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Vor Weltklimaschutzkonferenz
Deutschland ringt um nationalen Klimaplan 2050

Knapp eine Woche vor dem Klimagipfel in Marrakesch ringt die deutsche Politik noch um ein eigenes Klimaschutz-Konzept. Umweltschützer kritisieren unter anderem, dass bisherige Ziele zulasten des Klimas abgeschwächt wurden. Aber es gibt auch positive Entwicklungen.

Von Georg Ehring | 28.10.2016
    Der Blick auf das Braunkohlekraftwerk und die Müllverbrennungsanlage Buschhaus bei Helmstedt, aufgenommen am 04.10.2003. Im Vordergrund sind die Dächer des Dorfes Esbeck zu sehen, im Hintergrund stehen Windkrafträder am Rande eines aufgelassenen Tagebaus.
    Das Braunkohlekraftwerk im niedersächsischen Buschhaus. (dpa / Stefan Hähnsen )
    Noch ist es offen, ob die Bundesregierung mit einem eigenen Klimaschutz-Konzept für die Zeit bis zur Mitte des Jahrhunderts zum Klimagipfel nach Marrakesch fahren wird. Bis dahin tage das Kabinett noch zwei Mal und die Minister seien dabei, sich abzustimmen, so Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesumweltministerium. Beim Berliner Klimagespräch gestern Abend gab er sich aber optimistisch, dass die Einigung noch gelingt.
    Im Jahr 2050 soll der Ausstoß von Treibhausgasen um 80 bis 95 Prozent verringert werden, das ist die Zielmarke. Bis dahin ist noch viel Zeit, doch das Zwischenziel bis zum Jahr 2030 wird schon bald die Planungen von Energieversorgern, Industrie und Handel prägen. Jochen Flasbarth:
    "Das Zwischenziel für 2030 heißt für alle Sektoren im Augenblick minus 55 Prozent. Nun können die Sektoren aber unterschiedlich viel beitragen. Der Verkehrssektor tut sich schwerer, weil er in den letzten Jahrzehnten weniger getan hat und nicht so schnell aufholen kann. Natürlich wird auch der Verkehr was bringen müssen. Wenn er weniger als 55 Prozent bringt, dann werden andere wohl mehr bringen müssen und genau in diesen Gesprächen sind wir.
    Unzufrieden über Zielabschwächungen
    Umweltschützer waren mit der ersten Version des Plans noch halbwegs zufrieden, doch in der Abstimmung mit anderen Ressorts musste Bundesumweltministerin Barbara Hendricks eine Reihe von Abschwächungen hinnehmen. Chnristoph Bals von der umwelt- und entwicklungspolitischen Organisation Germanwatch:
    "Das heißt, dass wir keine Sektorziele für 2030 für die verschiedenen Sektoren haben. Dass wir keine klare Ansage haben, dass sich dieser Plan an dem höheren Ziel orientiert, nämlich 95 Prozent CO2-Reduktion und dass wir kein klares Mandat haben für die Kommission, die eingesetzt werden soll, dass es tatsächlich um den Kohleausstieg in einer Zeit geht, die mit den Klimazielen vereinbar ist.
    Wenn diese drei Kernfaktoren nicht erreicht werden, dann ist dieser Klimaschutz-Plan nicht viel wert."
    Mehr als Kohleausstieg
    Auf der Bremse stehen Wirtschaftsverbände, aber auch die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie. Franz-Gerd Hörnschemeyer, bei der Gewerkschaft zuständig für Wirtschafts- und Industriepolitik, rechnet zwar auch mit einem Rückgang der Kohleverstromung. Von einem Ausstieg aus der Kohlenutzung hält er nichts:
    "Wir reden im Moment nicht über einen Ausstieg, weil wir das Thema sehr komplex angehen. Wir reden gerne über das Thema Versorgungssicherheit. Wir reden über das Thema wettbewerbsfähige Strompreise. Wir reden gerne über das Thema Netzausbau. Wir reden auch gerne über das Thema EEG-Kosten – 25 Milliarden in diesem Jahr oder im nächsten Jahr.
    Das ist insgesamt ein komplexes Bild, was wir zu betrachten haben und eine Vereinfachung, nur über einen Kohleausstieg nachzudenken, zu reden, und damit das Weltklima zu retten, halten wir für sehr einseitig und auch für nicht sachorientiert.
    Gegenwehr gegen Auflagen für bestimmte Branchen
    Man darf also gespannt sein, welchen Auftrag die Kommission, die die Bundesregierung für die Beratungen über ein Auslaufen der Kohle ins Leben rufen will, genau bekommt.
    Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie sträubt sich gegen konkrete Auflagen etwa für einzelne Branchen. Der europäische Emissionshandel sorge ganz automatisch dafür, dass Klimaziele auch erreicht werden, sagt Carsten Rolle, Abteilungsleiter Klima- und Energiepolitik beim BDI.
    "Wichtig ist, dass der Plan offen hält, welche Klimaschutz-Technologien am Ende den Klimaschutzbeitrag am effizientesten leisten werden. Das werden viele Technologien sein, vielleicht auch mehr, als in dem Plan heute so explizit genannt werden. Wenn es uns gelingt, dafür den Lösungskorridor offen zu halten, dann ist das wichtig und dafür werden wir uns als BDI auch einsetzen."
    Langsames Umdenken
    Seit einem Jahr hat die Weltgemeinschaft mit dem Pariser Abkommen einen verbindlichen Beschluss, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen und darauf stellt sich auch die Industrie ein. Viele Branchen und Unternehmen hätten begonnen umzudenken, bemerkt Christoph Bals von Germanwatch.
    "Weil sie jetzt sehen: Dieses Klimathema wird nicht mehr weggehen. Es wird ständig wiederkommen und wird verschärft werden und dafür wollen sie ein neues Geschäftsmodell entwickeln, was dazu passt."
    Eine ganz neue Dynamik also – es wird sich zeigen, ob die aufrecht erhalten werden kann, wenn in gut einer Woche der nächste Klimagipfel in Marrakesch zusammenkommt.