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Vor 175 Jahren geboren
Die Mäzenin und Wagner-Freundin Marie von Schleinitz

Marie von Schleinitz war ein Star der Berliner Gesellschaft der Bismarckzeit. In ihrem Salon trafen sich Reiche und Mächtige, Künstler und Wissenschaftler. Richard Wagner half sie, die Bayreuther Festspiele aus der Taufe zu heben - mit dem ersten Fundraising in der deutschen Geschichte. Heute vor 175 Jahren wurde Marie von Schleinitz geboren.

Von Christoph Schmitz-Scholemann | 22.01.2017
    Richard Wagner und Liszt in Bayreuth mit Cosima und Siegfried, ein Gemälde von Fritz Georg Papperitz. (Von Links nach Rechts: Siegfried Wagner und Cosima Wagner, geborene Liszt, Amalie Materna, Richard Wagner. Hinten: Franz von Lenbach, Emil Scaria, Fr. Fischer, Fritz Brand, Herman Levi. Weiter: Franz Liszt, Hans Richter, Franz Betz, Albert Niemann, Marie von Schleinitz Wolkenstein, Comtesse Usedom und Paul Joukowski.
    Marie von Schleinitz inmitten einer Runde von Kunstfreunden. (imago / Bianchetti/Leemage)
    Richard Wagner war ihr in inniger Verehrung zugetan - die Bayreuther Festspiele hätte es ohne sie kaum gegeben. In der am 22. Januar 1842 in Rom geborenen Marie von Schleinitz verbanden sich Kunstsinn und Tatkraft zu einer berückenden Persönlichkeit. Als die musikalisch hochbegabte Diplomatentochter 13 Jahre alt war, las sie das Textbuch der Walküre und schrieb den ersten Akt gleich mit der Hand ab.
    "Du bist der Lenz, nach dem ich verlangte
    in frostigen Winters Frist.
    Dich grüßte mein Herz mit heiligem Grau'n,
    als dein Blick zuerst mir erblühte."
    Mit 18 lernte die anmutige und geistreiche Mimi, wie man sie nannte, Wagner in Paris persönlich kennen. Wenig später nach einem Konzert in Breslau spielte er ihr auf dem Flügel vor und gestand ihr seine Liebe zu seiner späteren Frau, der damals noch anderweitig verheirateten Cosima.
    Der Schleinitz-Salon als Zentrum des liberalen Preußentums
    Einer möglichen Laufbahn als Klaviervirtuosin zog Mimi die Ehe vor. 1865, mit 23 Jahren, heiratete sie einen 35 Jahre älteren Mann, für den seine kultivierten Umgangsformen, sein Ansehen und sein Wohnort sprachen.
    "Nirgendwo wird anspruchsvollen Menschen so viel wie gerade in Berlin geboten."
    Ihr Mann residierte als Minister des preußischen Königs in einem dreiflügeligen Rokoko-Palais mitten in Berlin. Aus den großzügigen Privaträumen machte Mimi einen Salon. Dort traf sich zwischen Blumenarrangements und himbeerfarbenem Damast der kunstsinnige und gebildete Teil der Berliner Hautevolee. Man parlierte, trank Tee aus zarten Tassen und zwischendurch spielte Mimi auf dem Flügel, wenn sie nicht den gelegentlich anwesenden Richard Wagner bat:
    "Meister, keiner versteht aber doch ... so zu spielen, wie Sie!"
    Über 25 Salons gab es damals in Berlin, eine heute verlorene Zwischenwelt informeller Gesprächskultur, deren exquisitester Ort der Schleinitz-Salon war. Er galt als Zentrum des anderen, nämlich des liberalen Preußentums und stand gegen die Blut-und-Eisen-Fraktion um Bismarck. Seine bis heute nachhaltigste Wirkung hatte der Salon auf künstlerischem Gebiet. Richard Wagner verfolgte seit Längerem die Idee eines eigenen Festspielhauses. Es fehlte nur eines: Geld. 300.000 Taler mussten her. Das ließ Mimi nicht ruhen. Sie pries in ihrem Salon sogenannte Patronatsscheine an, das Stück für 300 Taler. Sie waren nicht ganz leicht an den Mann zu bringen, wie ein Mitstreiter bekannte:
    "Die wahrhaften ... und begeisterten Kunstfreunde haben meistens kein Geld, und die Geldsäcke keine Begeisterung außer für Austern und Sekt…"
    Wagner wurde die Anerkennung der kaiserlichen Familie gesichert
    Dieses erste große Fundraising in der Geschichte des deutschen Mäzenatentums war erfolgreich: Sogar der osmanische Sultan Abdülaziz zeichnete drei Patronatsscheine. 1872 wurde in Bayreuth der Grundstein gelegt, vier Jahre später folgten die ersten Festspiele und 1882 gelang es Marie von Schleinitz, die von Wagner so ersehnte Anerkennung durch die kaiserliche Familie zu gewinnen. Das Bayreuther Tagblatt schrieb über den Besuch des Kronprinzen:
    "Seine Königlich Kaiserliche Hoheit begrüßte ... die ...Gräfin von Schleinitz, bot derselben den Arm und besichtigte die Umgebung des Wagnertheaters ..."
    1885 starb Maries erster Mann. Sie heiratete erneut, lebte mit ihrem zweiten Mann, einem österreichischen Diplomaten, in Petersburg und Paris und kehrte schließlich nach Berlin zurück, wo sie ihren Salon weiterführte. Tief beeindruckt von ihrer auch im Alter ungebrochenen Fähigkeit, die Gefühle ihrer Mitmenschen zu berühren, zeigte sich einer ihrer damaligen Salongäste. Über ihren Tod am 18. Mai 1912 schrieb er:
    "Ihr Mann pflegte sie mit aller Ritterlichkeit. ... Stundenlang soll er an ihrem Bett gesessen und sie schweigend angesehen haben. Als sie aber tot war, soll er ... tagelang - an ihrem Bett geschrieen haben. Dann legte auch er sich und starb."