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Vor der Berlinale
Wie Filmvermarktung funktioniert

Im Schnitt kommen jede Woche elf neue Filme in die Kinos: Doch wer soll und will die alle sehen? Angesichts von sinkenden Gewinnchancen eine schwierige Gemengelage für Produzenten und Verleiher. Um auf Filme aufmerksam zu machen, nehmen Filmfestivals bereits einen großen Stellenwert ein - häufig genug sind sie die perfekte Werbung.

Von Bernd Sobolla | 04.02.2015
    Berlinale 2015
    Publikumslieblinge werden oft Erfolgsfilme im Kino. (picture alliance / dpa / Tim Brakemeier)
    Wenn in diesen Tagen die Berlinale Filmfans aus der ganzen Welt anlockt und Berlin in einen cineastischen Ausnahmezustand versetzt, denkt wahrscheinlich kaum jemand daran, dass die Zukunft von Filmverleihern und Kinomachern eher düster aussieht. Wie in vielen Branchen wachsen die Herausforderungen, während die Gewinnchancen sinken, und längst hat die Zahl der Kinofilme, die Aufnahmefähigkeit von Zuschauern und Journalisten überschritten: Starteten 2003 rund 300 Kinofilme, hat sich diese Zahl innerhalb von zehn Jahren verdoppelt. Das sind etwa elf Filmstarts pro Woche. Aber wer soll das alles sehen? Und viel schwieriger: Wie können Produzenten beziehungsweise Verleiher in dieser Menge noch auf ihre Filme aufmerksam machen? Matthias Elwarth betreibt in Hamburg das Abaton-Filmtheater, eines der wichtigsten Arthouse-Kinos Deutschlands. Er betont den Stellenwert von Filmfestivals.
    "Im Jahr 2014 war die beste Promotion für einen Film die Berlinale-Eröffnung. Grand Budapest Hotel war mit weitem Abstand bei uns der erfolgreichste Film im Jahr 2014. Das war einfach eine perfekte Präsentation. Man darf ja nicht vergessen, dass das nicht nur dank Filmkritik ist, sondern man bekommt auch viel Fernsehberichterstattung und sehr viel Wohlwollen. Das war die perfekte Werbung für einen Film."
    Die Aufmerksamkeit durch die Berlinale konnte im letzten Jahr auch der Senator-Filmverleih nutzen. Denn im Wettbewerb lief unter anderem die Schiller-Biografie "Die geliebten Schwestern" von Dominik Graf. Allerdings ließ sich Senator-Geschäftsführer Anatol Nitschke mit dem Filmstart viel Zeit. Versuchen seine Kollegen fast immer Berlinale-Filme gleich nach dem Festival ins Kino zu bringen, um die Publicity auszunutzen, verfolgte er einen anderen Ansatz.
    Starttermin will gut überlegt sein
    Ein Dichter, zwei Lieben: Henriette Confurius (l.) als Charlotte Lengefeld, Florian Stetter als Friedrich Schiller und Hannah Herzsprung als Caroline von Beulwitz in einem Still aus dem Film "Die geliebten Schwestern" von Dominik Graf.
    Ein Dichter, zwei Lieben: Henriette Confurius (l.) als Charlotte Lengefeld, Florian Stetter als Friedrich Schiller und Hannah Herzsprung als Caroline von Beulwitz in einem Still aus dem Film "Die geliebten Schwestern" von Dominik Graf. (picture alliance / dpa )
    "Wir wussten relativ früh, dass der Film im Wettbewerb der Berlinale läuft. Wir wollten ihn aber nicht zu schnell unters Volk bringen. Wir haben gesagt, wir nehmen einen Starttermin mitten im Sommer, was eigentlich für einen Verleiher ein großes Wagnis ist. Willst du bei 30 Grad einen Film über Friedrich Schiller im Kino sehen? Das musst du dir schon gut überlegen. Wir wussten aber, wir haben einen guten Film."
