometen sind kosmische Blender. Ihr Schweif besteht nicht aus Feuer, sondern aus extrem dünnem Gas und Staub. (N.A.Sharp/NOAO/AURA/NSF)
    "Zum ersten Male seit unserer Abreise klarte der Himmel auf und entrollte sein tiefes, von Sternen übersätes tropisches Blau. Wie groß war unser Erstaunen, als wir einen breiten, weißen, nebeligen Streifen bemerkten, der sich nach dem Horizont hinabneigte und bis zu einer Höhe von 45 Grad erhob. Es war ein besonders prachtvoller Komet!"
    Der Forschungsreisende Robert Hermann Schomburgk war Anfang März 1843 in Britisch-Guyana in Südamerika unterwegs, als er Zeuge dieses spektakulären Himmelsanblicks wurde. Einige Wochen zuvor, am 5. Februar, war ein recht schwacher Komet entdeckt worden, der schnell enorme Helligkeit erreicht hatte.
    "Tamanua, ein junger Indianer, brach endlich das Schweigen. 'Das ist', sagte er, 'der große Geist der Sterne, der furchtbare Capischi – Hungersnot und Pest erwarten uns!' Und die anderen brachen in einen Strom leidenschaftlicher Worte aus, indem sie die Erscheinung der gefürchteten Gottheit beklagten - und mit heftigen Gebärden ihre Arme nach dem Kometen emporhoben."
    Die Furcht vor Kometen war weit verbreitet
    Weil Kometen meist völlig überraschend auftauchten und das ewig gleiche Räderwerk des Kosmos zu stören schienen, galten sie seit jeher als Unglücksboten - nicht nur in Südamerika, sondern in allen Teilen der Welt. Zwar war Mitte des 19. Jahrhunderts längst bekannt, dass Kometen auf lang gestreckten Ellipsen um die Sonne laufen - doch die Furcht war weit verbreitet, bedauerte Alexander von Humboldt in seinem Werk "Kosmos":
    "In größeren Kreisen des geselligen Lebens hat die Besorgnis vor den möglichen Übeln, mit denen die Cometen-Welt uns bedroht, an Gewicht zugenommen. Jetzt ist es die Gewißheit, daß es innerhalb der Planetenbahnen wiederkehrende, unsere Regionen häufig heimsuchende Cometen giebt. In vergangenen Jahrhunderten war es die vage Furcht vor brennenden Schwerdtern, die einen allgemeinen Weltbrande entflammen könnten."
    Zehn oder 20 Kilometer große Brocken
    Dabei sind Kometen kosmische Blender. Ihr Schweif besteht nicht aus Feuer, wie man lange geglaubt hat, sondern aus extrem dünnem Gas und Staub. Astronomisch gesehen sind sie winzig klein: Diese Brocken aus Eis und Geröll sind meist nicht größer als zehn oder 20 Kilometer. Gelangen Kometen in die Nähe der Sonne, so setzen sie viel Gas und Staub frei und es bildet sich der manchmal über 100 Millionen Kilometer lange Schweif. André Wulff von der Gesellschaft für volkstümliche Astronomie in Hamburg begeistert sich seit mehr als vierzig Jahren für diese kosmischen Vagabunden:
    "Kometen sind sicherlich nicht böse. Gut, wenn man mal jetzt von dem Punkt ausgeht, dass so ein Komet natürlich mal auf die Erde knallen könnte. Das wäre natürlich dann nicht so schön. Aber ansonsten sind Kometen sicherlich keine Unglücksboten, sondern sind einfach Körper, die im Sonnensystem vorkommen wie jeder andere Körper auch. Nur Kometen haben eben den Vorteil, dass, wenn man sie beobachtet und analysieren kann, man Hinweise darauf kriegt, wie das Sonnensystem entstanden ist. Man hat also Urmaterie des Sonnensystems vor sich."
    Fünf Milliarden Jahre im interplanetaren Gefrierfach verbracht
    Denn Kometen bestehen aus Material, das bei der Entstehung von Sonne und Planeten übrig geblieben ist. Auch der Große Märzkomet von 1843 hat fast fünf Milliarden Jahre im interplanetaren Gefrierfach am Rand des Sonnensystems verbracht. Dann hat ihn irgendeine Störkraft Richtung Sonne getrieben - und der uralte eisige Brocken zog am Himmel die Blicke auf sich, wie eine zeitgenössische Chronik berichtet:
    "Ein Großteil der Bevölkerung von Waterbury in Connecticut sah den Kometen den ganzen Tag über, von halb acht am Morgen bis gegen drei Uhr am Nachmittag. Der Kern des Kometen leuchtete dicht neben der Sonne so hell wie der Mond um Mitternacht und der kurze Schweif ging allmählich in den blauen Himmel über."
    Entfernung von nur 800.000 Kilometern um die Sonne
    Der Komet raste in einer Entfernung von nur etwa 800.000 Kilometern um die brodelnde Sonne herum - und strahlte dabei sogar am helllichten Tage. Ein Schauspiel, wie es nur alle paar Jahrhunderte vorkommt.
    "Jeder Komet hat ein anderes Erscheinungsbild. Da gibt es eben ganz schwache Kometen und eben auch ganz große, die natürlich leider Gottes immer sehr selten sind."
    Der "Große Märzkomet" gehörte zu den hellsten je beobachteten. Derzeit kreuzt er als unauffälliger Eisbrocken irgendwo weit jenseits des Pluto. Doch der Komet wird wiederkommen. In rund 500 Jahren zieht er erneut über das Firmament - und wird die Beobachter auf der Erde verzücken oder verschrecken.