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Vor 225 Jahren
Der Kampf der Polen um ihren Staat

Er ging als "Kościuszko"-Aufstand in die Geschichte ein: der Kampf der Polen gegen die Zerschlagung ihres Staates durch die Teilungsmächte Russland, Preußen und Österreich. Am 10. Oktober 1794 wurde das polnische Heer unter Tadeusz Kościuszko von Russland und Preußen geschlagen.

Von Doris Liebermann | 10.10.2019
    Kosciuszko gefangen / aus: Rotteck Kosciuszko, Tadeusz; poln.General u.Na- tionalheld; 1746-1817. - "Kosciusco gefangen". (Polnischer Auf- Aufstand; Schlacht bei Maciejowice 10. Okt.1794; Polen unterliegt der russ.- preussischen Uebermacht). - Stahlstich, unbez. Aus: Bilder-Gallerie zur allgem.Weltgesch. von C.v.Rotteck; Karlsruhe und Freiburg (B.Herder) 1842. Berlin, Slg.Archiv f.Kunst & Geschichte. |
    Gefangennahme des Befehlshabers der Aufständischen, Tadeusz Kościuszko, in der Schlacht bei Maciejowice - Stahlstich von 1842 (picture-alliance / akg-images)
    "Der große polnische Staat, noch Ende des 17. Jahrhunderts eine Million Quadratkilometer groß, ist am Ende des 18. Jahrhunderts ein Bestandteil des Spieles zwischen den großen Mächten Preußen, Österreich und Russland und an der Schwelle der Niederlage des Staates", so der Historiker Robert Traba.
    Im Jahre 1772 rissen Russland, Preußen und Österreich große Regionen im Osten, Westen und Süden an sich. Polen verlor fast ein Drittel seines Hoheitsgebietes. Als Polen im Mai 1791 eine neue Verfassung verabschiedete, die sich an der französischen Aufklärung orientierte, die Rechte des Adels beschnitt und den leibeigenen Bauern mehr Rechte zusicherte, war die russische Zarin Katharina II. außer sich. Sie wollte um jeden Preis verhindern, dass die französische "Pest", wie sie es nannte, von Polen nach Russland übergriff. Katharina ließ ihre Truppen einmarschieren, Polen wurde im russisch-polnischen Krieg von 1792 geschlagen. Die zweite Teilung des Landes 1793 war die Folge.
    Veteran des Amerikanischen Unabhängigkeitskriegs
    Da trat ein Mann auf den Plan, der sich in der Schlacht mit den Russen einen Namen gemacht hatte: General Tadeusz Kościuszko: gebildet, weltgewandt, künstlerisch ambitioniert. 1746 in einer ostpolnischen Adelsfamilie geboren, besuchte er die Militärakademie in Warschau. Der Ausbruch des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges zog den jungen Polen über den Atlantik, dort kämpfte er an der Seite George Washingtons für die Freiheit der britischen Kolonien. 1784 kehrte er als General nach Polen zurück. Kościuszko nahm die Zerstörung seines Vaterlandes nicht widerspruchslos hin und rief zum Volksaufstand gegen die Teilungsmächte auf.
    "Die Befreiung Polens von fremden Truppen, die Wiedererlangung sämtlicher territorialer und materieller Besitztümer des Staates, die Wiedererrichtung der nationalen Freiheiten und die Unabhängigkeit der Republik sind die heiligen Ziele dieses Aufstandes", so verkündete es Kościuszko am 24. März 1794 vor begeisterten Menschenmassen auf dem Marktplatz in Krakau. Dort erklärte er sich zum Oberbefehlshaber des polnischen Heeres. Er setzte sich auch für die Aufhebung der Leibeigenschaft der Bauern und die Halbierung der Frondienste ein.
    Sieg bei Racławice, Niederlage bei Maciejowice
    "Es war schon ein Kennzeichen der Politik Kościuszkos, dass er gesehen hat, dass ohne vor allem die Beteiligung der Bauern, aber auch ohne Beteiligung der Bürger, ein funktionsfähiges, modernes Staatswesen nicht zu erreichen war", sagt der Historiker Hans Hecker.
    Mehrere tausend Soldaten und nur mit Sensen bewaffnete Bauernscharen unterstanden Kościuszkos Befehl, auch eine jüdische Kavallerieeinheit gehörte dazu. Sie alle kämpften mit dem Mut der Verzweiflung gegen die zahlenmäßig überlegenen Russen. Zu Beginn des Aufstandes gelang den Polen ein Sieg bei Racławice in Kleinpolen, im April zerstörten sie die russische Garnison in Warschau. Dabei starben 4.000 russische Soldaten und Zivilisten. Auch Preußens König Friedrich Wilhelm II. marschierte mit 17.000 Mann in Polen ein, und die russische Zarin schickte Verstärkung mit dem kriegserfahrenen Strategen Alexander Suworow an der Spitze.
    Am 10. Oktober 1794 erlag Kościuszkos Heer schließlich in der alles entscheidenden Schlacht bei Maciejowice südöstlich von Warschau der russischen Übermacht. Kościuszko wurde schwer verwundet, geriet in Gefangenschaft und wurde auf Befehl Katharinas II. nach St. Petersburg gebracht. In einem Vergeltungsakt richteten russische Soldaten im Warschauer Stadtteil Praga ein Blutbad an, mehr als 20.000 Polen starben.
    Dann verschwand Polen bis 1918 von der Landkarte
    Die Folge der verheerenden Niederlage war die dritte Teilung Polens 1795 durch Russland, Preußen und Österreich. Für 123 Jahre - bis 1918 - verschwand Polen von der Landkarte. Tadeusz Kościuszko wurde nach dem Tod der Zarin nach zwei Jahren Gefangenschaft begnadigt, mit ihm 12.000 weitere polnische Gefangene.
    Er starb 1817 in Solothurn in der Schweiz - und ging als Nationalheld in die polnische Geschichte ein.