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Vor der Verabschiedung
Der UN-Migrationspakt - das missverstandene Dokument

Staats- und Regierungschefs aus aller Welt treffen kommende Woche zusammen, um den Globalen Migrationspakt formal zu verabschieden. Doch fast ein halbes Jahr nach Ende der Verhandlungen ist das Dokument umstritten wie nie zuvor. Was steht wirklich drin im Migrationspakt?

Von Marc Engelhardt | 08.12.2018
    Bundesaußenminister Heiko Maas spricht in der Generaldebatte der 73. Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York
    Die Debatte um den Migrationspakt hat gezeigt, wie schwer sich die Weltgemeinschaft derzeit tut, globale Probleme gemeinsam anzugehen (imago / Xinhua / Li Muzi)
    New York, der 13. Juli 2018. Neben dem Schweizer Botschafter bei den UN, Jürg Lauber, verkündet sein mexikanischer Kollege Juan José Gomez Camacho das Ende der Verhandlungen über den Globalen Migrationspakt.
    "We both declare the conclusion of the negotiations of the Global Compact for safe, orderly and regular migration - it's agreed."
    It`s agreed – die Einigung auf einen Text ist perfekt. Der Jubel im Saal darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die beiden Verhandlungsführer aus Mexiko und der Schweiz harte Arbeit hinter sich gebracht haben.
    Zwei Jahre lang haben die Vereinten Nationen um eine globale Verständigung in Sachen Migration gerungen, zum ersten Mal in ihrer Geschichte. Und die Debatten seien hart gewesen, sagt die Kanadierin Louise Arbour, die seit März 2017 als Sonderbeauftragte von UN-Generalsekretär António Guterres die Verhandlungen begleitet hat.
    "Staaten haben einander Zugeständnisse abgerungen, sie haben über Formulierungen diskutiert und beispielsweise über die Unterscheidung von regulärer und irregulärer Migration gestritten. Ich habe diesen Prozess als sehr respektvoll empfunden, auf der Basis von Realität, Fakten, Daten und Belegen - ganz anders als viele Debatten, die derzeit in den Medien oder auf nationaler Ebene geführt werden."
    Die Sondergesandte der Vereinten Nationen für Internationale Migration, Louise Arbour sitzt vor einem Mikrofon.
    Die Sondergesandte der Vereinten Nationen für Internationale Migration, Louise Arbour (dpa/Monika Skolimowska)
    Der Migrationspakt zählt zum sogenannten Soft Law
    Mehr als ein halbes Jahr dauerten die Schluss-Verhandlungen, an denen sich alle UN-Mitgliedsstaaten außer den USA beteiligten. Einmal im Monat kamen die UN-Botschafter von 192 Ländern für jeweils eine Woche zusammen, um das Dokument zu verfassen, das bei einem Gipfel in Marokko verabschiedet werden soll.
    Danach wird die UN-Vollversammlung, die vor zwei Jahren den Auftrag zur Erstellung des Migrationspakts erteilt hat, den Pakt endgültig bestätigen. Doch auch dann wird er völkerrechtlich nicht bindend sein. Der Migrationspakt zählt zum sogenannten Soft Law, das alleine auf politische Verbindlichkeit setzt, auf den Druck der Weltgemeinschaft. So etwas gibt es bereits, sagt Louise Arbour.
    "Wenn man einen Vergleich machen will, dann ist der Migrationspakt von der rechtlichen Stellung her ähnlich den 2015 verabschiedeten Nachhaltigkeitszielen. Nichts in diesem Pakt beeinträchtigt die staatliche Souveränität, im Gegenteil: Der Pakt bekräftigt das Recht und die Pflicht von Staaten, ihr Territorium und ihre Grenzen zu kontrollieren, und zu entscheiden, welche Ausländer zu welchen Bedingungen das Recht erhalten, einzureisen oder zu bleiben."

    So steht es auch in der Präambel des Migrationspakts, Punkt 7:
    "Dieser Globale Pakt stellt einen rechtlich nicht bindenden Kooperationsrahmen dar. In der Erkenntnis, dass die Migrationsproblematik von keinem Staat allein bewältigt werden kann, fördert er die internationale Zusammenarbeit zwischen allen relevanten Akteuren im Bereich der Migration und wahrt die Souveränität der Staaten und ihre völkerrechtlichen Pflichten."
