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Vor der IHK-Wahl in Berlin
Kammerrebellen wollen Zwangsbeiträge abschaffen

Vor den Wahlen zur Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer Berlin wollen 20 meist junge Unternehmerinnen und Unternehmer die IHK aufmischen. Die "Kammerrebellen" rücken Themen wie Mittelverwendung, Bürokratie und Beitragssenkungen in den Mittelpunkt. In Hamburg hatten die Reformer bei der Wahl zum Plenum der Handelskammer bereits Erfolg.

Von Thomas Weinert | 26.05.2017
    Letzter Ausweg: Unternehmer wehren sich gegen eine IHK-Pflichtmitgliedschaft vor dem Bundesverfassungsgericht.
    Der Wahlsieg der "IHK-Rebellen" in Hamburg motiviert auch die Berliner Kammerkritiker. (dpa / picture alliance / Bernd Wüstneck)
    Bei ersten Proben vor dem Mikrofon sprechen eigentlich alle übers Wetter oder stellen sich vor. Christoph Hübner zitiert Heinz Erhardt und dann passen wir den Pegel an:
    "Sie füllet den Teller, den Teller von Blech, doch es kommt kein Mann, so’n Pech!
    "Die IHK schlanker, transparenter und demokratischer machen"
    Gut 30, Bart, T-Shirt, Jeans. Kammerrebell ist er und er hat wie sein Vorbild den Schalk im Nacken. Vor den Wahlen zur Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer Berlin wollen 20 meist junge Unternehmerinnen und Unternehmer die IHK aufmischen:
    Hübener: "Sie schlanker, transparenter und vor allem demokratischer machen."
    Und so wurde flugs eine Onlineumfrage auf die Homepage der IHK Rebellen gestellt, weil so ein Tool ohnehin im Angebot war einer der Initiatoren der "mitmach IHK". Die Ergebnisse kamen in die Pressemitteilung, die Methodik ins Kleingedruckte. Und so sitzt Christoph Hübner vor dem Mikrofon, erzählt, dass er noch nie in seinem Leben einen Arbeitsvertrag unterschreiben musste, bringt damit den Autoren wieder aus der Fassung und legt dann los:
    "Also repräsentativ sind unsere Ergebnisse tatsächlich nicht, sie geben nur so ein kleines Indiz dafür, wie es tatsächlich aussehen könnte, wenn dann die Kammer nach der Wahl mit ihren Mitteln versuchen würde, eine repräsentative Umfrage auf die Beine zu stellen."
    Berliner Rebellen hoffen auf ein Fünftel der Sitze
    Gerne. Und zwar professionell, kontert Jörg Nolte, der Sprecher der IHK Berlin, wenn eigene Zufriedenheitsumfragen gestartet würden und:
    "Mit diesen Ergebnissen kann man tatsächlich sich über repräsentative Stimmungs- und Meinungsbilder unterhalten und dann kommt eine Truppe und behauptet, wir haben auch mal so ein Meinungsbild eingeholt, in dem wir auf unserer Kritikerseite mal unsere Besucher befragt haben und das sieht ja ganz anders aus, also ich muss ehrlich sagen, das kann ich noch nicht mal als Impuls oder Ähnliches verstehen, in irgendeiner Form unsere eigene Befragung anders zu gestalten."
    Auf gut ein Fünftel der Sitze würden die Berliner Rebellen gerne kommen, angestachelt durch die jüngste IHK Wahl in Hamburg, wo 55 von 58 Sitzen nahezu handstreichartig übernommen wurden.
    "Die Kaufmannschaft der Hansestadt Hamburg hat sich final aufgelehnt"
    Hübener: "Also die Hamburger Kammer hat’s tatsächlich gewollt. Die haben es über Jahre provoziert mit einer Politik aus der Steinzeit, dass sich die Kaufmannschaft der Hansestadt Hamburg jetzt auch mal final aufgelehnt hat gegen die Kammer, haben auch bundesweit eine einmalige Wahlbeteiligung von 18 Prozent hingekriegt."
    Und somit Themen wie Mittelverwendung, Bürokratie, Beitragssenkungen in den Mittelpunkt der Diskussion gerückt. Auch die Handelskammer in Stuttgart kam unlängst ins Gerede, als sie sich in die Diskussion um Stuttgart 21 einmischte und so passt es vielen Kammermitgliedern in Berlin auch nicht, wenn sich die IHK zu sehr in aktuelle Politik einmischt:
    Hübener: "Zum Thema Flughafen Tegel – Offenhaltung – gab es eine sehr hitzige Debatte und trotzdem wird das Ergebnis natürlich benutzt, um die Position der Berliner Wirtschaft widerzuspiegeln."
    "Stopp!", sagt Jörg Nolte von der IHK, sich genau zu solchen Themen zu äußern, sei ja Auftrag einer Handelskammer. Es "wäre uns auch lieber, wenn sich mehr Menschen beteiligen würden und jetzt laufen ja aktuell Wahlen, vielleicht haben wir ja eine stärkere Wahlbeteiligung. Aber das ändert ja nichts daran, dass wir unserem gesetzlichen Auftrag nachzukommen haben und das tun wir auch."
    Kritik an der Untätigkeit der CDU-Ex-Wirtschaftssenatorin
    Also ist nicht gerade die Idee, auf dem Gelände des Flughafens Tegel Industrie anzusiedeln, eine gute?
    Hübener: "Ich würde gerne Tegel offen halten!"
    "Autor: Ok, das ist natürlich doof …"
    Nolte: "Aber das ist ja auch ein verzerrtes Bild, was da entsteht."
    Einfach ist es nicht, die industriepolitischen Argumentationsstränge dieser Stadt auf die Reihe zu kriegen, so kritisieren beide, der Kammersprecher und der Rebell, die Untätigkeit der CDU Ex-Wirtschaftsenatorin und loben die Ansätze von Ramona Pop, grüne Amtsnachfolgerin:
    Hübener: "Dit is Berlin, wa?!"
    Christoph Hübner hat übrigens auch noch ein Unternehmen in Leverkusen. Gefragt nach der dort zuständigen Kammer in Köln sagt er nur ein Wort: "Karneval".