    Bereits im Vorfeld hatte Anatol Nitschke mit dem Regisseur vereinbart, eine zweite Fassung zu schneiden. Denn die Festivalversion war über drei Stunden lang. Auf viele Kinobesucher wirkt eine solche Länge abschreckend. Dominik Graf kürzte aber nicht nur den Film, sondern veränderte ihn auch inhaltlich. Die Fassung, die dann im Sommer ins Kino kam, war 2.20 Stunden lang. Und Anatol Nitschke konnte ohne Übertreibung behaupten:
    "Das ist der Arthouse-Film des Monats August! Ich glaube, dass es eine kluge Entscheidung war, in den August zu gehen. Zum Teil weil die Kinosituation da besser ist und weil man nach hinten raus ein bisschen Luft hat. Diese Art von Film macht nicht am ersten Starttag oder Wochenende schon die Topzahlen. Der muss sich entwickeln. Und da hast du im Sommer so ein bisschen mehr Möglichkeiten, einen Film sich entwickeln zu lassen."
    Gewinner von Publikumspreisen sind heiß begehrt
    Dass die anspruchsvolle Künstlerbiografie dann 240.000 Kinobesucher erreichte, lag auch am Premierenort. Denn der Kinostart fand nicht, wie sonst üblich, in Berlin oder München statt, sondern in Weimar, wo Schiller einst lebte. Eine Entscheidung, die noch einmal besondere Medienaufmerksamkeit brachte. Doch für den Verleih kommt es nicht nur darauf an, Filme optimal zu vermarkten, sondern auch sie möglichst günstig einzukaufen. Interessant sind natürlich Festivalfilme, die Preise gewinnen, vor allem die Gewinner von Publikumspreisen sind heiß begehrt. Allerdings schnellen dann auch die Preise in die Höhe.
    Hollywood-Filme werden meist über den Verleih der US-Studios ins Kino gebracht, zum Beispiel Warner, Fox oder Universal. Ansonsten muss ein Verleih schon eine Million Euro und mehr für sie investieren. Bei Arthouse-Filmen liegt die Spanne zwischen 150.000 und 800.000 Euro. Je nachdem wie bekannt der Regisseur und die Schauspieler sind, welches Zuschauerpotenzial man dem Film zutraut und wie erfolgreich er in seinem Herkunftsland gelaufen ist.
    Ein besonderes Beispiel: "Monsieur Claude und seine Töchter"
    Szene aus dem Film "Monsieur Claude und seine Töchter" mit Christian Clavier (vorn) als Vater von vier Töchtern
    Szene aus dem Film "Monsieur Claude und seine Töchter" mit Christian Clavier (vorn) als Vater von vier Töchtern (dpa / picture alliance / A Borrel/Neue Visionen)
    Ein besonderer Coup gelang im letzten Jahr Torsten Frehse. Der Chef des Verleihs "Neue Visionen" entdeckte auf der Berlinale "Monsieur Claude und seine Töchter". Allerdings nicht im offiziellen Programm, sondern auf dem Filmmarkt.
    "Wir hatten den zu einem Zeitpunkt gekauft, als der noch nicht in Frankreich gestartet war, als Erfolg so nicht absehbar war. Und hatten wahrscheinlich dadurch auch unsere Chance. Wir haben für uns schon eine beträchtliche Summe gezahlt. Aber ich glaube, die, die ihn nach dem französischen Kinostart bezahlt haben, haben weitaus mehr bezahlt."
    Grundsätzlich kalkuliert Torsten Frehse nüchtern, wenn es um den Einkauf geht. Allerdings bewahrt er sich auch einen gewissen Idealismus.
    "Wenn wir einen Film kaufen, haben wir eigentlich nicht eine Zahl vor Augen. 'Oh, der macht jetzt eine Million Besucher oder zwei oder drei'. Man guckt einen Film und denkt: 'Wow, den möchte man unbedingt haben'!"
