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Vor 50 Jahren
Das Ende des Sechstagekriegs

Der ägyptische Staatspräsident Gamal Abdel Nasser sprach im Mai 1967 davon, alle Juden ins Meer zu treiben. Daraufhin führte Israel einen Präventivangriff durch und besiegte innerhalb weniger Tage die Armeen aller benachbarten arabischen Staaten. Am 10. Juni endete der Sechstagekrieg, doch seine Folgen sind bis heute zu spüren.

Von Matthias Bertsch | 10.06.2017
    Israelische Truppen auf einem Kommandoposten in der Negev-Wüste am 05.Juni.1967. Der sogenannte Sechstagekrieg dauerte vom 5. bis 10. Juni 1967.
    Israelische Truppen auf einem Kommandoposten in der Negev-Wüste am 5. Juni 1967. (UPI)
    "Heute befindet sich de facto das gesamte Landgebiet westlich des Jordans in unserer Hand, einschließlich der Altstadt von Jerusalem, einschließlich Jericho am Toten Meer."
    Als der Chef der israelischen Streitkräfte, der spätere Ministerpräsident Jitzchak Rabin, am 8. Juni 1967 vor die Presse trat, war der Krieg längst entschieden. Nachdem Ägyptens Präsident Gamal Abdel Nasser die Straße von Tiran für israelische Schiffe gesperrt hatte und auf der Sinaihalbinsel zigtausend Soldaten aufmarschieren ließ, hatte sich der jüdische Staat zu einem Präventivschlag entschlossen. Am 5. Juni zerstörten israelische Piloten in einem Überraschungsangriff fast die gesamte Luftwaffe Ägyptens und seiner arabischen Verbündeten. Israels Vormarsch war nicht mehr zu stoppen, betont Peter Lintl, Israel-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik.
    "Die israelische Luftwaffe gab den Bodentruppen Schutz und hat Angriffe auf die arabischen Bodeneinheiten geflogen, die hatten dem nichts entgegenzusetzen, und so kam es, dass binnen von sechs Tagen Israel ein Territorium erobert hat, das drei mal so groß war als das, was Israel in den Grenzen von vor 1967 gegolten hat: also den Sinai von Ägypten, den Gazastreifen auch von Ägypten, das Westjordanland von Jordanien und die Golan-Höhen von Syrien."
    1979 unterzeichneten Israel und Ägypten einen Friedensvertrag
    Erst als die Sowjetunion am 10. Juni mit einem Eingreifen in den Konflikt drohte – die israelischen Streitkräfte waren inzwischen auf dem Vormarsch Richtung Damaskus – endete der Krieg mit einem Waffenstillstand. Zum ersten Mal seit seiner Gründung war der jüdische Staat nicht mehr existenziell bedroht. Die Idee "Land gegen Frieden" wurde geboren: "Das heißt, man würde den arabischen Nachbarstaaten die eroberten Gebiete zurückgeben im Austausch für eine Anerkennung des Staates Israel. Das hat ja zum Beispiel auch mit Ägypten funktioniert."
    1979 unterzeichneten Israel und Ägypten einen Friedensvertrag, in dem der Rückzug Israels aus dem Sinai geregelt war. Im Westjordanland dagegen gestaltete sich das Prinzip Land gegen Frieden schwieriger. Jordanien, das das Gebiet 1948 annektiert hatte, zeigte nach dem Sechstagekrieg kein Interesse mehr an dem von Palästinensern bewohnten Westjordanland.
    "Nachdem alle auf einen Anruf aus Jordanien gewartet haben, der nie kam, gab es keine politischen Entscheidungen diesbezüglich, und das, was dann mit dem Westjordanland passiert später, wurde nicht von langer Hand in der Knesset, dem israelischen Parlament, geplant, sondern hat viel mit Facts on the Ground zu tun, also viele Leute, die Interessen im Westjordanland hatten, haben dann einfach Fakten geschaffen, zum Beispiel die Siedler."
    Bis heute gibt es keinen palästinensischen Staat
    Während die UNO den Rückzug Israels aus den besetzten Gebieten forderten, errichteten nationalreligiöse Zionisten im Westjordanland – den biblischen Provinzen Judäa und Samaria - immer mehr Siedlungen. Das änderte sich auch nicht, als die Regierung Ende der 80er-Jahre begann, auf der Grundlage "Land gegen Frieden" mit der PLO Verhandlungen über einen palästinensischen Staat an der Seite Israels zu führen. Doch trotz des Oslo-Abkommens 1994 gibt es bis heute keinen palästinensischen Staat – auch wegen der Siedler.
    "Wir haben heute, Ostjerusalem und das Westjordanland zusammen genommen, je nach Schätzung eine Zahl von zwischen 550 und 750.000 Siedlern auf dem Gebiet, in dem ein palästinensischer Staat existieren sollte. Und das macht es natürlich immer schwieriger, einen solchen Staat tatsächlich zu implementieren."
    Die Alternative heißt: Ein-Staaten-Lösung
    Da eine Auflösung der Siedlungen im Westjordanland – anders als im Gazastreifen vor zwölf Jahren – politisch in Israel kaum durchsetzbar ist, sprechen viele inzwischen von einem Ende der Zwei-Staaten-Lösung. Die Alternative heißt: Ein-Staaten-Lösung.
    "Die Ein-Staaten-Lösung heißt entweder, dass Israel das Westjordanland annektiert und den Palästinensern dann keine politischen Rechte gibt, wie es kürzlich von einem Likud-Abgeordneten auch gefordert wurde, dann haben wir aber ein Zwei-Klassen-System, und das kann eigentlich auch nicht in Israels Interesse sein, oder aber Israel gibt den Palästinensern alle Rechte, auch die politischen, dann gibt’s aber keinen jüdischen Staat mehr, dann hat man ungefähr 50 Prozent jüdische Israelis, 50 Prozent Palästinenser, und wenn jeder wählen kann, wird es keinen jüdischen Staat mehr geben."
    Und so spricht sich die Mehrheit der Israelis in Umfragen auch heute noch für die Zwei-Staaten-Lösung aus - doch in den gleichen Umfragen wird deutlich: für einen palästinensischen Staat an der Seite Israels gibt es zur Zeit keine Mehrheit.