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Vor dem Fahrverbot-Urteil
Streit um Kompetenzen und Verhältnismäßigkeit

Fahrverbote für ältere Diesel-Fahrzeuge sind zu schwer umzusetzen und greifen ins Eigentum der Bürger ein - so die Auffassung der Städte und Kommunen. Die Deutsche Umwelthilfe hingegen hält sie im Sinne des Gesundheitsschutzes für unverzichtbar. Rechtliche Klarheit schafft das Bundesverwaltungsgericht nun mit seinem Urteil.

Von Nadine Lindner | 21.02.2018
    Rauch strömt aus dem Auspuff eines Autos
    Dieselqualm strömt aus einem Auspuff: Die Stickoxid-Emissionen älterer Dieselmotoren sind Grund für die Forderungen nach Fahrverboten von Dieselfahrzeugen in mehreren deutschen Städten (Imago)
    Es sind wohl einige, die sich mit einem ungewissen Gefühl aus Düsseldorf oder Stuttgart auf dem Weg zum Bundesverwaltungsgericht machen. Heinrich Bottermann, Staatssekretär im Umweltministerium im verklagten Bundesland Nordrhein-Westfalen, versucht der Situation doch noch etwas Positives abzugewinnen und hofft auf ein Ende der Hängepartie.
    "Wir hoffen, dass morgen eine Klärung der Rechtslage herbeigeführt wird und dann können wir auch mit der Entscheidung umgehen. Und die in unsere weitere Planung einbeziehen."
    Im Kern geht es um die Frage, ob Städte und Länder heute schon genügend Kompetenzen haben, um Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge zu erlassen, um die Stickoxid-Grenzwerte einzuhalten. Die klagende Deutsche Umwelthilfe sagt ja, die Städte sagen nein und verweisen auf den Bund, der müsse vorher aktiv werden.
    Außerdem gibt es Streit über die Verhältnismäßigkeit. Konkret: Wie viel darf der Staat seinen Bürgern aufbürden, um für saubere Luft zu sorgen? Darf er die Nutzung von legal zugelassenen Autos einschränken? Eigentum mindern? Hier gehen die Meinungen weit auseinander.
    Deutsche Umwelthilfe erwartet Fahrverbote
    Remo Klinger, Rechtsanwalt der Deutschen Umwelthilfe, die gegen Düsseldorf und Stuttgart geklagt hat, findet, dass jetzt mal Schluss sein muss mit den Ausreden, die Stickoxid-Grenzwerte gälten schließlich seit 2010:
    "Also ich gehe optimistisch in den Termin, weil der Gesundheitsschutz mit den höchsten Stellenwert in der Verfassung hat, das ist Art. 2 GG. Der Staat hat die Aufgabe, die Gesundheit der Bürger zu schützen. Die Grenzwerte für Stickstoffdioxid gelten seit dem Jahr 2010 und damit seit acht Jahren."
    Eingriff ins Eigentum
    Heinrich Bottermann, als Umweltstaatssekretär mitverantwortlich für den Düsseldorfer Luftreinhalteplan sieht das ganz anders, denn Fahrverbote greifen ins Eigentum ein:
    "Das heißt, ich verbiete jemandem, sein zugelassenes Auto auf einer zugelassenen Straße zu bewegen. Und da hat das Grundrecht hohe Hürden vorgesetzt. Und wir müssen dieses in einer Ermessensentscheidung abwägen, ob wir das dürfen. Und nach unserer Auffassung geben die landesrechtlichen Regelungen ein solches Verbot nicht her."
    Nicht von heute auf morgen - aber mit Signalwirkung
    Wenn Leipzig im Sinne der Vorinstanzen urteilt, die der DUH recht gegeben hatten, dann müssten die Luftreinhaltepläne von Düsseldorf und Stuttgart aktualisiert - und um Fahrverbote für Diesel-PKW ergänzt werden. Das könnte mehrere Monate dauern. Von heute auf morgen kommen Fahrverbote nicht.
    Dicke Luft überm Stuttgarter Kessel. Seit Tagen gilt Feinstaubalarm, doch die Werte gehen nicht zurueck. Autofahrer werden weiterhin gebeten, freiwillig auf OePNV umzusteigen. Zudem soll auf Komfortkamine verzichtet werden.
    Dicke Luft über dem Stuttgarter Kessel. (imago / Arnulf Hettrich)
    Edgar Neumann, Pressesprecher des Umweltministeriums in Stuttgart weist aber auf die Signalwirkung hin, die weit über Stuttgart und Düsseldorf hinausgehen könnte.
    "Das heißt, überall dort, wo man die Grenzwerte nicht einhält, muss man sich nach dem Leipziger Urteil sehr schnell Gedanken machen, wie man es hinkriegt."
    Das könnte unter anderem München, Darmstadt und Köln betreffen.
    Schwere Aufgabe für die Städte
    Auf die Städte könnten harte Entscheidungen zukommen, denn sie müssten Fahrverbote ausweisen und durchsetzen. "Das gibt Staus von Stuttgart bis Heilbronn", stöhnte der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg Winfried Kretschmann. Auch der Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel, SPD, hat jetzt schon Kopfschmerzen.
    "Ob ich mir manchmal Vorstellung mache, wie das funktionieren würde. Da hab ich mir in der Tat den Kopf drüber zerbrochen. Und mir dann vorgestellt, welche Bereiche sperren wir für Diesel? Den administrativen Aufwand muss man sich mal vorstellen. Wir müssten ja einen regelrechten Schilderwald installieren."
    So Geisel im WDR.
    Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD), aufgenommen am 08.11.2016 auf einer Pressekonferenz in Düsseldorf zu Integration von Flüchtlingen.
    Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) (picture alliance / dpa / Maja Hitij)
    Forderung nach Blauer Plakette
    Egal wie der Leipziger Richterspruch ausfällt, Kommunen und Länder sind sich in einem einig: Sie müssen das ausbaden, was Autoindustrie und Bundesregierung ihnen eingebrockt haben. Die Forderung richtet sich an den Bund, er muss endlich mit der Blauen Plakette ein bundeseinheitliches Mittel schaffen, um schmutzige von sauberen Dieseln zu unterscheiden.
    Doch das Bundesverkehrsministerium zeigt sich nach wie vor hartleibig:
    "Unser Haus ist nicht für die Einführung einer Blauen Plakette. Im Übrigen möchte ich darauf hinweisen, dass dies auch im Entwurf des Koalitionsvertrages festgehalten ist."
    Am Abend wollen die Leipziger Richter entscheiden. Vielleicht reisen einige Vertreter aus Düsseldorf und Stuttgart dann mit mehr Gewissheit und vielen neuen - sowie unangenehmen Aufgaben ab.