    Wenn der eigenen Begeisterung dann der Sturm der Besucher folgt, umso besser. Über 3,6 Millionen Zuschauer sahen "Monsieur Claude und seine Töchter" im Kino. Das lag zum einen an dem skurrilen Thema: Ein konservativer katholischer Franzose muss erleben, wie seine vier Töchter Migranten heiraten: einen Araber, einen Juden, einen Chinesen und schließlich einen Schwarzafrikaner. Eine Komödie über den ganz alltäglichen Rassismus, der in vielen von uns lauert.
    "Wenn jemand ein Klischee über die Juden raushaut, dann hörst du weg!
    Wenn einer in einem Atemzug Immigranten und Kriminalität nennt, bitte ich dich einfach wegzuhören.
    Und wenn einer Witze über Chinesen macht?
    Dann lachst du.
    Ich gebe also den Chinesen (Lacht)."
    Die besondere Rolle von Facebook
    Zum anderen handelte es sich um eine kurzweilige Inszenierung, auch wenn einige Kritiker den Film als oberflächlich bezeichneten. Zum Dritten wurde der Film von einer intensiven Internet-Kampagne begleitet.
    "Na ja, zum einen war sehr schnell uns klar geworden, dass der Film natürlich ein Arthouse-Publikum anspricht. Wir haben das beim Filmfest Emden gesehen, wie die Zuschauer begeistert waren. Wir haben dann gesehen, dass der Film auch – wir nennen es cross over - in den Multiplex-Bereich geht. Und ohne, dass das jetzt eine dritte Gruppe wäre, was wir massiv bei der Facebook-Kampagne gemerkt haben, wie stark der Anteil an migrantischen Leuten war, die den Trailer gut fanden, die gesagt haben: "Mensch, das ist ja genau unser Film!" Ich will jetzt nicht verallgemeinern, aber da waren "adds" in Facebook dann: "Özdul Soundso an Lingun Tan Edit: "Den gucken wir uns zusammen an!"
    So erreichte der Film Junge und Alte, Alternative und Bürgerliche, Deutsche und Migranten.
    "Für die einen ist es eine Komödie, für andere ist es ein Film, der sich in einer sehr großartigen Weise mit Rassismus auseinandersetzt. Er hat auch eine ganz klare Message. Er sagt einfach: "Rassismus ist therapierbar!"
    Allerdings spielte sich hinter den Kulissen der Facebook-Kampagne eine ungewöhnliche Investition ab, wie Abaton-Betreiber Matthias Elwarth erläutert.
    "Und zwar hat Torsten Frehse, der Verleiher von Neue Visionen, alle Kinos, die den Film gespielt haben, angerufen, angemailt, sie sollten auf ihrer Website den Trailer posten und das maximale Werbebudget bezahlen. Da hat er, glaube ich, 50.000 Euro reingesteckt. Ich glaube, die Facebook-Nutzer wissen überhaupt nicht, dass das, was sie im Stream bekommen, ganz stark bezahlt ist. Wir im Abaton haben 150 Euro an Facebook bezahlt, haben wir vom Verleih wiederbekommen. Ich würde sonst an Facebook persönlich nichts zahlen. Dafür haben diesen Trailer 30.000 Leute in ihren Stream gekriegt."
    Leute müssen über den Film reden
    Durch diese Kampagne haben rund 500.000 Leute den Trailer im Internet gesehen. Allerdings ist das auch kein Allheilmittel. Denn als der Verleih einen ähnlichen Versuch für die Killer-Komödie "Einer nach dem anderen" von Hans Peter Mohland unternahm, war der Effekt viel geringer. Anatol Nitschke setzt lieber auf seine eigene Kreativität.
    "Social Media ist in meinen Augen komplett überschätzt. Es ist ganz toll, wenn sich da auch was entwickelt. Aber was entwickelt sich? Wenn Filme heutzutage eine "Like-Rate" von 10.000 haben, ist es fast schon sensationell. Aber was will ich mit 10.000 verkauften Kinokarten? Das ist Peanuts. Wir müssen im Vorfeld schauen, dass auf den Schulhöfen, nach den Trailern im Kino, dass über die Filme geredet wird."