    Die Angst davor, der Migrationspakt könne Staaten zu irgendetwas zwingen, etwa zur Aufnahme von Migranten, ist also faktisch unbegründet. Und doch haben in den vergangenen Monaten immer mehr Regierungen einen Rückzieher gemacht und angekündigt, den Migrationspakt nicht mittragen zu wollen. Péter Szijjártó, der Außenminister Ungarns, das den Migrationspakt mitverhandelt hat, fällte im September, zwei Monate nach Ende der Verhandlungen, ein vernichtendes Urteil.
    "Der Globale Migrationspakt ist ein einseitiges, unausgewogenes Dokument, das sich für Migration ausspricht. Deshalb ist es sehr gefährlich. Und es wird der Welt erheblichen Schaden zufügen, indem es neue massive, illegale Fluchtwellen auslöst."
    Der ungarische Außenminister Peter Szijjarto
    Der ungarische Außenminister Peter Szijjarto (EPA/SZILARD KOSZTICSAK)
    Migration - ein globales Phänomen
    Beim Lesen des Migrationspakts ist die Behauptung, die Vereinbarung könne neue Fluchtwellen auslösen, allerdings nicht nachvollziehbar. Im Pakt haben sich die Staaten auf zehn Leitprinzipien geeinigt. Darin erkennen sie an, dass Staaten die mit Migration verbundenen Herausforderungen nicht alleine, sondern nur gemeinsam lösen können. Gleichzeitig garantieren sie jedem Staat sein Recht, seine eigene Migrationspolitik zu gestalten. Wörtlich heißt es in Punkt 15c:
    "Der Globale Pakt bekräftigt das souveräne Recht der Staaten, ihre nationale Migrationspolitik selbst zu bestimmen, sowie ihr Vorrecht, die Migration innerhalb ihres Hoheitsbereichs in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht selbst zu regeln. Innerhalb ihres Hoheitsbereichs dürfen die Staaten zwischen regulärem und irregulärem Migrationsstatus unterscheiden, einschließlich bei der Festlegung ihrer gesetzgeberischen und politischen Maßnahmen zur Umsetzung des Globalen Paktes."
    Mélanie Kolbe ist Junior-Professorin für internationale Politik am Graduate Institute der Universität Genf. Die Spezialistin für Migrationsfragen ist trotz der Eindeutigkeit solcher Passagen nicht überrascht, dass sich Regierungen wie die Ungarns gegen den Migrationspakt aussprechen.
    "Ganz besonders Ungarn ist grundsätzlich gegen diesen Ton im Global Compact for Migration, der ja eigentlich Migration als etwas Positives sieht, etwas Normales, einen normalisierenden Aspekt, und sagt: Migration passiert nun mal, und wir sollten versuchen, das so zu regulieren, dass wir alle einen positiven Gewinn davon haben.
    Und das ist im Fundament eine ganz andere Ansicht für manche Gegner, die der Meinung sind, nein, Migration ist nicht immer ökonomisch sinnvoll, eigentlich möchten wir gar keine Migration. Und deshalb gibt es auch gar kein Interesse daran, das zu regulieren."
    Dabei kann kein Zweifel daran bestehen, dass Migration ein globales Phänomen ist. Rund 250 Millionen Menschen weltweit sind bereits über Ländergrenzen hinweg gewandert, auf der Suche nach einem besseren Leben. Unter ihnen sind auch drei Millionen Deutsche, die etwa in der Schweiz, in Norwegen oder Australien ihr Glück suchen.
    "Der Migrationspakt ist nicht für oder gegen Migration"
    Migranten sind keine Flüchtlinge, der Migrationspakt ist kein Flüchtlingspakt. Ein solcher wird derzeit bei den UN noch separat verhandelt, es geht um vollkommen andere Fragen. Denn für Flüchtlinge gibt es mit der Genfer Konvention und ihren Folgeabkommen völkerrechtlich verbindliche Verpflichtungen.
    Bei der Migration ist das anders und es bleibt auch anders. Die Angst vor den vermeintlichen Folgen des Migrationspakts schüren denn auch maßgeblich diejenigen, die ihren Erfolg der Angst vor Fremden verdanken, glaubt Kolbe.
