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Vor 25 Jahren
Tod des Schauspielers Curt Bois

Curt Bois war Star jener blühenden Berliner Unterhaltungskultur, der die Nationalsozialisten ein brutales Ende setzten. Bois überlebte im Exil in Hollywood, zurück in Deutschland erlebte er sein Comeback - als eines der großen, und hierzulande so raren komischen Talente.

Von Ruth Fühner | 25.12.2016
    "Hoppla - die Brille rutscht" - Der Schauspieler und Regisseur Curt Bois (u.a. "Casablanca", "Der Himmel über Berlin") am 27. November 1988. Er wurde am 5. April 1901 in Berlin geboren und verstarb am 25. Dezember 1991.
    Der Schauspieler und Regisseur Curt Bois in einer Aufnahme von 1988. (picture alliance / dpa / Roland Holschneider)
    Berlin 1908 - ein Siebenjähriger wird zum Schlagerstar. Dabei hatte Curt Bois nur seine Schwester zum Casting begleiten wollen, die aber war dem Theaterdirektor zu alt für das Heinerle in der Operette "Der fidele Bauer", erinnert sich Curt Bois:
    "Beim Herausgehen sagte ich, weil bei uns sehr viel Österreicher auch im Haus verkehrten, nicht – 'Servus Direktor'. Da sagte der zu mir: 'Moment amal, der Bua ist ja ganz entzückend, sag amal, kannst du singen?', sag ich ‚Direktor, das ist ja meine Stärke!' – … und dann hat er mir das Heinerle-Duett vorgespielt, ich hab das nachgesungen, hat er gesagt: 'Also, der Bub ist engagiert.'"
    Der kecke Knabe wurde schnell zum Publikumsliebling und das Duett, auf Schallplatte gepresst, zum Schlager. Fortan tingelte der minderjährige Bois als "Salonhumorist" in mütterlicher Begleitung durch die zahllosen Revuen, Kabaretts und Varietés, die vor, während und nach dem Ersten Weltkrieg schrille Blüten trieben. Dass in der schmalen Gestalt mit den dunklen Augen, diesem Tänzer des anarchischen Missgeschicks, ein außerordentliches Talent steckte, fiel den Großen des Metiers bald auf. Auch Friedrich Hollaender vertraute Bois seine Chansons an.
    Der Regisseur Max Reinhardt erfand für Bois eigens einen Tanzlehrer, der im Stück gar nicht vorgesehen war, und der Kritiker Alfred Kerr erklärte ihn zum "Federgewichtsmeister in allen Künsten heiteren Theaters". Aber die Zeiten waren nicht heiter.
    Zielscheibe antisemitischer Hetze
    Den Nazis war Bois verhasst, seit er im "Kabarett der Komiker" einen albernen Römer gegeben hatte, dem ein Hakenkreuz am Hals baumelte; ein Filmauftritt in Frauenkleidern machte ihn zur Zielscheibe antisemitischer Hetze. Eine Woche nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler verließ Bois seine Heimat, erinnert sich Curt Bois:
    "Mein Zug ging nach Wien. In zwanzig Tagen wird der Reichstag brennen, die Republik in Flammen stehen. Ich war der Vernichtung gerade noch entgangen. Wieviele meiner Kollegen nicht! Zurück blieb meine Lustigkeit, meine Gedankenlosigkeit."
    Taschendieb in "Casablanca"
    Die längste Zeit seines Exils verbrachte Bois in Hollywood. Er hatte Glück, die Engagements flogen ihm zu – mehr als eine Nebenrolle war es allerdings selten, darunter auch der Taschendieb in Michael Curtiz' "Casablanca".
    So kam Bois 1950 zurück nach Deutschland – und entschied sich aus (freilich bald enttäuschter) politischer Sympathie für Ost-Berlin. Dort traf er auch Bertolt Brecht wieder, den er aus dem amerikanischen Exil kannte. Der erfüllte Bois einen Wunsch: die Titelrolle in "Herr Puntila und sein Knecht Matti", eine genial verstolperte, hellwach-trunkene Glanznummer, erinnert sich Bois:
    "Nimm den Stuhl dort! Du kriegst den Hatelmaberg am besten hin, wenn du meinen Direktiven folgst. Dir ist nur darum zu tun, dass du Arbeit hast. Ich muss sie einem nützlichen Ziel zuleiten. Und jetzt brauch ich einen Weg auf den Berg, ohne Weg scheiß ich dir auf den Berg."
    DDR-Engagements wurden Bois in der BRD übelgenommen
    In der Bundesrepublik nahm man Bois seine DDR-Engagements übel; erst Fritz Kortner wagte es, Bois in den Westen zu holen. Er bescherte ihm weitere Paraderollen: Shakespeares Malvolio, Molières Eingebildeten Kranken. In der Zusammenarbeit mit dem strengen Regie-Zuchtmeister stoben die Funken; Kortner über Bois:
    "Das schauspielerisch Erlernbare schien ihm unerreichbar, das Unerlernbare ist ihm gegeben."
    Später neuer Ruhm mit Wim Wenders "Himmel über Berlin"
    Das dauerhafteste Denkmal setzte ihm Wim Wenders mit dem Film "Himmel über Berlin", in dem der greise Komiker einen zerbrechlichen Homer spielt. Am 25. Dezember 1991 starb Curt Bois in Berlin.
    Die vielen Ehrungen, die ihm spät im Leben zuteil wurden, waren ihm eher gleichgültig. Geld brachten sie ihm jedenfalls kaum ein, und nur mit viel Geld hätte er seiner großen Leidenschaft frönen und ein eigenes Rennpferd kaufen können, so Curt Bois:
    "Mein Lebenswunsch ist mir nicht in Erfüllung gegangen, einmal das Traberderby zu gewinnen – als Besitzer. Das leider ist mir versagt geblieben."