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Vor 70 Jahren
Rücktritt des chinesischen Präsidenten Chiang Kai-shek

Chiang Kai-shek präsentierte sich im Inland gerne als Präsident des chinesischen Volkes, obwohl er letztlich nur Repräsentant einer kleinen, städtischen Elite war. Vor 70 Jahren trat er schließlich als Präsident der Republik China zurück, floh nach Taiwan und Mao Zedong rief die Volksrepublik China aus.

Von Ruth Kirchner | 21.01.2019
    Präsident Chiang Kai-shek sitz in einem Sessel und blicke auf eine Globus, der neben ihm steht. Aufnahme vom 11.11.1972.
    Präsident Chiang Kai-shek regierte in Taiwan bis zu seinem Tod 1975 - teils auch diktatorisch (imago)
    China Anfang 1949, ein Land in der Endphase eines jahrelangen blutigen Bürgerkriegs: die Volksbefreiungsarmee unter Mao Zedong gegen die Truppen der nationalistischen Kuomintang von Chiang Kai-shek. Er, der General und Noch-Präsident der Republik China, ist bereits in der Defensive in seiner Noch-Hauptstadt Nanking. Seine Truppen: in Auflösung.
    "… die zum Teil hungerten und die in den Kampf geschickt wurden, völlig unzureichend bekleidet und bewaffnet, will ich mal sagen, zerlumpte Soldaten, die nicht genug zu essen kriegten, weil die Offiziere ihnen noch das Essen wegnahmen", sagt die emeritierte Historikerin und Sinologin Mechthild Leutner von der FU Berlin. Chiang Kai-sheks Gegenspieler dagegen, Mao Zedong, bringt von Norden her mit seiner gut organisierten Volksbefreiungsarmee Stadt um Stadt, Provinz um Provinz unter seine Kontrolle.
    Chiang Kai-shek wurde lange hofiert
    Dabei hatte es wenige Jahre zuvor noch ganz anders ausgesehen: Chiang Kai-shek vertrat China auf der internationalen Bühne - etwa 1943 in Kairo. Als mächtigster Mann der jungen Republik China wurde er hofiert. Wie auch seine elegante Frau Song Meiling, Madame Chiang Kai-shek, wie sie genannt wurde, als sie im US-Kongress in perfektem Englisch um Unterstützung im Krieg gegen Japan warb.
    "Wir in China, wie auch Sie hier, wollen eine bessere Welt, nicht nur für uns, sondern für die gesamte Menschheit. Sie, die Vertreter des amerikanischen Volkes, müssen nun die Richtung vorgeben, um den Krieg zu gewinnen und eine Welt zu schaffen in der alle Völker in Frieden und Harmonie leben können."
    Die USA unterstützten Chiang Kai-shek erst im Kampf gegen die japanischen Besatzer, nach 1945 gegen die Kommunisten. Bereits Mitte der 20er Jahre hatte er sich als überzeugter Anti-Kommunist an die Spitze der Kuomintang gesetzt und war Präsident der Republik China geworden.
    Kein Interesse an armen Bauern
    Wie bei diesem kurzen Auftritt 1929 präsentierte sich Chiang schon damals gerne als Mann des Volkes, der nationalen Einheit, als rechtmäßiger Erbe von Republik-Gründer Sun Yat-sen. Doch die Wirklichkeit sah anders aus. Chiang Kai-shek, Sohn aus gutem Hause, war letztlich nur Repräsentant einer kleinen, städtischen Elite und konnte seine Herrschaft nie wirklich festigen. Zu vage blieben seine politischen Ideen, zu wenig kümmerte ihn das Schicksal der Millionen bitterarmen Bauern, zu korrupt waren seine Gefolgsleute. Rücksichtslos schaltete er seine politischen Gegner aus.
    "Man darf ja nicht vergessen, dass 1949 die Volksbefreiungsarmee auch in Peking, auch in anderen Orten, die ist ja wirklich wie ein Befreier begrüßt worden, die Befreier von dieser Herrschaft der Militärclique um Chiang Kai-shek, die eigentlich in dieser Endphase nur noch alles raffte an Wertgegenständen, an Gold, an Museumsschätzen, und das außer Landes brachte."
    Diese Endphase beginnt bereits Ende 1947. Den Strategen Chiang verlässt sein militärisches Geschick. In Schlachten in Nordchina stirbt eine halbe Million seiner Soldaten. Im Januar 1949 nehmen die Kommunisten die Hafenstadt Tianjin ein und schicken sich an Beiping, also Peking, zu belagern. Von Misserfolgen "ungeheuerlichen Ausmaßes" schreibt Chiang in seinem Tagebuch und bietet am 1. Januar 1949 seinen Rücktritt an. Drei Wochen später, am 21. Januar um 10 Uhr, zieht er sich tatsächlich aus dem Präsidentenamt zurück, bleibt aber Chef der Kuomintang.
    Nur wenige Wochen später greifen die Kommunisten auch seinen Regierungssitz Nanking an, die Nationalisten fliehen in den Süden und dann mit fast zwei Millionen Gefolgsleuten nach Taiwan. Dort regiert Chiang Kai-shek noch bis zu seinem Tod 1975 diktatorisch weiter und erhebt auch weiter Anspruch auf ganz China. Doch in die Geschichte geht er ein als der Mann, der 1949 die Macht an Mao verlor.