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Vor zehn Jahren stellt die Treuhandanstalt ihre Tätigkeit ein

Was für den Strukturwandel in einzelnen Branchen in den alten Bundesländern über 40 Jahren aus den öffentlichen Kassen geflossen ist. Das waren wesentlich höhere Beträge, obwohl hier eine ganze Volkswirtschaft sozusagen transformiert werden musste und die Menschen hatten 40 Jahre Zeit, einen Strukturwandel zu verkraften. Hier ist das im wesentlich in viereinhalb Jahren abgeschlossen worden.

Von Martin Hartwig | 30.12.2004
    Es gab kein Bankett, keine Feier, keinen Empfang, als Birgit Breuel am 30. Dezember 1994 die Abschlussbilanz der Treuhandanstalt vorlegte. Dies wäre angesichts von rund neun Millionen Arbeitslosen in den neuen Bundesländern in der Öffentlichkeit auch schlecht angekommen. Die Treuhand-Chefin Breuel fand dabei noch ein paar freundliche Worte für diejenigen, die von der Tätigkeit der Behörde am stärksten betroffen waren.

    Deswegen hat die Treuhand und ich selber auch oft darauf hingewiesen, dass die Ostdeutschen eigentlich die Helden der Wiedervereinigung sind, was man wirklich auch nicht vergessen sollte.

    Die "Helden" zeigten sich allerdings ausgesprochen unempfänglich für solche Schmeicheleien und sahen sich zusehends als Opfer des Prozesses, den sie selbst angestoßen hatten.

    Zur Wahrung des Volkseigentums wird mit Wirkung vom 1. März 1990 die Anstalt zur treuhänderischen Verwaltung des Volkseigentums gegründet.
    Mit der Gründung übernimmt die Treuhandanstalt die Treuhandschaft über das volkseigene Vermögen.


    So hieß es im Beschluss des DDR-Ministerrates vom 8. März 1990 - in den letzten Tagen der Regierung Hans Modrow. Der Beschluss war maßgeblich von den Vorstellungen der Arbeitsgruppe Wirtschaftsreform des "Runden Tisches" geprägt, bei dem die Bürgerbewegungen dominierten. Sie formulierten als Ziel die Etablierung einer "sozial und ökologisch orientierten Marktwirtschaft bei staatlich regulierten Rahmenbedingungen". Mit der Wahl der "Allianz für Deutschland" unter der Führung von Lothar de Maziere bei den Volkskammerwahlen vom 18. März entschieden sich die DDR-Bürger jedoch für ein deutlich anderes politisches und wirtschaftliches Konzept.

    Das volkseigene Vermögen ist zu privatisieren.

    So hieß es unter §1 des Gesetzes zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens, das am 1. Juli 1990 in Kraft trat. Die Treuhandanstalt sollte jetzt die Marktwirtschaft bundesdeutscher Prägung in der DDR etablieren. Ihre führenden Mitarbeiter waren meist westdeutsche Manager, die mit hohen Gehältern und vielen Prämien und Vergünstigungen angeheuert wurden. Die Treuhand stand 8500 ehemals volkseigenen Unternehmen vor, verwaltete 57 Prozent der Fläche der ehemaligen DDR und hatte sich große Aufgaben vorgenommen:

    Schnelle Privatisierung - entschlossene Sanierung - behutsame Stilllegung.

    Zumindest der erste Punkt, die schnelle Privatisierung wurde entschlossen voran getrieben. Die Treuhand entflocht die Kombinate und Unternehmen und verkaufte zwischen 1990 und 1994 gut 13.600 Firmen, Betriebsteile und Bergwerke an private Investoren. Dem Gebot der Schnelligkeit fiel allerdings immer wieder die Sorgfalt bei der Prüfung des Investors zum Opfer. Das zumindest warf der Vorsitzende des Bundestagsuntersuchungsausschusses zur Arbeit der Treuhand, Otto Schily, der Behörde vor.

    Der Verkauf an Dr. Greiner, ein Prozent an seine Tochter, findet Ende 92 statt. Nachdem Greiner bereits in Halle 21 Unternehmen und Grundstücke gekauft und mit Zahlungen in Höhe von über sechs Millionen im Rückstand war.

    Schnell machten die Belegschaften betroffener Betriebe die Erfahrung, dass dem Verkauf an den meist westdeutschen Investor ein Abbau von Arbeitsplätzen folgte. Besonders empört reagierten die Arbeiter, wenn, wie im Fall der Übernahme der mitteldeutschen Kali GmbH durch die westdeutsche Kali und Salz AG der Verdacht aufkam, dass die Investoren bloß einen potentiellen Konkurrenten billig aufkaufen und dann schließen wollen.

    Der Betriebsrat wird auch weiterhin alles tun um Erscheinungen vorzubeugen, die dem Arbeitskampf der Belegschaft oder Ziele der Erhaltung der Kaliproduktion in Bischofferode von woher auch immer entgegen stehen.

    Der spektakuläre Protest - einige Arbeitnehmer traten sogar in Hungerstreik - blieb letztlich genauso erfolglos wie Aktionen vieler anderer Belegschaften. Unter der Führung der Treuhand wurde die ehemalige DDR weitgehend deindustrialisiert. Birgit Breuel verteidigte das Vorgehen der Treuhand bei der Abschlusspressekonferenz am 30. Dezember 1994.

    Sie dürfen alle nicht vergessen, dass, als wir im Jahre 90 anfingen, wir vor dem Nichts standen und es schon faktisch ein Ding der Unmöglichkeit gewesen wäre, 14.000 Unternehmen, die sehr schnell zu entflechten waren, sozusagen von der Treuhand aus zu steuern. Aber viel wichtiger ist, dass wir ganz schnell lernen mussten, dass es ganz entscheidende Elemente gab, die unserer Firmen brauchten, die ihnen private Investoren besser bieten konnten und wir ihnen fast gar nicht bieten konnten. Das war das Management, das brachte der neue Investor mit. Das war die Technologie, die brachte er mit und das was noch entscheidender, den Marktzugang, den brachte der neue Investor mit. Und dies sind die drei Grundelemente für Überleben gewesen.