Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Vor 50 Jahren
Als die Astronomin Jocelyn Bell den ersten Pulsar entdeckte

Sterne leuchten für viele Millionen, wenn nicht Milliarden Jahre. Aber sie leben nicht ewig. Manche explodieren am Ende ihres Daseins in einer gewaltigen Supernova. Zurück bleibt eine bizarre Sternleiche: ein Pulsar. Seine Entdeckung vor 50 Jahren erfreut Astronomen bis heute.

Von Dirk Lorenzen | 28.11.2017
    Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
    Mit diesem Fund schrieb Jocelyn Bell Astronomiegeschichte: Der zuerst entdeckte Pulsar steht im Sommerdreieck, gegen 19 Uhr am Westhimmel (Stellarium) (Stellarium)
    Im Sommer und Herbst des Jahres 1967 beobachtete die Doktorandin Jocelyn Bell dieRadiostrahlung himmlischer Objekte. Sie benutzte ein neues Teleskop in der Nähe von Cambridge in England – doch mit den Messungen schien irgendetwas nicht zu stimmen, erinnert sich Jocelyn Bell:
    "Ich bemerkte etwas sehr Seltsames in den Beobachtungsdaten, die als Messkurven auf lange Papierstreifen geschrieben waren. Dieses Signal sah weder nach einer typischen, etwas flackernden Radioquelle im Kosmos aus, noch nach einem irdischen Störsignal."
    Signal von kosmischer Quelle
    Ein Radioteleskop empfängt die Strahlung ferner Galaxien ebenso wie die Strahlung von Radiosendern oder elektrischen Geräten auf der Erde. Das seltsame Signal tauchte einmalam Tag auf – immer dann, wenn das Objekt aufgrund der Erddrehung durch das Blickfeld des Teleskops wanderte. Weil es fest am Himmel stand, war der Astronomin schnell klar, dass dieses Signal wirklich von einer kosmischen Quelle kommen musste, erklärt Michael Kramer, Direktor am Max-Planck- Institut für Radioastronomie in Bonn:
    "Sie konnte es sich nicht erklären und erst nachdem sie ihren Doktorvater überzeugen musste, dass das ein interessantes Signal zum Nachverfolgen sei, hat sie ... gezeigt, dass es sich um eine regelmäßige Radioquelle handelt, also um regelmäßige Pulse, in dem Falle waren es ungefähr in einer Sekunde Abstand."
    Funkfeuer von kleinen grünen Männchen?
    Die Position des Pulsars in der rund 50 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxien NGC 5907.
    Die Position des Pulsars in der rund 50 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxien NGC 5907. (ESA)
    Am 28. November 1967 entdeckte Jocelyn Bell, dass das neue Objekt am Himmel in perfekter Regelmäßigkeit ein Signal aussendet – fast wie ein Zeitzeichen. Da es keine irdische Störstrahlung sein konnte, schossen die Spekulationen ins Kraut, erinnerte sich die Forscherin einige Jahre später:
    "Viele sagten, wenn auch nur hinter vorgehaltener Hand, dass es vielleicht Funkfeuer von kleinen grünen Männchen sind, von einer anderen Zivilisation. Als wir dann drei weitere Objekte gefunden hatten, die ganz ähnliche Radiosignale aussenden, war ich sehr erleichtert. Damit waren die kleinen grünen Männchen ausgeschlossen. Denn es wäre äußerst unwahrscheinlich, dass mehrere extraterrestrische Zivilisationen in unsere Richtung funken, und zwar alle auf derselben Frequenz und alle zur selben Zeit."
    Grandiose Entdeckung für eine Doktorandin
    Tatsächlich hatten die Astronomen eine Art kosmischer Leuchttürme entdeckt – aber die waren keineswegs das Produkt außerirdischer Wesen. Es handelt sich um Neutronensterne oder Pulsare, wie die neue Sternklasse schließlich genannt wurde. Diese Objekte bleiben übrig, wenn massereiche Sterne als Supernova explodieren.
    Die "Sternleichen" enthalten mehr Masse als die Sonne, sind mit nur zwanzig Kilometern Durchmesser aber kleiner als eine Großstadt. In ihnen ist die Materie unvorstellbar dicht gepackt. Pulsare haben ein extrem starkes Magnetfeld und senden viel Radiostrahlung aus – entlang zweier Strahlungskegel an den Polen. Zudem rotieren sie sehr schnell. Der zuerst entdeckte Pulsar braucht nur ein, drei Sekunden für eine Umdrehung. Wann immer ein Strahlungskegel Richtung Erde zeigt, blitzt der Pulsar auf.
    Beim Nobelpreis ging Jocelyn Bell leer aus
    Eine grandiose Entdeckung für eine Doktorandin – doch der Nobelpreis ging an ihren Doktorvater und einen anderen Radioastronomen, bedauert Michael Kramer:
    "Das war schon schade. Sicherlich denke ich schon, dass Antony Hewish doch sehr schnell verstanden hat, worum es eigentlich geht. Aber dennoch denke ich mal: der Akt der Entdeckung, der war ganz klar der von Jocelyn Bell, und ich hätte uns doch sehr gewünscht, wenn man das damals 1974 auch entsprechend gewürdigt hätte."
    Auch ohne Nobelpreis ist Jocelyn Bell zu einer der großen Astronominnen unserer Zeit geworden. Die von ihr begründete Erforschung der Pulsare ist bis heute ein bedeutender Bereich der Astronomie. Mittlerweile sind über tausend Objekte dieser Art im Kosmos bekannt. Dazu Michael Kramer:
    "Heute benutzen wir Pulsare zum Studieren von dichter Materie, zum Studium von der Konstanz von Naturkonstanten und so weiter. Und das heißt also, man hat hier wirklich ein riesengroßes Fenster eröffnet, das eben mit dem Nobelpreis belohnt wurde."
    Pulsare sind wegen ihrer enormen Dichte und starken Magnetfelder die idealen Objekte, um viele physikalische Phänomene zu untersuchen. Die kosmischen Kreisel sind für die Astronomen wichtiger denn je.