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Vor 75 Jahren hingerichtet
Julius Leber und sein Kampf gegen Hitler

Nach qualvollen Jahren in Gefängnissen und Konzentrationslagern hatte sich der Lübecker Sozialdemokrat Julius Leber dem Widerstand gegen Hitler angeschlossen. Unter anderem war er aktiv am geplanten Staatsstreich vom 20. Juli 1944 beteiligt. Am 5. Januar 1945 wurde er hingerichtet.

Von Volker Ullrich | 05.01.2020
    Das undatierte Bild zeigt den deutschen SPD-Politiker Julius Leber, der am 20. Oktober 1944 von den Nationalsozialisten zum Tode verurteilt und am 5. Januar 1945 hingerichtet wurde.
    Eine Zeichnung von Julius Leber. Nach dem Attentat vom 20. Juli hätte er Innenminister werden sollen (dpa)
    Am 20. Oktober 1944 stand der Sozialdemokrat und Widerstandskämpfer Julius Leber vor dem Volksgerichtshof. Ein Prozessbeobachter, der Journalist Paul Sethe, erinnerte sich vier Jahre später:
    "Kein Zittern in den Worten, keine Unsicherheit in der Aussage, kein zu schnelles und kein zu langsames Wort, kein Zeichen, dass Julius Leber den Mann da vorn fürchtet."
    "Der Mann da vorn", der Blutrichter Roland Freisler, verurteilte Leber zum Tod durch den Strang. Am 5. Januar 1945 wurde das Urteil vollstreckt.
    Am 19. November 1891 in einem Dorf im Oberelsass geboren und in kleinen Verhältnissen aufgewachsen, hatte Julius Leber die Oberrealschule in Freiburg besucht. Nach dem Abitur hatte er 1913 ein Studium der Volkswirtschaft begonnen, das er 1920 mit einer Promotion abschloss. Dazwischen lag das Erlebnis des Ersten Weltkriegs, an dem Leber als Freiwilliger teilnahm.
    Schon früh geriet Leber ins Blickfeld der Nationalsozialisten
    1921, mit knapp 30 Jahren, wurde er Chefredakteur des "Lübecker Volksboten", der lokalen SPD-Zeitung. Dank seiner rastlosen Energie stieg er bald zum unumstrittenen Führer der Sozialdemokratie in der alten Hansestadt auf. Seit 1924 war Leber Abgeordneter des Reichstags, wo er sich als wehrpolitischer Sprecher seiner Fraktion hervortat. Den Nationalsozialisten in Lübeck war der populäre SPD-Politiker besonders verhasst. Bereits Anfang 1932 drohte einer von ihnen:
    "Zwei Stunden nach unserem Sieg hängt Doktor Leber auf dem Marktplatz."
    Bereits in der Nacht des 30. Januar 1933 wurde Leber von einem SA-Trupp überfallen und schwer verletzt. Am 23. März, dem Tag des "Ermächtigungsgesetzes", wurde er beim Betreten der Krolloper, dem Tagungsort des Reichstags, verhaftet. Es begann eine vierjährige Leidenszeit durch Gefängnisse und Konzentrationslager. Aus Sachsenhausen, wo er monatelang im berüchtigten "Zellenbau", isoliert in Dunkelhaft, zubringen musste, schrieb er im Dezember 1936 an seine Frau Annedore:
    "Das Schicksal meint es hart mit uns (...), und doch nicht schlecht. Schicksalsschläge, Prüfungen und Notlagen hämmern den inneren Menschen zurecht und gestalten ihn um. Er lernt, sich selbst klarer zu sehen, zu erkennen und zu beurteilen."

    Nach seiner Entlassung im Mai 1937 baute sich Leber als Teilhaber einer Kohlehandlung in Berlin-Schöneberg eine neue Existenz auf. Von hier aus knüpfte er wieder Kontakte zu alten sozialdemokratischen Freunden. Seit Herbst 1943 trat er in engere Verbindung zur Widerstandsgruppe um Carl Goerdeler und den Kreisauer Kreis um Helmuth James von Moltke. Mit Claus Schenk von Stauffenberg verband ihn der unbedingte Wille zur Tat – zur Beseitigung Hitlers.
    "Er und Stauffenberg fanden erst mitten im Krieg zueinander. Dass sie, wäre das Attentat gelungen, zum tonangebenden Duo im Übergang zur neuen Ordnung geworden wären, daran lässt sich kaum zweifeln. Sie waren gescheit, sie hatten Mumm, hätten im Anschluss an den 20. Juli die Hand am Drücker haben können und wussten sich dem Volk in seiner Gesamtheit verantwortlich."
    So beschrieb Willy Brandt Lebers Bedeutung in einer Rede zum 100. Geburtstag seines ehemaligen Förderers in der Berliner Gethsemanekirche 1991. Auf der Liste der Mitglieder in der ersten Nach-Hitler-Regierung war Leber für den Posten des Innenministers vorgesehen. Anfang Juli 1944, noch vor Stauffenbergs Attentat auf Hitler, wurde er jedoch erneut verhaftet. Gemeinsam mit seinem Mitstreiter Adolf Reichwein hatte er versucht, Kontakte mit der illegalen Leitung der Berliner KPD aufzunehmen. Das Treffen war von einem Gestapo-Spitzel verraten worden.
    Blick in den zerstörten Raum in der Karten-Baracke im Führerhauptquartier in Rastenburg. 
    Julius Leber wurde unter anderem wegen der Beteiligung an der Planung des Attentats auf Hitler vom 20. Juli 1944 am 5. Januar 1945 hingerichtet (picture alliance/dpa - Heinrich Hoffmann)
    Standhaft bis zum Schluss
    In den folgenden Wochen verhörte man ihn pausenlos, um Aussagen über die Vorbereitungen des Staatsstreichs aus ihm herauszupressen. Er überstand alle Torturen ungebrochen. Sein standhaftes Auftreten vor dem Volksgerichtshof nötigte sogar Freisler widerwilligen Respekt ab. In einem letzten Gruß an seine Freunde aus der Todeszelle schrieb Leber:
    "Für eine so gute und gerechte Sache ist der Einsatz des eigenen Lebens der angemessene Preis. Wir haben getan, was in unserer Macht gestanden hat. Es ist nicht unser Verschulden, dass alles so und nicht anders ausgegangen ist."