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Vor 50 Jahren
Pianist Vladimir Horowitz feiert sein Comeback

Einer der größten Klavierspieler des 20. Jahrhunderts erlitt in seinen besten Virtuosenzeiten eine Krise, zwölf Jahre trat er nicht vors Publikum. Heute vor fünfzig Jahren feierte der in Amerika lebende Russe Vladimir Horowitz sein Comeback in der New Yorker Carnegie Hall.

Von Wolfgang Schreiber | 09.05.2015
    Vladimir Horowitz (l) wurde 1986 mit dem Großen Bundesverdienstkreuz mit Stern ausgezeichnet.
    Vladimir Horowitz (l) wurde 1986 mit dem Großen Bundesverdienstkreuz mit Stern ausgezeichnet. (picture-alliance / dpa / Werner Baum)
    Eine Sensation am Klavier lässt die Musikwelt aufhorchen: Vladimir Horowitz, die Legende unter den großen Pianisten, kehrt nach zwölf Jahren Abwesenheit ins öffentliche Konzertwesen zurück. Am 9. Mai 1965, einem Sonntag, betritt der Künstler gegen 16 Uhr, das Podium der New Yorker Carnegie Hall. Dreitausend atemlose Zuhörer sitzen auf der Stuhlkante, darunter Musikprominenz wie die Dirigenten Leonard Bernstein und Leopold Stokowski, die Pianisten Van Cliburn und Maurizio Pollini. Horowitz selbst ist so nervös, dass er gleich im ersten Takt des Eröffnungsstücks danebengreift - bei Bachs Orgel-Toccata in C-Dur in der Klavierfassung Busonis - hier das Adagio.
    "Es war wie in alten Zeiten. Die Zuhörer lauschten, als seien sie hypnotisiert."
    schrieb der Kritiker der "New York Times". Und der Kollege von der "New York Herald Tribune" setzte noch eins drauf:
    "Zweifellos nahm er nach wenigen Sekunden wieder seinen Platz unter den größten Musikern aller Zeiten ein."
    Einer der größten Musiker aller Zeiten
    Der russsche Pianist Vladimir Horowitz (1904-1989) bei einem Auftritt im Amsterdam Concertgebouw am 26 November 1986
    Der russsche Pianist Vladimir Horowitz (1904-1989) bei einem Auftritt im Amsterdam Concertgebouw am 26 November 1986 (AFP Photo )
    Für sein Comeback hatte sich Horowitz, der Übervirtuose, ein feingemischtes Programm zurechtgelegt: Nach dem Bach spielte er Schumanns große C-Dur-Fantasie, dann Stücke von Skrjabin und Chopin. Romantische Klaviermusik war immer seine vielbewunderte Spezialität gewesen, auf zahllosen Schallplatten dokumentiert. Da plötzlich, auf dem Höhepunkt der Karriere, der Rückzug des 1903 in der Ukraine geborenen und in den USA eingebürgerten Pianisten, der die Tochter Arturo Toscaninis geheiratet hatte.
    Furcht vor dem Weltruhm
    Die Gründe für den Konzertverzicht mögen vielfältig gewesen sein - Furcht vor Routine, vor dem Weltruhm, Angst vor Kritikern. Wie sehr Horowitz selbst sein Comeback als riskanten Moment der Karriere begriff, erlebte auch der Klavierstimmer von Steinway hautnah: Seit einem Vierteljahrhundert waltete der Deutsche Franz Mohr über die Klangmagie des Maestro, der mit dem Klavier einen singenden Ton erzeugen konnte wie niemand sonst.
    "Wir hatten drei Proben in der Carnegie Hall, und in der dritten Probe hatten wir noch immer nicht die rechte Position. "Nein, es war besser vorher, blablabla. Und da sagte Stewart Walker, who is der Stagemanager in Carnegie Hall, der sagte: "Maestro, hören Sie mir zu: Wir sind sechs starke Männer. Während Sie spielen, wir bewegen ganz langsam den Flügel und Sie und dann sagen Sie uns, wo wir stoppen sollen. Well, Horowitz sagte, das sei eine sehr gute Idee, großartige Idee."
    Vladimir Horowitz, der gefürchtete Perfektionist, überließ nichts dem Zufall. Sein gepolsterter Klavierhocker mußte eine Länge von exakt 48 Zoll und eine Höhe von 17 Zoll haben, der Flügel die leichteste Mechanik, einen Tastendruck von 45 Gramm. Horowitz war beliebt für seinen trockenen Humor, der sich im Alter zu einer bemerkenswerten Nonchalance sich selbst gegenüber verdichtet hatte. Er konnte über seine Fehler beim Live-Konzert sogar spotten.
    "Im Konzert ist es mir gleich, ob ich fünf falsche Töne spiele. Was kümmern sich die Menschen darum? Das geht vorbei. Sie wollen die Musik. Irren ist menschlich. Falsche Töne sind menschlich. Warum muss denn alles vollkommen sein?"