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Vor dem EU-Gipfel
Warschau will weitere Tusk-Amtszeit verhindern

Wichtiges Thema des heutigen EU-Gipfels in Brüssel ist die Personalie Donald Tusk. Der bisherige EU-Ratspräsident kandidiert erneut für dieses Amt – doch ausgerechnet die Regierung seines Heimatlandes Polen stellt sich aus innenpolitischen Gründen dagegen. Deutschland unterstützt eine Verlängerung der Amtszeit von Tusk.

Von Jörg Münchenberg | 09.03.2017
    Der Rats-Präsident der Europäischen Unioin, Donald Tusk, trifft den Präsidenten von Azerbaidschan, Ilham Aliyev, während des Außenministertreffens in Brussels.
    Der Rats-Präsident der Europäischen Unioin, Donald Tusk (picture alliance / dpa / Sputnik / Alexey Vitvitsky)
    Auf die Staats- und Regierungschefs wartet heute wieder einmal eine lange Agenda, doch zunächst einmal müssen die 28 Staats- und Regierungschefs eine heikle Personalie klären – wer soll die Treffen der Chefs ab dem Sommer weiter für zweieinhalb Jahre koordinieren und leiten? Der bisherige EU-Ratspräsident Donald Tusk wird erneut kandidieren – doch ausgerechnet sein Heimaltland Polen stellt sich aus parteipolitischen Gründen quer.
    So hat die regierende PiS-Partei mit dem weitgehend unbekannten EU-Abgeordneten Jacek Saryusz-Wolksi einen Gegenkandidaten ins Rennen geschickt – ein offener Affront, den aber Regierungschefin Beate Szydlo bewusst in Kauf nimmt. Warschau will den ehemaligen Vorsitzenden der liberal-konservativen Bürgerplattform unbedingt verhindern. Denn der habe sich als Ratspräsident in innerpolnische Vorgänge eingemischt, hieß es noch gestern in einem Brief von Szydlo an die Regierungschefs.
    Doch die Mehrheit stehe hinter Tusk, heißt es in Regierungskreisen. Und schon Anfang der Woche hatte der deutsche Staatsminister Michael Roth für den amtierenden Ratspräsidenten getrommelt:
    "Gerade in diesen Zeiten sollten wir auch in Personalfragen zusammenstehen und nicht neue Konflikte in die Europäische Union hineintragen. Herr Tusk genießt das Vertrauen von ganz, ganz vielen Institutionen, aber auch Staats- und Regierungschefs in der Europäischen Union. Das ist ein klares Signal."
    Tusk muss lediglich mit qualifizierter Mehrheit bestätigt werden
    In ein paar Minuten werde die Personalfrage geklärt sein, heißt es. Zumal Tusk lediglich mit qualifizierter Mehrheit bestätigt werden muss. Trotzdem hat gerade die Bundesregierung kein Interesse daran, den wichtigen Partner Polen vor den Kopf zu stoßen. Deshalb gibt es Spekulationen, dass es einen Deal, also Zugeständnisse an anderer Stelle an Warschau geben könnte.
    Weitaus weniger kontrovers dürfte es bei den anstehenden Wirtschaftsthemen zugehen, die traditionell bei den Frühjahrstreffen im Vordergrund stehen. Es geht um weitere Reformschritte, die das Wachstum stärken sollen. Eher eine Pflichtübung. Auch der Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi wird an dem Treffen teilnehmen. Zudem wollen die Staats- und Regierungschefs ausdrücklich für den Freihandel werben und damit auch an deutliches Zeichen gegenüber US-Präsident Donald Trump setzen.
    Der Brexit steht offiziell nicht auf der Agenda und ist doch indirekt Thema – am Freitag nämlich ist Theresa May, die britische Premierministerin, schon nicht mehr dabei. Dann werden sich die 27 Staats- und Regierungschefs noch einmal über die geplante Erklärung zum 60. Jahrestag der Römischen Verträge Ende März beugen. Und dabei geht es natürlich auch um die künftige Zusammenarbeit der EU ohne Großbritannien.
    "Einheit bedeutet nicht Einförmigkeit. Deshalb plädiere ich für neue Formen der Kooperation, für neue Projekte. Nennen wir es differenzierte Zusammenarbeit, die bedeuten kann, dass einige Länder schneller oder weiter voranschreiten in Bereichen wie der Verteidigung, der Vertiefung der Wirtschafts-und Währungsunion, der Steuerharmonisierung, im Sozialen und bei der Kultur"
    So der französische Präsident Francois Hollande Anfang der Woche, der sich damit an die Seite von Bundeskanzlerin Angela Merkel gestellt hat. Doch das Konzept eines Europas der unterschiedlichen Geschwindigkeiten ist nicht zuletzt in Osteuropa umstritten, auch wenn es beispielsweise mit dem Schengen-Raum oder der Euro-Zone längst aktiv praktiziert wird. Schnelle Entscheidungen sind aber nicht zu erwarten. Weshalb auch offen ist, wie konkret und gehaltvoll die geplante Erklärung von Rom am Ende tatsächlich ausfallen wird.