    "Das Spannende an Österreich ist, dass sie ja selber an der Vermittlung sehr viel teilgenommen haben während des Global Compacts, dort auch eine treibende Kraft waren, und überraschenderweise erklärt haben, sie möchten doch nicht dran teilnehmen. Und das ist eher auf Druck von rechtsradikaleren oder rechtsgerichteten Anti-Immigrationsgruppen passiert, die dann kurz im Vorfeld Stimmung gemacht haben, durch Proteste mobilisiert haben - Plakate und so weiter."
    Gruppen wie die Identitäre Bewegung in Österreich schafften es mit ihren nachweislich falschen Behauptungen dank einer massiven Kampagne bis in die Bundesregierung. Der außenpolitische Sprecher der Regierungspartei FPÖ, Roman Haider, erklärte im Parlament, das Hauptziel des Pakts sei die Förderung von Migration. Die UN-Sonderbeauftragte Louise Arbour betont dagegen:
    "Der Migrationspakt ist nicht für oder gegen Migration, er bezeichnet Migration weder als gute noch als schlechte Sache, sondern erst mal nur als Faktum. Aber meiner Meinung nach ist schlecht oder gar nicht organisierte Migration ein Problem. Wir brauchen besseres Management von Migration, das alle nationalen Vorgaben respektiert. Nur so verbessern wir die Lage."
    Doch nationalistische Regierungen wollen eben kein besseres Migrations-Management, glaubt die Wissenschaftlerin Mélanie Kolbe. Weil es ihnen um Abschreckung potenzieller Migranten gehe.
    "Wenn wir es regulieren, dann machen wir es ja leichter oder zumindest sicherer, und das möchten wir ja nicht. Wir möchten es gefährlich halten, unsicher, weil man versucht, Leute davon abzuschrecken zu kommen. Und in dem Sinne ist es klar, dass die FPÖ, aber auch Viktor Orbán mehr an der Abschreckungswirkung interessiert sind, anstatt es sicherer zu machen. Obwohl es natürlich keinen Beweis gibt, dass sobald es reguliert ist, dass dann automatisch mehr Leute kommen. Das ist eine sehr spekulative Haltung."
    Das Management von Migration soll verbessert werden
    Von Abschreckung ist im UN-Migrationspakt tatsächlich keine Rede. Wohl auch deshalb, weil mit ihm die letztlich erfolglose Politik der Abschreckung in den vergangenen Jahrzehnten überwunden werden soll. Im Jahr 2.000 waren den UN zufolge 2,7 Prozent der Weltbevölkerung Migranten. Heute liegt der Anteil trotz eines regelrechten Baubooms von Grenzanlagen, Mauern und Zäunen bei 3,4 Prozent.
    Ein Teil dieser Migranten lebt in der Illegalität. Das schafft Probleme: für Migranten, denen etwa Gerichte oder Krankenhäuser an ihrem Aufenthaltsort nicht zur Verfügung stehen. Und für die Aufnahmeländer, die nicht wissen, wer sich in ihrem Land befindet.
    Mit vollem Namen heißt der Migrationspakt "Globaler Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration". Wie diese erreicht werden soll, wird in 23 Zielen konkretisiert. Zu ihnen gehören Ziel zwei: die Beseitigung von Fluchtursachen, die Menschen überhaupt erst dazu bringen, ihre Länder zu verlassen; ein integriertes, sicheres und koordiniertes Grenzmanagement, wie es in Ziel elf heißt; die Bekämpfung von Schleusern, Ziel neun, und Menschenhandel, Ziel zehn. Und in Ziel 21: Die Zusammenarbeit bei einer sicheren Rückkehr in die Heimatländer und dortige Reintegration.
    Zu den Zielen gehört aber auch: Die Gewährleistung von Grundleistungen für Migranten, Ziel 15. Die Rettung von Menschenleben, Ziel acht, und die Stärkung von Rechtssicherheit und Planbarkeit bei Migrationsverfahren, Ziel 12. Von Gegnern des Pakts besonders kritisiert wird Ziel fünf, das Wege für eine reguläre Migration besser verfügbar machen soll. Dort heißt es:
    "Wir verpflichten uns, die Optionen und Wege für eine reguläre Migration in einer Weise anzupassen, die in Wiederspiegelung der demografischen Wirklichkeit und der Realität auf dem Arbeitsmarkt Arbeitskräftemobilität und menschenwürdige Arbeit erleichtert, Bildungschancen optimiert, das Recht auf ein Familienleben wahrt und den Bedürfnissen von Migranten in einer prekären Situation gerecht wird, mit dem Ziel, die Verfügbarkeit von Wegen für eine sichere, geordnete und reguläre Migration zu verbessern und zu diversifizieren."

