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Vor 300 Jahren
Mutmaßliche Händel-Premiere auf der Themse

Zahllose reich geschmückte Boote, vorne weg der frisch gekrönte König George I., dahinter Georg Friedrich Händel mit seinen 50 Musikern und der Hofstaat: Am 22. August 1715 wurde mitten auf der Themse die erste Suite von Händels berühmter "Wassermusik" aufgeführt. Mutmaßlich. Denn ob das Datum stimmt, dafür gibt es keine gesicherten Beweise.

Von Michael Stegemann | 22.08.2015
    Eine Statue von Georg Friedrich Händel in seiner Geburtsstaat Halle an der Saale.
    Um den frisch gekrönten englischen König George I. nach Auseinandersetzungen für sich zu gewinnen, komponierte Georg Friedrich Händel die erste Suite der berühmten "Wassermusik". (imago/Westend61)
    Im Juni 1710 war der 25-jährige Georg Friedrich Händel mit einem stolzen Jahresgehalt von 1.500 Reichstalern zum Kapellmeister am Hannoveraner Hof des Kurfürsten Georg Ludwig ernannt worden. Und so ziemlich das Erste, was er hier getan hatte, war – ein Urlaubsgesuch einzureichen, um in London seine Oper "Rinaldo" aufführen zu können. Erst anderthalb Jahre später war er nach Hannover zurückgekehrt – und hatte gleich wieder um Urlaub gebeten, den ihm der Kurfürst schließlich gewährt hatte.
    "Mit dem Bedinge, sich nach Verlauf einer geziemenden Zeit wieder einzustellen",
    wie Händels erster Biograf John Mainwaring berichtet. Und weiter:
    "Allein ob er sich etwan [sic!] vor der Seefahrt gescheuet oder ob er eine Zuneigung zu den Tafellüsten des Landes gewonnen, war es einmal an dem, dass sein Versprechen, nach Hannover zurückzukommen, einigermaßen in Vergangenheit gefallen."
    Ringen um die Gunst des Königs
    Händel blieb in London und reichte 1713 seine Demission ein. Der Kurfürst war "not amused", wie man sich denken kann – der Komponist dagegen um so mehr.
    Wieder ein Jahr später bestieg der derselbe Hannoveraner Kurfürst Georg Ludwig den englischen Thron und wurde am 20. Oktober 1714 in der Westminster Abbey zum König George I. gekrönt. Den Kurfürsten hatte Händel brüskiert – nun galt es, den König wieder günstig zu stimmen. Die rettende Idee hatte Baron Kielmannsegg, Oberstallmeister des Königs und ein alter Freund Händels: King George wollte seine Herrschaft mit einem prachtvollen Fest auf der Themse feiern; ob Händel nicht zu diesem Anlass eine passende Musik komponieren und den König damit überraschen wolle? Kielmannsegg übernahm persönlich sämtliche Kosten – allein 150 Pfund für die Musiker –, und Händel machte sich an die Arbeit.
    Premiere auf der Themse
    "Gegen acht Uhr abends bestieg der König seine Barke, der jene mit den Musikern folgte, etwa 50 an der Zahl, welche alle Arten von Instrumenten spielten. [ ... ] Seine Majestät fand solches Gefallen an der Musik des berühmten Händel, dass er sie insgesamt dreimal wiederholen ließ – zweimal vor und einmal nach dem Abendessen –, obgleich jede Vorstellung eine Stunde dauerte. Die Boote voller Menschen, die zuhören wollten, waren nicht zu zählen."
    Ob dieses Konzert auf der Themse wirklich am 22. August 1715 stattfand, wie Mainwaring in seiner Biografie angibt, ist nicht ganz sicher; andere Quellen nennen den 17. Juli 1717. Fest steht jedenfalls, dass King George höchst zufrieden war, und dass diese erste von insgesamt drei Suiten der "Wassermusik" – "The Celebrated Water Music", so der Titel der Erstausgabe – bis heute zu den berühmtesten Werken Georg Friedrich Händels gehören.