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Vor 70 Jahren
Christian Dior präsentiert seine erste Kollektion in Paris

Einer der ganz großen Namen der Pariser Haute Couture ist Christian Dior. Er bürstete den modischen Zeitgeist gegen den Strich - und traf ihn doch. Seine erste Kollektion wurde ein internationaler Erfolg und ging als "New Look" in die Geschichte ein.

Von Beatrix Novy | 12.02.2017
    Der französische Modeschöpfer Christian Dior mit seinen Models Sylvia (l) und Simone bei der Vorstellung seiner Frühlingskollektion am 25.04.1950 im Savoy Hotel in London. Sylvia trägt ein ärmelloses Abendkleid mit dem Namen Mozart, Simone eine schulterfreie Creation namens Schuman.
    Der französische Modeschöpfer Christian Dior revolutionierte in den Nachkriegsjahren mit seinen außergewöhnlichen Kleidern die Modewelt. (dpa - Report / New York Times)
    "Zum Schluss, meine Damen und Herren, besonders aber meine Damen, folgen Sie uns in das Traumreich einer jeden Frau: nach Paris in die Avenue Montaigne Nr. 30 in den Modesalon Dior."
    1955 stand der Name Dior schon weltweit für die Pariser Haute Couture, für Mode, Geschmack und Luxus, wie sie nur in Frankreich und nirgends sonst zuhause sein konnten. Kaum zu glauben, dass erst acht Jahre vorher, genauer am 12. Februar 1947, dieser Christian Dior über Nacht zum Shooting Star der Modewelt avanciert war. Dabei hatte er nur seine Träume in Farben, Facon und Stoff übersetzt - sehr viel Stoff. Es traf sich, dass viele Frauen offenbar dieselben Träume träumten wie Christian Dior.
    Plötzlich wussten sie, was ihnen gefehlt hatte: lange, weit ausschwingende Röcke, verführerisch schmal gezurrte Taillen, teure Stoffe, riesige Hüte. Alles herrlich unbequem und selbst für Couture-Verhältnisse extra teuer.
    "Diese schweren, steifen Kleider, die nicht einmal in einen Koffer passen, lächerlich",
    mokierte sich Diors praktischer denkende und entwerfende Kollegin Coco Chanel. Als ob es darum gegangen wäre.
    Abschiedsgruß an entbehrungsreiche Zeiten
    Die unerhörte Verschwendungslust, die aus Diors Modellen von 1947 sprach, war ein Abschiedsgruß an die entbehrungsreichen Besatzungs- und Kriegsjahre: Als das Material knapp, die Röcke kurz, die Jacken vorkriegsmodisch und die Frauen tough waren. Jetzt war eine andere Zeit angesagt.
    "Ihre Kleider haben so einen - New Look."
    schmeichelte die Chefredakteurin der Zeitschrift "Harper's Bazaar" dem Meister nach seiner ersten Modenschau. Fortan begleitete der Ausdruck New Look Christian Diors steile Karriere - die hatte spät begonnen, weil der 1905 geborene kunstsinnige Sohn eines Industriellen zunächst standesgemäß eine Diplomatenkarriere hatte anstreben müssen. Erst die Weltwirtschaftskrise, die 1930 zum Niedergang des Familienunternehmens führte, motivierte den jetzt nicht mehr so reichen Erben, seine eigentlichen Fähigkeiten zu verwerten: 1946 gründete er, überredet von einem reichen Geldgeber, das Modehaus Dior.
    Kleider als stilbildende Kunstwerke
    Dior wurde zu einem Modediktator, wie es danach, als die Mode in Trends zu zerfallen begann, keinen mehr gab. Von Saison zu Saison entwarf er anders: die Y-, die H-, die A-Linie, die Sacklinie und, ganz furchtbar, die Tonnenlinie verpassten dem weiblichen Körper immer neue Silhouetten.
    "Die Langeweile entthront die Moden, deshalb muss ständig etwas Neues erdacht werden."
    "Christian Dior startet in Paris seine Modebombe: Kurz oder lang war hier die Frage."
    Es gab Demonstrationen gegen Stoffverschwendung, es gab Aufregung, als Dior die Röcke kürzer machte. Wie auf Kommando verfolgte die Öffentlichkeit lustvoll jede Volte des Meisters, jede Falte, jeden Abnäher seiner unbezahlbaren, aber stilbildenden Kunstwerke.
    "Herr Dior, die Frau interessiert natürlich vor allen Dingen das Kleid, Ihr neues Y-Kleid."
    Nicht nur Diors New Look hatte auf das späte 19. Jahrhundert verwiesen, als Frauen den Status ihrer Männer in ausladenden Gewändern darzustellen hatten. Auch seine späteren Entwürfe suggerierten einen weiblichen Lebensstil großbürgerlicher Repräsentation.
    "Wie konnte seine Mode, die eine Weiblichkeit im traditionellsten Sinne feierte, nicht nur die gesellschaftliche Eleganz Europas, sondern geradezu eine Internationale der Hausfrauen erobern, die darauf versessen waren, seinen Models zu ähneln?"
    fragt der Modehistoriker Francois Baudot, den Aspekt verborgener Sehnsüchte der Kriegsgeneration vergessend.
    Ohnehin wurde das allgemein Damenhafte der 50er, das die meisten Frauen, die nicht Grace Kelly oder Audrey Hepburn hießen, muttchenhaft aussehen ließ, in den rebellischen 60ern verdrängt von Kleidungsstilen betonter Jugendlichkeit. Dauer-Adoleszenz als Modefaktor - was hätte Christian Dior daraus wohl gemacht?
    Er starb, herzkrank und übergewichtig, schon 1957. Seinen Platz in der Firma nahm der junge Yves Saint Laurent ein. Seither wechselten die Chefdesigner häufiger, wie überall. Die Beschleunigung im Modesektor, das Schrumpfen der Haute Couture, die Globalisierung der Modefirmen, die Explosion der Fast Fashion auf Billiglohn-Basis - das alles hat Christian Dior nicht mehr erlebt. Seiner Marke geht es glänzend - als Teil eines Luxuskonzerns.