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Vor 40 Jahren
Als der letzte deutsche VW Käfer vom Band lief

Sparsam, zuverlässig und einfach zu reparieren: Der VW Käfer war das Auto der Wirtschaftswunderjahre. Er war für Otto Normalverbraucher erschwinglich und in den frühen Siebzigerjahren in Deutschland bereits mehr als 15 Millionen Mal vom Band gelaufen. Bis 1978 wurde er in Emden produziert.

Von Hartmut Goege | 19.01.2018
    Ein VW-Käfer mit historischem "H"-Kennzeichen bei einer Ausfahrt.
    Ein VW-Käfer mit historischem "H"-Kennzeichen bei einer Ausfahrt (imago/Rüdiger Wölk)
    "Großer Bahnhof für ein kleines Auto. Der letzte Käfer mit der Fahrgestell-Nummer 1182034030 in der Farbe Dakota-Beige verlässt die Montage-Straße vier des VW- Werks in Emden."
    Die Tagesschau und zahlreiche andere Pressevertreter waren anwesend, als der blumengeschmückte Wagen vom Band fuhr. Über 16 Millionen Exemplare waren bis dahin allein in der Bundesrepublik produziert worden. An diesem 19. Januar 1978 sollte sich der Käfer auf seiner letzten Reise direkt ins Wolfsburger VW-Museum verabschieden. Es war der Schlusspunkt einer 40-jährigen Automobilbau-Epoche, an der zu Beginn in den 30er Jahren Adolf Hitlers Plan von einem leicht zu bauenden Volksauto stand. Ingenieur Ferdinand Porsche, der sich von Ford in den USA moderne Produktionsmethoden abgeschaut hatte, präsentierte dieses Wunderauto mit ungewöhnlichem Heckmotor 1938:
    "Dr. Porsche konstruierte eine Limousine, einen offenen Wagen und eine Cabrio-Limousine, die bei sechs bis sieben Liter Brennstoffverbrauch und hundert Kilometern Autobahngeschwindigkeit nur 990 Mark kosten werden."
    Nur zur Serienfertigung kam es nicht. Statt Volks-Autos wurden in dem neu erbauten Werk in Fallersleben bei Hannover Geländewagen und andere Rüstungsgüter produziert. Nach dem Krieg stand das teilweise zerstörte Werk auf der Demontageliste der Alliierten, doch kein ausländischer Interessent fand sich. Selbst Henry Ford winkte ab. Der zuständige britische Major Ivan Hirst überzeugte schließlich seine Vorgesetzten, die Produktion der ersten 10.000 Nachkriegskäfer selbst zu übernehmen.
    Ein Auto, wie geschaffen für die Nachkriegszeit
    "Im früheren Volkswagenwerk zu Fallersleben werden wieder Wagen am laufenden Band hergestellt. Rund 18.000 Arbeitskräfte sind in dem Werk und seinen Nebenbetrieben beschäftigt. Die Wagen werden durch die Militärbehörden zunächst an Dienststellen der Besatzungsmacht und lebenswichtige deutsche Betriebe verteilt."
    Zwei Jahre später, 1948, waren schon 20.000 Käfer produziert. Ein Auto, wie geschaffen für die Nachkriegszeit: billig, sparsam, zuverlässig und einfach zu reparieren. Selbst die sowjetische Berlin-Blockade hielt seinen Siegeszug nicht auf.
    "Vom britischen Flugplatz Wunstorf bei Hannover werden Volkswagen nach Berlin geflogen. Frisch aus dem Werk geht es direkt in den Flugzeugbauch."
    Mit Blumen geschmückt rollt der letzte in Europa produzierte VW-Käfer am 19. Januar 1978 im Emdener VW-Werk vom Band. Da das Werk mit zuletzt nur 44 produzierten Wagen täglich nicht mehr ausgelastet war, wurde die Produktion des Käfers dem Volkswagen-Werk in Mexiko übertragen.
    Mit Blumen geschmückt rollt der letzte in Europa produzierte VW-Käfer am 19. Januar 1978 im Emdener VW-Werk vom Band. ((c) dpa - Bildarchiv)
    1949 übergaben die Briten die Volkswagen GmbH an die Bundesregierung. Zuvor noch hatten sie den Produktionsstandort nach dem in der Nähe liegenden Schloss an der Aller in Wolfsburg umgetauft. Der Käfer startete seine beispiellose Erfolgsgeschichte. Ein Rekord jagte den nächsten:
    "Die Fertigstellung des zwanzigtausendsten Wagens …/ der fünfzigtausendste Volkswagen …/ Fertigstellung des hunderttausendsten Wagens nach dem Kriege …/ eine halbe Million Volkswagen."
    Denn er war erschwinglich. 1953 kostete der Viersitzer 4200 D-Mark. Endlich war der Traum für viele nach dem eigenen Auto greifbar:
    "Tja, einen Wagen müsste man haben. Dann brauchten Mutti und die Kinder nicht so lange zu warten. Vati im eigenen Wagen, das wär´s."
    Unverwüstlicher Boxermotor und zuverlässige Kaltstarteigenschaften
    Vor allem sein unverwüstlicher luftgekühlter Boxermotor und seine zuverlässigen Kaltstarteigenschaften machten ihn legendär. Der Käfer entwickelte sich zum weltweiten Exportschlager und Symbol des Wirtschaftswunders.
    Da Wolfsburg allmählich aus allen Nähten platzte, wurden Zweigwerke in Kassel, Emden, Hannover und Salzgitter gebaut, und Tochtergesellschaften wie "Volkswagen do Brasil" belieferten ganz Lateinamerika. 1955 knackte der Käfer die erste Millionen-Marke. Der Vorstand beschloss die Gründung einer USA-Vertretung. Es sollte der Durchbruch zum Lieblingsauto der Massen werden. 1972 war es schließlich soweit: Der Käfer wurde zum bis dahin meistgekauften Auto der Welt.
    "Zum 15 Millionen siebentausendvierunddreißigsten Mal rollte ein Käfer bei VW vom Band. Einmal mehr als Henry Fords berühmtes T-Modell."
    Doch mit den ersten Nachkriegsrezessionen und dem Ende des Wirtschaftswunders erlebte auch VW eine Absatzkrise. Technisch war der Käfer langsam veraltet, und die Verkaufszahlen gingen zurück. Die Wende schaffte Volkswagen 1974 mit dem Golf. Der Käfer aber hatte noch ein langes Leben. Erst 2003 lief der weltweit letzte in Mexiko vom Band.