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Vor der Eröffnung
Humboldt Forum stellt erste Exponate vor

Eine Reittierskulptur, die rechte Hand eines Gorillas, die Tür eines legendären Techno-Clubs - in Berlin gab es einen ersten Vorgeschmack zur Eröffnung des Humboldt Forums. Intendant Hartmut Dorgerloh ließ dabei durchblicken, dass das Forum auch vor den ganz großen gesellschaftlichen Fragen nicht zurückschreckt.

Von Claudia van Laak | 23.10.2018
    Das Bild zeigt das indische Ausstellungsstück "Nandi", eine Reittierskulptur des Hindugottes Shiva aus dem 19. Jahrhundert. Die Skulptur soll zukünftig als Highlight im Humboldt Forum ausgestellt werden.
    Das indische Ausstellungsstück "Nandi", eine Reittierskulptur des Hindugottes Shiva aus dem 19. Jahrhundert. Die Skulptur soll zukünftig als Highlight im Humboldt Forum ausgestellt werden. (picture alliance / dpa / Arne Immanuel Bänsch/)
    Ein goldener Kazike aus Kolumbien, eine Marmorstatue Friedrichs des Dritten, eine Tresortür, eine Gorillahand, ein hinduistischer Prozessions-Stier und das Werk "Guten Tag" des DDR-Malers Wolfgang Mattheuer. Klingt wie eine sinnfreie Aneinanderreihung von Gegenständen, ist aber wohldurchdacht. Es sind die Vorboten des Humboldt Forums, sagt Intendant Hartmut Dorgerloh.
    "Das zeigt den Anspruch des Humboldt Forums. Vielstimmigkeit. Multiperspektivität. Unterschiedliche Professionen, unterschiedliche Akteure, unterschiedliche Aspekte zusammenzubringen. Zusammenzudenken und auch zusammenzusehen."
    Vom Palast der Republik ins Humboldt Forum
    Das Gemälde "Guten Tag" von Wolfgang Mattheuer hing einst im Palast der Republik, der, vorgeblich wegen Asbestbelastung, nach der Wende abgerissen wurde. Das barocke Stadtschloss an genau dieser Stelle ließ wiederum das SED-Regime sprengen. In Gestalt des Humboldt Forums ist das Stadtschloss wiedererstanden, und hier ist demnächst das Mattheuer-Gemälde zu sehen. So schließt sich der Kreis.
    Ein weiterer Vorbote des Humboldt-Forums: das hölzerne Reittier des Hindu-Gottes Shiva, der Nandi. Eine fast lebensgroße hölzerne Figur aus einem Hindutempel Südindiens. Lange versteckt im Archiv, jetzt wieder zu sehen.
    "Er wird ein zentrales Element sein in einem Raum, wo es um die Religionen geht, die verschiedenen Religionen, das Miteinander der Religionen im heutigen Indien. Er steht jetzt erst einmal in der Prozessionsstraße von Ishtar, was das damit zu tun hat, das können die Besucher derzeit im Pergamonmuseum erfahren. Da merkt man, wie wichtig das gemeinsame Bewegen ist, das Prozessieren, aber das geht bis zur Parade. Den Bogen, den wir da schlagen, das geht von der religiösen Prozession über den Karnevalsumzug bis zur Loveparade."
    Mystische Tore und Protestschriften
    Loveparade – das ist der Einsatz für Paul Spieß, der für die Flächen des Landes Berlin im Humboldt Forum zuständig ist. Der Amsterdamer mag´s leicht, er möchte "fun" ins Schloss bringen und hat dafür eine ganz besondere Tresortür mitgebracht. Tausende von Technofans passierten diese Tür, um in den 90er Jahren in den legendären Club Tresor zu gelangen.
    "Das ist mythisch für eine ganze Generation. Wenn man da durchkommt, dann kommt man in eine Welt, die in den 90er Jahren Weltgeschichte geschrieben hat. House und Techno-Musik. Eine Art von Freiraum."
    Die Tresortür steht – wie alle Exponate – für die Multiperspektivität des künftigen Humboldt Forums. Freiraum und Extase in den 90ern, Enteignung und Vertreibung der Juden in den 30ern. Sicherte das Tor aus Stahl doch ab 1927 die Schließfächer im Untergeschoss des jüdischen Kaufhauses Wertheim.
    Neben dem Land Berlin bespielt auch die Humboldtuniversität Teile des wiederaufgebauten Stadtschlosses. Kurator Gorch Pieken hat sein Lieblingsobjekt mitgebracht, ein handschriftliches Manuskript. Die Vorlesungsmitschrift des Studenten Friedrich Blank aus dem Sommersemester 1885:
    "Plötzlich unterbricht er diesen Schreibfluss, also den Redefluss des Dozenten, und fügt ein: Dies bezweifle ich. In dicken großen Buchstaben, mit Ausrufezeichen, und das ist der Widerspruchsgeist, das ist die kritische Vernunft, die konstitutiv ist für Wissenschaftsfreiheit, Wissenschaftspluralismus und auch für unsere Arbeit."
    Im zukünftigen Humboldt Forum werden viele Objekte zu sehen sein, die für die unrühmliche Kolonialzeit Deutschlands stehen. Nicht nur Kunstwerke, auch Naturpräparate. Gehören sie in die Mitte Berlins oder nicht vielleicht dorthin, wo sie geraubt oder erworben wurden? In der Sammlung der Humboldtuniversität befindet sich zum Beispiel die rechte Hand eines Gorillas, in Alkohol eingelegt. Sie stammt aus der Lehrsammlung des Zoologischen Instituts der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität.
    "Die Hand steht in unserer Ausstellung für eine historische Biodiversität, die es heute nicht mehr gibt. Und die dualistische Trennung von Natur und Kultur, die über 500 Jahre die Kolonisierung von Natur, aber auch von Menschen, die zum Zwecke ihrer Ausbeutung zur Natur erklärt worden sind, gerechtfertigt hat, spielt hier eine große Rolle. Und mit dieser dualistischen Trennung ist die Natur zum Abschuss freigegeben worden."
    Migration als Motor für kulturelle Entwicklung
    Es sind die ganz großen Fragen, die im Humboldt Forum verhandelt werden sollen. Auch das inzwischen höchst politisch aufgeladene Thema der Migration. Und so war heute ein ungewöhnlich politischer Generalintendant Dorgerloh zu erleben, der den Satz von Bundesinnenminister Horst Seehofer "Die Migration ist die Mutter aller politischen Probleme" direkt aufgriff.
    "Das Humboldt Forum kann dazu beitragen, dass man versteht, dass Migration die Mutter aller Kulturen ist. Ohne Migration hätte es überhaupt keine kulturelle Entwicklung, keinen technologischen Fortschritt gegeben. Und Migration heißt eben, man kommt mit Fragen, man kommt neu irgendwo an, man findet etwas vor und muss sich in ein Verhältnis setzen. Das ist ein historisches Phänomen, die Besiedlung Europas hat über die Balkanroute funktioniert."
    Die 15 Vorboten des Humboldt Forums sind in verschiedenen Museen zu erleben – ein Puzzle, das man zusammenfügen kann, aber nicht muss. An einem Ort erst ab Ende 2019 zu erleben, dann im wiederaufgebauten barocken Berliner Stadtschloss.