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Vor 220 Jahren
Uraufführung der "Böhmischen Hirtenmesse"

Weihnachten ohne die "Böhmische Hirtenmesse"? In Tschechien undenkbar: Jahr für Jahr strömen dort die Menschen in die Kirchen, um eine ausgesprochen fröhliche Interpretation der Weihnachtsgeschichte zu hören. Geschrieben hat sie der lange nahezu vergessene Komponist Jan Ryba. Heute vor 220 Jahren wurde sein Welthit vermutlich erstmals aufgeführt.

Von Annette Kraus | 24.12.2016
    Czech Christmas Mass, classic pastoral mass written by the Czech composer Jakub Jan Ryba, in Prague, Czech Republic, December 22, 1997. (CTK Photo/Michal Krumphanzl) |
    Alle Jahre wieder: Jan Rybas "Böhmische Hirtenmesse" hier in einer Aufführung in Prag zu Weihnachten 1997 in Prag (dpa/PA/Michal Krumphanzl)
    Am Anfang steht ein ungeduldiger Weckruf: "Hallo Meister, steh schnell auf!" – so weckt ein Hirte seinen schlafenden Vorgesetzten. In Tschechien kennt die Zeilen jedes Kind, die Böhmische Hirtenmesse von Jakub Jan Ryba gehört untrennbar zu Weihnachten. Uraufgeführt wurde sie der Legende nach an Heiligabend 1796, in der barocken Pfarrkirche von Starý Rožmital in Mittelböhmen.
    "Das hier ist Rybas Chor. Er ist recht klein, und dort mussten alle Sänger und Musiker ihren Platz finden."
    So Ivana Hoyerová von der Jakub-Jan-Ryba-Gesellschaft. Sie setzt sich vor Ort für das Erbe des Komponisten ein. Die Originalbesetzung der Weihnachtsmesse lässt sich heute nur aus alten Abschriften rekonstruieren, Rybas Partitur ist nicht erhalten.
    Bei der Uraufführung saß der Komponist selbst an der Orgel
    Ivana Hoyerova: "Damals sangen nur Männer und Jungen, etwa acht bis zwölf. Frauen waren nach den damaligen Vorschriften nicht dabei. Dazu die Geiger, eine Bratsche, Violoncello, Kontrabass, Klarinetten, Hörner, Trompete und der Orgelspieler. Dieses Werk ist wirklich eine Art Kammerstück."
    Der Orgelspieler, das war der Komponist selbst. "Auch im Kleinen kannst du etwas Gutes stiften", sagte sich Ryba. Denn der 1765 geborene Sohn einer westböhmischen Kantorenfamilie musste seine Träume von einem Leben als Musiker bald aufgeben. Nach einer fünfjährigen Schulzeit in Prag beorderten die Eltern den begabten Jungen zurück aufs Land, er sollte Volksschullehrer werden. 1788 trat Ryba eine Stelle in Rožmital an. Der ambitionierte Komponist, der über 1000 Werke hinterließ, wurde ein ebenso ehrgeiziger Pädagoge:
    "Ich untersuchte also mein Auditorium und fand darin schier lauter Laien in der Musik, also, dachte ich, mußt du für Laien schreiben, und sie allmählich zu Erhabenerem führen."
    notierte Ryba in seinem "musikalischen Lebenslauf". Um die Weihnachtsgeschichte den Gläubigen zugänglich zu machen, verlegte er sie kurzerhand in eine vertraute Umgebung.
    Ein verschneites Dorf gerät in Aufruhr, als ein Hirte einen hellen Stern am Himmel entdeckt. Nach und nach erwachen alle Bewohner. Ein Tross setzt sich in Bewegung, um dem Stern nach Bethlehem zu folgen – samt Tieren und Musikinstrumenten. Es waren vermutlich die Gläubigen aus Rožmital und Rybas Schüler, die das Werk erstmals zur Aufführung brachten. Ryba lag sehr viel an einem verständlichen Text, sagt Ivana Hoyerova:"Damals wurde nur auf Lateinisch gesungen, es war die Sprache der Gottesdienste. Auch Ryba hat viele lateinische Messen vertont. Aber er wusste, wie wichtig es war, dass die Texte von den Menschen verstanden wurden."
    Ivana Hoyerova: "Damals wurde nur auf Lateinisch gesungen, es war die Sprache der Gottesdienste. Auch Ryba hat viele lateinische Messen vertont. Aber er wusste, wie wichtig es war, dass die Texte von den Menschen verstanden wurden."
    Gerade die Dorfkantoren leisteten einen entscheidenden Beitrag, dass im Habsburgerreich auch das Tschechische seinen Platz behauptete. Ryba hielt sich dabei an die gängigen liturgischen Vorschriften der katholischen Kirche, mit denen er als Kantor vertraut war. Der tschechische Text war lediglich als Ergänzung der eigentlichen Messe gedacht. Dennoch hagelte es später Kritik, soIvana Hoyerová:
    "Ende des 19. Jahrhunderts gab es in der Kirche eine Strömung, die darauf bestand, dass Musik ein gewisses Niveau habe müsse, eine Rückkehr auch zum Lateinischen und zum erhabenen Gesang. Die Böhmische Weihnachtsmesse war für sie allzu volkstümlich, einfach und ordinär."
    Von Rožmital in die ganze Welt
    Dem Erfolg tat das keinen Abbruch. Schon bald kursierten in ganz Böhmen Abschriften der Weihnachtsmesse, und sie fand Eingang in die Literatur.
    Heute wird Jakub Jan Rybas Messe auf der ganzen Welt gespielt – auch nach Rožmital kehrt sie Jahr für Jahr zurück. Für Kantor Hubert Hoyer, der dann Rybas Platz an der Orgel einnimmt, ist das ein ganz besonderer Moment:
    "Hier kommen dann die örtlichen Musiker und Sänger zusammen, und wir bringen die Messe jedes Jahr in der Christmette zur Aufführung. Das hat natürlich eine wunderbare Atmosphäre: Es ist Heiligabend, man erinnert sich an Christi Geburt, und mit dieser Komposition hat Ryba das auf eine ganz ungewöhnliche Art und Weise gefeiert."