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Vor 20 Jahren
Der Absturz der Wuppertaler Schwebebahn

Bis 1999 galt die Wuppertaler Schwebebahn als das sicherste Verkehrsmittel der Welt. Doch in den frühen Morgenstunden des 12. April kam es zu einem verheerenden Unglück, als eine der Bahnen abstürzte. Fünf Menschen starben, 59 wurden verletzt. Der Grund für die Tragödie: menschliches Versagen.

Von Andreas Baum | 12.04.2019
    Foto des abgestürzten Wagons der Wuppertaler Schwebebahn aus dem Jahr 1999
    Bis auf den Sturz des Elefanten Tuffi im Jahr 1950 aus der Wuppertaler Schwebeahn galt diese bis dato als das sicherste Verkehrsmittel der Welt (picture-alliance / dpa / Herbert Spies)
    Als der Notärzte und Sanitäter endlich zum Unglücksort vordrangen, herrschte dort eine geradezu gespenstische Stille. Viele Überlebende standen unter Schock, apathisch hockten sie am Ufer der Wupper im Stadtteil Elberfeld, vor ihnen die Trümmer des abgestürzten Schwebebahnzuges. Ein Augenzeuge, damals 19 Jahre alt, hatte den Unfall vom nahe gelegenen Robert-Daum-Platz aus beobachtet.
    "Ich schaute nach rechts, nach links, da sah ich die Leute auf einmal auf den Straßen, die Autos haben angehalten, haben nach Hilfe geschrien. Gottseidank ist ein Krankenhaus hier in der Nähe, die ersten Hilfen kamen hier an. Da sah man, obwohl das weit weg war, sah man, wie die Menschen darin versucht haben, die Scheiben von innen auszuschlagen."
    Notruf zunächst nicht ernst genommen
    Es war die erste Schwebebahn des Tages, die am Morgen des 12. April 1999 gegen 5.45 Uhr mit einem lauten Knall gegen ein Hindernis fuhr und abstürzte. Mitarbeiter einer Büroartikelfirma eilten herbei, begannen zu helfen und trugen Opfer huckepack aus dem eiskalten Wasser der Wupper. Zwei Männer waren sofort tot, die Leiche einer Frau wurde fortgeschwemmt und erst nach Stunden geborgen, zwei weitere Menschen starben später in den Krankenhäusern. Alle fünf Toten des Unfalls erlagen den Folgen des harten Aufpralls im Fluss. 59 Mittel- und Schwerverletzte zählte man am ersten Tag.
    "Wie lange hat es denn gedauert, bis die Rettungsmannschaften da waren?"
    "Die waren innerhalb von einer Viertelstunde sie da, so zehn, so 15 Minuten ungefähr."
    Dass es 15 Minuten dauerte, bis Notärzte und Sanitäter eintrafen, war dem Berufsverkehr geschuldet sowie der Tatsache, dass die Uferstelle nur durch eine Gasse zu erreichen war – aber auch dem Umstand, dass sich niemand einen Absturz der Wuppertaler Schwebebahn hatte vorstellen können. Ein Anwohner, der den Notruf gewählt hatte, – so sagte er es selbst – erntete nur Spott und Gelächter. Erst als sich weitere Augenzeugen meldeten, lösten die Beamten Alarm aus. Die leichtverletzte Adelheid Jessner saß in einem der beiden Schwebebahnwagen, die abstürzten. Am Abend berichtete sie im Fernsehen über das Unglück.
    "Irgendwie macht es knack, knack, knack, die drei Knacks hab ich noch mitgekriegt, und dann stand ich in der Wupper. Und von da aus weiß ich gar nicht, wie ich da reingekommen bin."
    Erste Spekulationen zur Ursache
    Politiker eilten zum Unfallort, unter ihnen Nordrhein-Westfalens Innenminister Fritz Behrens. Die Schwebebahn galt bis dato als das sicherste öffentliche Verkehrsmittel der Welt. Bis auf den legendären Sprung des Zirkuselefanten Tuffi, der im Jahr 1950 aus einer Kabine ausbrach und in die Wupper stürzte, hatte es keinen nennenswerten Unfall gegeben, Menschen waren nie zu Schaden gekommen. Am Tag des Unglücks regnete es, unter seinem Schirm wagte der Minister vor Reportern erste Spekulationen über die Ursachen.
    "Das ist schrecklich. Sachverständige sind an der Arbeit. Möglicherweise gibt es Zusammenhänge mit Bauarbeiten, die hier stattfinden. Die Schwebebahn wird ja zurzeit über längere Fristen hinweg saniert und steht teilweise übers Wochenende auch still, um Austauscharbeiten an den Trägern und an den Schienenteilen vorzunehmen. Das ist ein Riesenprojekt, an dem sich das Land seit vielen Jahren auch beteiligt finanziell. Fast eine halbe Milliarde Mark an Landesmitteln wird hier investiert. Also, es wird festzustellen sein, ob es Zusammenhänge gibt zwischen den Renovierungs- und Restaurierungsarbeiten und dem Unglück."
    Menschliches Versagen führte zum Unglück
    Die gab es zweifellos: Noch am gleichen Tag entdeckte die Polizei eine Metall-Kralle an der Führungsschiene – sie war aus statischen Gründen montiert worden. Bis zum hundertsten Geburtstag der Schwebebahn im Jahr 2001 sollte jeder Stahlträger und jede Niete überprüft und ausgetauscht werden. Weil die Kralle nicht demontiert worden war, knallte der Zug dagegen und entgleiste. In dem nachfolgenden Prozess hatte sich der Verdacht der groben Fahrlässigkeit der Bauarbeiter und ihrer Vorgesetzten für den Wuppertaler Staatsanwalt Ralf Meyer erhärtet. Nicht die Technik hatte versagt, sondern der Mensch.
    "Die Kralle war aufgrund ihrer auffälligen Lackierung und aufgrund ihrer Größe eigentlich nicht zu übersehen. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass die Arbeitsbühne, von der aus die Arbeiten erfolgten, ausgeleuchtet war. Und dass sämtliche Arbeiter schon einmal mit dem Abbau befasst waren, sodass sie eigentlich hätten wissen müssen, dass dieses Teil hätte mit abgebaut werden müssen."
    Weder war eine Kontrolle erfolgt noch eine unbemannte Probefahrt. Der für die Sicherheit der Schwebebahn zuständige Betriebsleiter wurde in erster Instanz freigesprochen, eine von der Staatsanwaltschaft eingelegte Revision wurde verworfen. (*) Gegen mehrere andere Angeklagte wurden Bewährungsstrafen wegen fahrlässiger Tötung erlassen. Den Opfern zahlte die Stadt Wuppertal Entschädigungen in Millionenhöhe.
    (*) Anmerkung der Redaktion: Anders als zunächst geschrieben, wurde der für die Sicherheit der Schwebebahn zuständige Betriebsleiter nicht verurteilt.