    Art der Filmförderung überdenken
    Der Filmwissenschaftler Rolf Giesen glaubt, dass die Filmförderung hierzulande mit dazu beiträgt, dass es viel zu selten große deutsche Erfolgsfilme gibt.
    "Wir müssen nicht über 100 Filme pro Jahr fördern. Nicht das Gießkannensystem ist entscheidend, sondern es würde reichen, wenn wir kinomäßig 20 Filme und nicht mehr fördern. Und die aber besser ausstatten, dass sie wettbewerbsfähig sind. Dass sie eine Werbekampagne haben."
    Verleiher wie Anatol Nitschke stehen einer solchen Forderung eher skeptisch gegenüber. Er hat unter anderem die Kampagnen für Filme wie "Lola rennt", "Good bye, Lenin!" oder "Alles auf Zucker!" erfolgreich ins Rollen gebracht.
    "Ich habe vor zwei Jahren einen Film mitproduzieren dürfen, "Umah – Unter Freunden". Ich glaube an diesen Regisseur. Ich habe sofort gesagt, wir machen die nächsten Sachen zusammen.
    Deutsche Filmpreisnominierung! Wir sind selber total begeistert gewesen – Kleinstfilm. Aber man sieht die Kraft von Kreativen. Jetzt zu sagen, diese Kleinstfilme dürfen nicht mehr gefördert werden, ist natürlich falsch, wenn man so denkt. Weil dann hätte es diese Filme nie gegeben."
    Aber die wenigen geförderten Filme, hätten mehr Geld für größere Marketingkampagnen, wie sie die Wissenschaftlerin Anke Hübel in ihrem Buch "Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus" beschreibt. Dabei erklärt die Autorin, wie Experten bereits im Vorfeld des Kinostarts versuchen, die Erwartung der Öffentlichkeit in die Höhe zu treiben.
    Kampagnen perfekt aufbauen
    Wie der Start einer Rakete, so soll im Idealfall der Kinostart eines Films verlaufen. Und so ist es kein Wunder, dass viele Filmverleiher ihre Werbeaktivitäten an den Countdown anlehnen. Anke Hübel führt dazu aus, dass die Menge der Informationen zum Filmstart hin ansteigt und das Werk so zur Sensation aufgeblasen wird. Heute geschieht dies zum Beispiel durch Filmausschnitte, Interviews und Gerüchte, die im Internet verbreitet werden: Hier ein Bericht über den "unglaublichen" Einsatz der Protagonisten, dort ein Artikel über Reaktionen und Entsetzen bei Gegnern, Betroffenen: Wenn Roland Emmerich in seinem Film "2012" das Ende der Welt beschwört, dann werden Maja-Forscher und alte Weissagungen zitiert; wenn die nächste Hobbit-Produktion ansteht, tauchen Berichte über explodierende Budgets auf, und wenn die Datenbank von Sony wegen "The Interview" vom nordkoreanischen Geheimdienst gehackt wird, dann bringt das vor allem Publicity. Doch unabhängig davon gilt es immer, eine spezielle Werbekampagne zu entwickeln. Matthias Elwarth denkt da zum Beispiel an "Pina". Der Dokumentarfilm von Wim Wenders über die Tänzerin und Choreografin Pina Bausch erschien 2011.
    "Als 'Pina', Pina Bausch, der Film von Wim Wenders in der Berlinale lief, im Berlinale-Palast. Und da hatte sich der Verleih, Christoph Ott, darum gekümmert, dass Frau Merkel neben Wim Wenders im Kino saß. Frau Merkel geht sonst nicht viel ins Kino. Und es waren natürlich Fotografen da. Und ich glaube, dieses Foto war überall zu sehen. Dann kam eben noch dazu, die schöne Pointe, die schöne 3-D-Brille. Ich glaube, das ist das einzige Foto, das es von Angela Merkel mit einer 3-D-Brille gibt. Und das hat natürlich bei diesem Pina Bausch Film absolut geholfen."