    Cecilia Cannon forscht am Global Governance Center des Genfer Graduate Institute. Sie hat an den Verhandlungen zum Migrationspakt teilgenommen und glaubt, dass die Eindämmung irregulärer Migration nur gelingen kann, wenn es die Möglichkeit regulärer Migration gibt.
    "Menschen aus Entwicklungsländern haben kaum Möglichkeiten zu legaler Migration oder auch nur zu Reisen. Was löst es aus, wenn etwa afrikanische Studenten nicht einmal Visa bekommen, um bei uns an Tagungen teilzunehmen? Es verschärft die Ungleichheit. Und das ist ein entscheidender Grund dafür, dass irreguläre Migration seit zwei Jahrzehnten zunimmt: Weil die Industriestaaten in den 80er und 90er Jahren ihre Kriterien für Migration so sehr verschärft haben."
    Ziel fünf sind, wie jedem der 23 Ziele des Migrationspakts, mögliche Instrumente zur Umsetzung angefügt. Während die Ziele als nicht völkerrechtlich, aber doch politisch verpflichtend betrachtet werden können, gilt das für die Instrumente nicht. Sie sind nicht mehr als Vorschläge.
    Bei Ziel fünf gehören dazu: die Liberalisierung von Visumsbedingungen, zu Studienzwecken und zur Aufnahme von Arbeit - im Einklang mit der Arbeitsmarktnachfrage. Die Entwicklung von Verfahren für Visa aus humanitären Gründen. Und Programme zur Arbeitsmobilität, gemeinsam mit dem Privatsektor. Louise Arbour sieht darin eine große Chance.
    "Wenn, rein hypothetisch gesprochen, europäische Staaten in der Landwirtschaft, der technischen Produktion oder der Pflege einen erheblichen Arbeitskräftemangel in den nächsten 15 Jahren erwarten, dann wäre es doch sinnvoll, jetzt entsprechende Programme mit Entwicklungsländern zu vereinbaren, damit Menschen genau diese Fertigkeiten erlernen und nicht andere."
    Befürworter verweisen auf die Einkünfte, die Gastarbeiter schon heute nach Hause zurück überweisen und die zur Entwicklung vieler armer Länder mehr beitragen als die offizielle Entwicklungshilfe. Doch abwandernde qualifizierte Arbeitskräfte könnten in Entwicklungsländern fehlen. Und die Governance-Expertin Cecilia Cannon kritisiert die Qualifikations-Partnerschaften noch aus einem weiteren Grund.
    "Diese Idee, Jobs und Qualifikationen abzustimmen, ist zu kurzsichtig. Viele Staaten wollen Migranten sogar erst dann aufnehmen, wenn es gerade den passenden freien Job gibt. Aber der Arbeitsmarkt ist ständig in Bewegung. Und wir vernachlässigen, zu welchen Innovationen und kreativen Leistungen Menschen in der Lage sind, auch arme oder schlecht ausgebildete Migranten. Wenn man ihnen die Chance gibt, dann machen sie etwas daraus."
    Cannon stört sich daran, dass durch die lautstarke Kritik der Gegner des Migrationspakts in der Öffentlichkeit mittlerweile das Bild entstanden ist, der Pakt sei fortschrittlich und liberal. Das Gegenteil sei der Fall, sagt sie. Migration werde in weiten Teilen vor allem als Sicherheitsproblem behandelt.
    "Österreich hat die Verhandlungen für die EU geführt. Und die Hardliner haben sich im Dokument durchgesetzt. Natürlich, der Text erwähnt Menschenrechte und die Verbesserung der Lebenssituation in Entwicklungsländern. Aber wenn man sich ansieht, wieviel Regierungen für die verschiedenen im Pakt aufgeführten Aspekte wirklich ausgeben, dann sieht man, wie einseitig der Schwerpunkt bei Grenzsicherung oder Inhaftierung von Migranten liegt."
