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Vor 75 Jahren
Hinrichtung von Mitgliedern der Widerstandsgruppe "Weiße Rose"

Vor 75 Jahren wurden in München-Stadelheim Sophie und Hans Scholl sowie ihr Freund Christoph Probst hingerichtet. Erst wenige Stunden zuvor war in einem Schauprozess des Volksgerichtshofes unter Roland Freisler das Todesurteil gegen die Begründer und Mitglieder der Widerstandsgruppe "Weiße Rose" verhängt worden.

Von Bernd Ulrich | 22.02.2018
    Hans und Sophie Scholl, Gründer bzw. Mitglied der Widerstandsgruppe "Weiße Rose" an der Münchner Universität, wurden nach einer Flugblattaktion gegen die Herrschaft des NS-Regimes am 18.2.1943 verhaftet, vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und am 22.2.1943 in München-Stadelheim hingerichtet.
    Die Geschwister Hans und Sophie Scholl (picture alliance / dpa)
    "Da standen Menschen, die ganz offensichtlich von ihren Idealen erfüllt waren, ihre Antworten auf die teilweise unverschämten Fragen waren ruhig, gefasst, klar und tapfer."
    So Leo Samberger, als Gerichtsreferendar Zeuge des am 22. Februar 1943 eröffneten Prozesses gegen die studentische Widerstandsgruppe "Weiße Rose". Zehn Jahre später, im Februar 1953, fasste der Journalist Axel Eggebrecht die Geschehnisse knapp und ergriffen zusammen:
    "Am 22. Februar 1943, einem Montag, wurden sie zum Tode verurteilt. Nur drei Stunden später starben sie für ihre Überzeugung, für die Freiheit, für uns. Sophie Scholl, 21 Jahre alt, Hans Scholl, 24, Christoph Probst, 23."
    Gerichts- und Todestag
    Roland Freisler, berüchtigter Präsident des Volksgerichtshofes, war tags zuvor aus Berlin angereist, um den Vorsitz zu übernehmen. Dieser inszenierte Gerichts- sollte auch der Todestag der Angeklagten werden – das war bereits abgemacht. Die drei Widerständler bildeten mit Alexander Schmorell und Willi Graf - ebenso wie Hans Scholl und Christoph Probst angehende Mediziner - den inneren Kreis der "Weißen Rose". Der Politikwissenschaftler und Friedensforscher Detlef Bald:
    "Die Weiße Rose, wie sie heute genannt wird, war nicht eine Organisation, der man beitreten konnte, sondern eine Gruppe von Freunden, die dieselben Interessen hatten und die, neben ihren medizinischen Vorlesungen, besonders viel philosophische Vorlesungen an der Universität selbst besuchten."
    An der Münchener Universität trafen sie auch auf den außerplanmäßigen Philosophie-Professor Kurt Huber, der zum Freund und Mentor der Widerstandsgruppe wurde. Namentlich innerhalb der studentischen Kerngruppe änderte sich die ursprünglich durchaus positive Einstellung zum NS-Regime spätestens mit Beginn des Krieges. Aufwühlend waren vor allem die Erfahrungen, die Willi Graf, Hans Scholl und Alexander Schmorell als Sanitäter und Hilfsärzte an der Ostfront machen mussten: Das Leid der russischen Kriegsgefangenen rührte sie ebenso wie der Anblick des jüdischen Gettos im deutschbesetzten Warschau.
    Aufruf zum aktiven Widerstand
    All das spielte im Münchener Schauprozess natürlich keine Rolle.
    "Die empörende Gesamttendenz des Vorsitzenden Freisler war, die Angeklagten immer wieder als eine Mischung von Dümmlingen und Kriminellen hinzustellen. Es musste eben jeder Verdacht zerstört werden, dass es sich um ehrenhafte Täter handeln könnte, mit dem großen Ziel, das Volk zu Pflicht und Freiheit aufzurütteln."
    Denn das wollten die drei Studenten vor allem: Freiheit! "Freiheit" war auch eine der Parolen, die sie noch in den Nächten des 3., 8. und 15. Februar in übergroßen Lettern auf Münchener Häuserwände mit Teerfarbe aufgetragen hatten. "Nieder mit Hitler" und "Hitler der Massenmörder" lauteten weitere, von der Gestapo entdeckte Aufschriften. Seit dem Sommer 1942 hatte die "Weiße Rose" von München aus insgesamt sechs Flugblätter in Umlauf gebracht. Zunächst noch in kleinster Auflage und auf München beschränkt, stiegen die Auflagen zum Schluss bis auf 12.000 Exemplare und fanden in Süddeutschland und Österreich Verbreitung. In ihnen wurde anfangs Verweigerung und passive Widersetzlichkeit gefordert, schließlich aber zum aktiven Widerstand gegen das NS-Regime aufgerufen. Schon in der ersten Flugschrift war von den Verbrechen die Rede:
    "Wer von uns ahnt das Ausmaß der Schmach, die über uns und unsere Kinder kommen wird, wenn einst der Schleier von unseren Augen gefallen ist und die grauenvollsten und jegliches Maß unendlich überschreitenden Verbrechen ans Tageslicht treten?"
    Sich selbst geopfert, um aufzurütteln
    Axel Eggebrecht charakterisierte den Widerstand der Gruppe so:
    "Sie wollten wecken – deshalb opferten sie sich. Denn es ist dies Opfer besonders ergreifend dadurch, dass es ganz bewusst gebracht wurde. Stalingrad ging zu Ende, der blutigste aller Dilettanten hatte Hunderttausende wahnwitzig preisgegeben. Durch ihr Beispiel wollten sie den schweigenden, zögernden Unmut anfachen zu offenem Widerstand ehe es zu spät wäre."
    Um 12:45 Uhr verlas Freisler das Todesurteil. In seiner Begründung nahm es vor allem Bezug auf einen deutschen Mythos: Den angeblichen "Dolchstoß" der Heimat in den Rücken des kämpfenden Heeres, der 1918 Deutschland den Sieg im Ersten Weltkrieg gekostet hätte. Knapp vier Stunden nach der Urteilsverkündung war der vom Unrechtsstaat verordnete Mord im Gefängnis von München-Stadelheim vollzogen. Der "ganze Hinrichtungsvorgang" dauerte, wie es im Protokoll hieß, etwas mehr als drei Minuten.