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Vor 220 Jahren
Patent für die "Thermolampe"

Ein mit Holz gefüllter Behälter auf dem Feuer, aus dem sich Rauchschwaden bildeten: Der französische Ingenieur Philippe Lebon empfand das als Energieverschwendung und beschloss, das Gas aus dem Rauch herauszulösen, um es als Brennstoff zu verwenden. Er war erfolgreich - und Erfinder der Gaslampe.

Von Irene Meichsner | 21.09.2019
    Eine alte Gaslaterne steht und brennt in Berlin im Bezirk Steglitz-Zehlendorf in der Abenddämmerung.
    Der großräumige Einsatz von Gaslaternen zur nächtlichen Beleuchtung wurde durch die Weiterentwicklung Lebons ermöglicht (picture alliance / dpa / Wolfram Steinberg)
    "Sollte man den Dienst einer so gefälligen Flamme nicht gerne haben? Sie kocht die Speisen; sie trocknet die Wäsche; sie wärmt die Bäder, Waschkessel, den Back-Ofen mit allen ökonomischen Vortheilen, die man nur wünschen kann."
    Philippe Lebon, 1767 in Brachay im Nordosten von Frankreich geboren, war ein Straßen- und Brückenbauingenieur - und damit eigentlich ein Mann von nüchternem Verstand. Doch wenn es um seine "Thermolampe" ging, auf die er am 21. September 1799 ein Patent erhalten hatte - dann packte ihn der Überschwang.
    "Und nun noch das Uebermaaß von Licht, das kein Docht verdunkelt, und dem nicht der geringste Ruß den Glanz benimmt", schwärmte Lebon in einer Denkschrift mit dem blumigen Titel: "Nachricht von einer ganz neuen, außerordentlichen, vom Pariser National-Institut geprüften, und durch ein Erfindungs-Patent authorisirten Entdeckung einer Thermo-Lampe oder eines Spar-Ofens, welcher alle Zimmer im ganzen Hause heizet, beleuchtet, und allen Maschinen eine Bewegkraft zu geben, anwendbar ist."
    Destillation liefert Gas als Brennstoff
    Lebon hatte an der "École Nationale des Ponts et Chaussées", der von Ludwig XV. gegründeten, weltweit ersten Ingenieurschule, studiert. Er war danach in die Provinz abkommandiert worden, was seinen Tatendrang nicht befriedigte. Eher spaßeshalber hatte er eines Tages einen mit Holz gefüllten Behälter aufs Feuer gestellt und beobachtet, wie sich dunkle Rauchschwaden bildeten, während das Holz verkohlte.
    "Was für eine Verschwendung von Energie", dachte sich Lebon. Er beschloss, das Gas aus dem Rauch herauszulösen, um es als Brennstoff zu verwenden. Das Verfahren, dessen er sich dabei bediente, war im Prinzip simpel. Chemiker sprechen von "Destillation". Lebon lenkte den heißen Rauch aus der Holzverkohlung in ein Gefäß mit kaltem Wasser, in dem sich die festen Bestandteile - Öle, Harze und Säuren - niederschlugen. Das Gas zweigte er ab. Es ließ sich über ein Rohrleitungssystem überall hin verteilen, wo man es brauchte. Ein kleiner Ofen reichte aus, um ein ganzes Haus mit Brennstoff zu versorgen.
    "Die Unglaubigen können auftreten; ich will sie entwafnen. Werden sie der Wahrheit widerstehen können, welche ich ganz nakt und ungepuzt darstellen werde?"
    Spektakuläre öffentliche Präsentation
    Nachdem Lebon jahrelang an seiner Anlage herumgetüftelt hatte, veranstaltete er im Herbst 1801 eine öffentliche Illumination in einem Pavillon mit Garten in der Pariser Rue Saint-Dominique. Der Eintritt kostete drei Francs, die Menschen strömten in Scharen herbei. Ein Augenzeuge:
    "In einem Zimmer stand eine grose Urne, deren Rand mit 100 kleinen Lichtern umgeben war, in einem andern brannten überm Kamin und an den Spiegeln Wandleuchter … Die Facade des Gebäudes war mit einer brennenden Guirlande umgeben. Ein Blumentopf im Garten enthielt eine Staude, deren Blumen aus Licht gebildet waren. Kleine Lampen brannten in den Büschen. Ein Bassin war mit kleinen Flammen bedekt ... Im Ganzen strömte das Licht aus mehr denn tausend Röhren, die, wenn sie in einem Zimmer vereinigt gewesen wären, eine unerträgliche Glut hervorgebracht haben würden."
    Erfindung erst nach seinem Tod zu Gaslaternen weiterentwickelt
    Vielleicht lag es daran, dass die "Thermolampe" noch einen relativ strengen Geruch verbreitete, weil Lebon die Rauchgase nur unvollständig hatte reinigen können. Jedenfalls wollte ihm niemand eine solche Anlage abkaufen. Um die Apparatur weiterzuentwickeln, fehlte ihm das Geld. Es blieb ihm dafür auch nicht mehr viel Zeit. Lebon starb 1804 in Paris unter ungeklärten Umständen im Alter von nur 37 Jahren.
    Gut möglich, dass er in Vergessenheit geraten wäre, hätten dem Spektakel in der Rue Saint-Dominique nicht einige Herren beigewohnt, die das wirtschaftliche Potenzial seiner Erfindung erkannten. Einer von ihnen war Frederick Albert Winsor, ein deutscher Kaufmann, der die englische Staatsbürgerschaft angenommen hatte. Er übersetzte Lebons Denkschrift ins Deutsche - und machte sich in England, wo man schon Erfahrungen mit der Kohlevergasung gesammelt hatte, für das Gaslicht stark. 1814 wurden in London die ersten Öllampen durch Gaslaternen ersetzt. Wenige Jahrzehnte später war der Epochenwandel vollzogen: In fast allen größeren Städten Europas waren die Hauptstraßen des Nachts von Gaslaternen erleuchtet.