    Die Europäische Union etwa hat angekündigt, die Ausgaben für die Sicherung ihrer Außengrenzen in der nächsten Haushaltsperiode von jetzt 13 auf dann 34,9 Milliarden Euro nahezu zu verdreifachen. Für die im Migrationspakt angedachten Instrumente sollen dagegen die Vereinten Nationen einen Finanzierungsmechanismus einrichten.
    29.06.2018, Spanien, Tarifa: Zwei junge Migranten aus Nordafrika kommen nach ihrer Rettung in der Straße von Gibraltar im Hafen von Tarifa an und werden von einem Polizisten begleitet. Ihre Hände wurden zuvor zusammengebunden. Die EU-Staaten haben sich bei ihrem Gipfel in Brüssel darauf geeinigt, in der EU geschlossene Aufnahmelager für gerettete Bootsflüchtlinge einzurichten. Foto: Javier Fergo/dpa | Verwendung weltweit
    Zwei junge Migranten aus Nordafrika kommen nach ihrer Rettung in der Straße von Gibraltar im spanischen Hafen von Tarifa an. (dpa)
    Dennoch: Kein Zweifel an der Verabschiedung
    Woher das Geld dafür kommen soll, ist dabei vollkommen unklar. Der Mechanismus "ermögliche" es Mitgliedsstaaten, UN, Privatsektor und philanthropischen Stiftungen, Ressourcen bereitzustellen, heißt es in Punkt 43 - "auf freiwilliger Basis", wie ausdrücklich betont wird. Das aber könnte heißen, dass Gelder der reichen Länder für die beabsichtigten regionalen Kooperationen doch vor allem in Abschottungsmaßnahmen fließen, befürchtet Junior-Professorin Mélanie Kolbe.
    "Die regionale Kooperation muss kommen. Und die EU hat das selber auch sehr forciert in den letzten Jahren, besonders wenn es um die mediterrane Migration geht. Aber hier ist die Frage, Kooperation, regionale Interessen, das hört sich immer ganz positiv, objektiv an, dahinter steckt aber oft knallhartes Interesse der EU zu verhindern, dass Migranten aus Zentral- oder Nord-Afrika hinüberkommen."
    Daran, dass der globale Migrationspakt in Marrakesch Anfang kommender Woche verabschiedet wird, besteht kein Zweifel. Geplant ist eine Annahme im Konsensverfahren.
    Doch selbst bei einer Abstimmung wären mehr als 180 der 193 Nationen dafür. Wie sich die verhalten, die sich öffentlich gegen den Pakt aussprechen, ist unklar. Die UN-Sondergesandte Louise Arbour macht keinen Hehl daraus, dass sie der Stil der öffentlichen Absagen verwundert.
    "Manche haben nur durch die Presse verlauten lassen, sie seien nicht bereit, den Pakt zu unterzeichnen. Das ist in Ordnung so, denn es gibt gar nichts zu unterzeichnen. Der Migrationspakt ist schließlich keine Konvention.
    Solche Worte haben im Völkerrecht und in der Diplomatie Bedeutung. Andere haben schlicht gesagt, sie mögen den Pakt nicht mehr oder kämen gar nicht erst zum Gipfel. Aber am Ende des Tages geht es um eine Handvoll von Ländern die, nach meiner Ansicht, 18 Monate Zeit hatten, diese Themen in ihrer Öffentlichkeit zu thematisieren."
    Der Migrationspakt ist nur ein Anfang
    Die Debatte um den Migrationspakt hat gezeigt, wie schwer sich die Weltgemeinschaft derzeit tut, globale Probleme gemeinsam anzugehen. Nicht wenige sprechen von einer Krise des Multilateralismus. Doch Cecilia Cannon will davon nichts wissen. Sie sieht im Migrationspakt trotz aller Mängel einen Erfolg.
    "Es ist das allererste Mal, dass Migration auf Ebene der Vereinten Nationen diskutiert wird. Die Mitgliedsstaaten waren bereit, dieses komplexe und politisch polarisierte Thema im Rahmen der UN zu diskutieren. Dieser Prozess hätte wegen seiner politischen Brisanz sehr schnell scheitern können, aber das ist er nicht."
    Der Migrationspakt ist nur der Anfang der Bemühungen, weltweite Lösungen für Migrationsfragen zu finden. Ob das gelingt, wird sich erst in vielen Jahren zeigen.