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Vor Rede zur Lage der Nation
Obamas Leitmotive sind Hoffnung und Optimismus

Es wird US-Präsident Barack Obamas letzte Rede zur Lage der Nation sein und damit auch eine Art Bilanz und politisches Vermächtnis. Erwartet wird unter anderem ein Plädoyer für die stärkere Kontrolle von Schusswaffen und ein Blick auf seine zweite Amtszeit, die im November zu Ende geht.

12.01.2016
    US-Präsident Barack Obama hält seine Rede zur Lage der Nation im Kapitol in Washington.
    US-Präsident Barack Obamas Rede zur Lage der Nation wird auf allen Kanälen gespielt. Unter dem Hashtag #SOTU wird jetzt schon eifrig darüber diskutiert. (imago / UPI Photo)
    Die Rede zur Lage der Nation, die State of the Union Message", ist nie ein nüchterner Rechenschaftsbericht. Sie ist immer auch ein Appell an die Nation, die besten Seiten an sich neu zu entdecken, sie ist ein Rückblick auf die zurückgelegte politische Strecke und sie ist ein Ausblick in eine – natürlich – bessere Zukunft. Selbst, wenn die Gegenwart düster ist, so, wie bei Obamas erster State of the Union Rede, im Jahr 2009.
    "Der schlimmste Teil des Sturmes ist vorüber, aber er hat viel Zerstörung hinterlassen."
    Erklärte ein damals noch nicht ergrauter Barack Obama einer Nation, die in den Abgrund einer Wirtschaftskrise geblickt hatte. Und er wäre kein amerikanischer Präsident, wenn er das Leitmotiv der Hoffnung, dass er auch in seinem Wahlkampf intoniert hatte, nicht auch im Angesicht der schwersten Wirtschaftskrise seit 75 Jahren beschworen hätte.
    "Trotz all unserer Schwierigkeiten, die Vereinigten Staaten von Amerika sind stark. Wir geben nicht auf."
    Obamacare, Finanzmarktreform und Konjunkturpakete
    Das Leitmotiv der Hoffnung und des Optimismus durchzieht die Reden dieses Präsidenten wie die kaum eines anderen seit John F. Kennedy. Wichtige Initiativen wurden in den ersten zwei Jahren seiner Präsidentschaft umgesetzt. Ein großes Konjunkturpaket, das Gesetz zur Finanzmarktreform und seine wohl nachhaltigste Hinterlassenschaft: das Gesundheitsreformgesetz, genannt Obamacare. Zirka 14 Mio bislang Unversicherte haben mittlerweile eine Krankenversicherung – der Hinweis darauf wird auch in seiner letzten Rede zur Lage der Nation nicht fehlen.
    Die von Obama zu Anfang in Aussicht gestellte große Versöhnung über die politischen Lager hinweg stellte sich allerdings immer mehr als eine apolitische Illusion heraus. Denn der Präsident operiert im Zusammenspiel mit dem Kongress. Und der politische Alltag wurde schlagartig sehr grau für Obama, als 2010 die Republikaner die Mehrheit im Repräsentantenhaus übernahmen. Die politische Polarisierung nahm in den Jahren Obamas Amtszeit immer weiter zu, insbesondere bei den Republikanern. Auch rächte sich, dass man die Gesundheitsreform ohne jegliche Konzessionen an die Republikaner durchgezogen hatte. Der Präsidentschaftshistoriker Allan Lichtman von der American University gibt Präsident Obama deswegen im Jahr einer Präsidentschaftswahl den Rat:
    Michelles Platz bleibt heute frei
    "Vergessen Sie die Republikaner, denken sie noch nicht einmal über Kompromisse nach."
    Obama, so der Historiker Lichtman, müsse jetzt die Basis der Demokraten mit Blick auf die Wahlen im November motivieren. Das politische Vehikel dazu wird wahrscheinlich eine stärkere Kontrolle von Schusswaffen sein. Obama kann dabei ohne Zustimmung des Kongresses nur in engen Grenzen handeln – aber er kann einen Ton in der öffentlichen Debatte setzen. Einer der Gästesitze in der Loge der Präsidentengattin Michelle soll diesmal leer bleiben, als Symbol für die vielen Opfer von Schusswaffen in den USA.
    Eines wird der Präsident auch tun: an seinem Platz in den Geschichtsbüchern arbeiten, so der Historiker Allan Lichtman:
    "Er kann auf einen Wirtschaftsaufschwung und auf eine Halbierung der Arbeitslosenrate von zehn auf fünf Prozent während seiner Präsidentschaft hinweisen."
    Außenpolitische Initiativen waren sehr selten in Obamas Reden zur Lage der Nation. Eine Ausnahme gab es 2013:
    "Wir werden ein umfassendes Freihandels- und Investitionsabkommen mit der EU in Angriff nehmen. Freier und fairer Handel über den Atlantik hinweg schafft Millionen gut bezahlter Jobs in Amerika."
    Doch dieses Abkommen wird zum Ende seiner Präsidentschaft nicht fertig sein. So wie Obama auch viele andere internationale Probleme ungelöst hinterlassen werden wird. Die Rede zur Lage der Nation ist damit auch bereits ein Teil der politischen Amtsübergabe an seinen Nachfolger oder seine Nachfolgerin.