    Um Kampagnen perfekt aufzubauen, werden meist lange vor dem Kinostart erste Vorführungen vor einem Testpublikum durchgeführt. Auf langen Fragebögen werden der Spaßfaktor und die Hauptdarsteller beurteilt, wie originell der Stoff und seine Umsetzung sind, ob die Story realistisch oder doch eher unwahrscheinlich wirkt. In den USA werden Filme nach solchen Tests oft umgeschnitten, manchmal wird auch noch nachgedreht. In Deutschland fehlt dafür in der Regel das Geld. Aber das Urteil des Testpublikums wird bei der Werbekampagne genau berücksichtigt.
    "Ich habe ja viel mit Andreas Dresen gearbeitet. Ich bin extrem stolz auf die Kampagne, die ich damals oder die wir damals gemacht haben zu 'Ein Sommer vorm Balkon' und zu 'Wolke 9'. Ausgerechnet diese beiden Filme sind bei einer Testvorführung komplett durchgefallen. Wir haben Werte gehabt, die unterirdisch waren. Die Leute mochten diesen Film nicht."
    Das Testpublikum sah bei "Sommer vorm Balkon" einen Film über eine alleinerziehende Alkoholikerin, die nur Probleme und Depressionen hat, sowie eine Altenpflegerin, die alten Leuten "den Arsch abwischt". Die Ablehnung war perfekt. Allerdings suchen die Vermarkter in den Filmen oft nach einer sogenannten zweiten Ebene, das heißt nach einem Aspekt, der im Film vorhanden ist, aber nicht im Zentrum steht. Daraus entwickelten Anatol Nitschke und Co. die perfekte Kampagne.
    "Und bei 'Sommer vorm Balkon', mein Marketingleiter hat den sensationellen Spruch damals entwickelt: 'Der Sommer beginnt im Januar'. Das stand groß auf dem Trailer, stand groß auf dem Plakat. Das Plakat war grün und gelb und hat eher an Wiesen und Sonnenblumen erinnert. Und wir haben es riesig plakatiert im Januar damals. Wir hatten im Januar Start. Wir haben den Trailer so poppig aufgezogen, das ist schon an der Grenze, was man sich erlauben darf fürs Marketing. Aber wir haben den Film erst einmal als Komödie positioniert. Aber als Komödie mit Tiefgang. Dann gehen die Leute anders konditioniert ins Kino. Und wir haben mit diesem Film eine Millionen Zuschauer erreicht."
    Idealer ist es natürlich, wenn ein Film schon im Vorfeld positiv vom Testpublikum aufgenommen wird. Oder wenn man negativen Rezensionen vorbeugt. Der Filmemacher Til Schweiger, der sich schon immer vom deutschen Feuilleton missverstanden fühlt, veranstaltet keine Pressevorführungen mehr, sondern nur noch Privatvorstellungen für Journalisten, die ihm wohlgesinnt sind. Allerdings hat der Erfolgsmann auch ein gutes Gespür für Themen und ihre massentaugliche Umsetzung, wie er gerade mit "Honig im Kopf" erneut unter Beweis stellt. Ein Alzheimer-Familiendrama, aber als Komödie inszeniert, in der Dieter Hallervorden eine Bestleistung abliefert, wie Matthias Elwarth betont.
    Die Schauspieler Til Schweiger posiert vor der Premiere seines Kinofilms "Honig im Kopf".
    Die Schauspieler Til Schweiger posiert vor der Premiere seines Kinofilms "Honig im Kopf". (picture alliance / dpa / Daniel Bockwoldt)
    "'Honig im Kopf' von Schweiger war perfekt auf diese Weihnachtstage gesetzt. Also so eine gefühlsselige Zeit, zu einem gefühlsseligen Film. Und jetzt kriegt Dieter Hallervorden eben den Titel der Bahnzeitschrift und all solche Sachen. Die Journalisten haben gesehen: Uih! Der macht was Neues. Das ist nicht mehr Didi. Der kann auch ernst und gut. Also ist das jetzt die nächste Welle."
    Ein wichtiger Faktor: der Mulitiplikator-Effekt
    Besser noch als eine Welle, als jeder Werbespot und wirksamer als jedes Plakat wirkt der Multplikator-Effekt - Zuschauer, die den Film Freunden und Bekannten empfehlen. Das gilt besonders für kleine Filme. Ein ideales Beispiel für den Multiplikator-Effekt ist etwa zum Beispiel "Oh, Boy".
    "Kennst du das, wenn man so das Gefühl hat, dass die Menschen um einen herum irgendwie, irgendwie merkwürdig sind. Aber wenn du ein bisschen länger drüber nachdenkst, dann, dann, dann wird dir irgendwie klar, dass vielleicht nicht die anderen, sondern dass man selbst das Problem ist."
    Tom Schilling als Niko im Kinofilms "Oh Boy!"
    Tom Schilling als Niko im Kinofilms "Oh Boy!" (picture alliance / dpa)
    Das Drama über einen jungen Mann, der ziellos durch Berlin driftet, kam Ende 2012 in die Kinos. Regisseur Jan Ole Gerster war unbekannt, der Film in schwarz-weiß gedreht, das Werbebudget gering. Dennoch sahen rund 380.000 Zuschauer das außergewöhnliche Erstlingswerk.
    Filmemachertalent aufzubauen ist eine eher seltene Herangehensweise. Aber Anatol Nitschke glaubt an die Kraft des erstens Films. Und wenn er ein außergewöhnliches Debüt sieht, bekommt er glänzende Augen. Allerdings funktioniert dieser Ansatz nur als langfristige Strategie.
    "Das schönste Beispiel ist immer Tom Tykwer, 'Winterschläfer', ein ganz kleiner Film. Wir haben damals in Kauf genommen, dass wir Geld verlieren. Aber wir hatten ja auch die beiden nächsten Filme des Regisseurs. Und das Entscheidende war für uns, den Namen Tom Tykwer in der deutschen Presselandschaft bekannt zu machen. Wir haben mit 'Winterschläfer' einen kleinen Achtungserfolg im Arthouse-Bereich gehabt. Und danach hat Tom so einen kleinen Film gemacht, der auf einem dreiseitigen Exposé beruhte, 'Lola rennt'. Und ich behaupte, dass der große Erfolg von 'Lola rennt' auch damit zusammenhing, dass Tom Tykwer schon positioniert war als interessantes Talent."
    Von unschätzbarem Wert: Der Einsatz der Kinobetreiber
    Eine viel sicherere Variante ist die Verfilmung von Bestsellern. Als der Produzent Nico Hofmann "Der Medicus" von Noah Gordon verfilmte, wusste er, womit er rechnen konnte: Das Buch war in 42 Ländern erschienen und hatte sich allein in Deutschland sechs Millionen Mal verkauft. Wenn man dann auch noch Stars wie Ben Kingsley und Stellan Skarsgard besetzt und Noah Gordon zur Premiere nach Berlin einlädt, dann wird der Film fast schon zum Selbstläufer. Allerdings ist eine solche Kampagne - Einkauf der Rechte, Stars und Promotionausgaben - auch die teuerste Variante. Da müssen am Ende auch 3,6 Millionen Kinobesucher kommen, damit der Film sein Geld einspielt. Doch ob Staraufgebot oder unbekannte Talente: Letztlich muss der Film überzeugen. Mit Ausnahme von Werken, die von ihrer Action und den Spezialeffekten leben, wird sich ein durchschnittlicher Film nie an der Kinokasse durchsetzen. Und je kleiner die Filme beziehungsweise ihre Werbebudgets, desto mehr sind die Verleiher vom Einsatz der Kinobetreiber abhängig, die in oft liebevoller, aber immer mühsamer Kleinarbeit dafür sorgen, dass auch kleine Filme ihr Publikum finden.
    "Wichtig ist für mich immer: Regisseur-Besuche. Wir laden zu diesen Veranstaltungen auch alle wichtigen Multiplikatoren und Kommunikatoren ein. Der Verleih hat einen Ball ins Feld gespielt, und wir versuchen ihn ins Tor zu schießen."