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"Vorauseilender Gehorsam gegenüber dem Islam"

Der Präsident der Akademie der Künste Berlin, Klaus Staeck, hat die Absetzung der Oper "Idomeneo" als "vorauseilenden Gehorsam gegenüber dem Islam" bezeichnet. "Man sollte dem nicht immer nachgeben", sagte Staeck im Deutschlandfunk, "ich finde das nicht angemessen." Gleichzeitig forderte Staeck, zwischen Furcht und Respekt vor dem Islam zu unterscheiden.

Moderation: Rainer Berthold Schossig | 26.09.2006
    Rainer Berthold Schossig: Ist Ihnen eine solche Gefährdungsanalyse des LKA Berlin bekannt? Von welchem real existierenden "Gefahren-Szenario" wird da ausgegangen?

    Klaus Staeck: Nein, so ein Szenario ist mir nicht bekannt. Aber ich denke, gleich als ich das hörte, an den Fall Rushdie. Also da gab es ja eine ähnliche Situation dann mal, als Rushdie doch sehr, sehr gefährdet lebte und eine Veranstaltung in der Akademie stattfinden sollte und dann doch aus Sorge, aus Angst, aus Furcht diese Veranstaltung nicht gemacht wurde, worauf Günter Grass damals die Akademie verließ, also ausgetreten ist. Es gibt immer Gefährdung und die Gefährdung kann man natürlich sehr ernst nehmen, oder man ignoriert sie. Es ist, glaube ich, ein Unterschied, wie der Künstler reagiert, oder wie derjenige, der für eine Institution verantwortlich ist, sprich für die Oper verantwortlich, reagiert. Aber ich glaube, das klassische Wort dafür ist vorauseilender Gehorsam. Dem sollte man nicht nachgeben.

    Schossig: Die muslimischen Reaktionen auf die Mohammed-Karikaturen oder das Papstwort legen ja durchaus solche Vorsicht, von der Sie auch sprechen, nahe. Wie angemessen aber ist eigentlich ein solches agieren mit der Schere im Kopf? Sie sprechen vom vorauseilenden Gehorsam, wie Hans Neuenfels es auch getan hat.

    Staeck: Ich finde es nicht angemessen, um es klar zu sagen. Also wissen Sie, es geht ja um zwei Begriffe immer. Das ist einmal: Ist es Furcht oder ist es Respekt vor dem Islam. Und ich habe das Gefühl, wir sind auf dem Wege eine Furcht zu entwickeln, die unserer Auffassung von Meinungsfreiheit, von Kunstfreiheit mehr und mehr einschränkt. Und da müssen wir sehr, sehr aufpassen, dass das nicht scheibchenweise geht. Denn es ist ja nicht hier ein konkreter Fall gegeben in dem Sinne, dass man sagt, da gibt es eine Gruppe von Leuten, die haben beschlossen, wenn das aufgeführt wird oder diese Szene gezeigt wird von Neuenfels Inszenierung, dann drohen sie mit einer Bombe oder was auch immer. Wenn wir aber schon anfangen, es könnte jemand sich beleidigt fühlen. Und nun sage ich in eigener Verantwortung, also ein Teil der Muslime fühlen sich ja sehr, sehr schnell beleidigt. Also da ist ja wirklich eine Diskussion notwendig über Freiheit, über bürgerliche Freiheit vor allen Dingen, die ja in manchen islamischen Ländern nun wirklich keine Rolle spielt. Leute, die hier her kommen mit ihrem Kulturverständnis, uns besuchen und bei uns leben und nicht manchmal auch begreifen wollen, dass wir nun mal die Aufklärung auch hatten und dass wir ein anderes Verständnis von der Freiheit, der Kunst und - noch mal - der Meinungsfreiheit haben.

    DLF: Es gibt ja Positionen, die sagen, wir müssen etwas zurückhaltend sein mit der Betonung der Meinungsfreiheit, um den islamischen Vertretern der anderen Seite in diesem Konflikt eine Möglichkeit offen zu lassen, sich nach und nach mit diesem Problem der Meinungsfreiheit, was ja seit 200 Jahren im Islam vernachlässigt, beziehungsweise hinten an stand, auseinander setzen zu können. Also wir können jetzt nicht mit einer eurozentristischen Überfallstaktik sagen, das ist unsere Meinung und nach dieser Decke müsst ihr euch strecken.

    Staeck: Na ja, schon irgendwie. Also dann müssen wir aber auch gleichzeitig sagen, dass wir noch mal unsere Kunstfreiheit, unsere Auffassung von der Kunstfreiheit dann eben selber einschränken müssen. Das ist immer auch einen Respekt gibt - noch mal, um das Wort zu benutzen - vor den Gefühlen andere Leute, vor allem religiösen Gefühlen, das ist für mich selbstverständlich. Und der Karikaturenstreit hat ja auch sehr, sehr breite Kreise gezogen, da ist ja fast alles hin und her erörtert worden. Ich habe immer dann geantwortet, diese Art von Karikaturen hätte ich persönlich nicht gemacht, aber ich verteidige, dass es andere gemacht haben und lasse mir nicht im nachhinein vorschreiben, was jemand anderes im Rahmen seiner Kunstfreiheit tut oder nicht tut. Und von daher haben wir großen Gesprächsbedarf. Aber es kann nicht von vornherein so sein, dass der andere die Regeln fest legt, die nun mal andere Regeln, was diese Dinge anbetrifft, als die unseren sind, und wir von vornherein, was wir uns - noch mal - mühsam erkämpft haben, Schritt für Schritt zurück nehmen. Also der Respekt, den die anderen immer fordern, tun sie teilweise aber auch, wenn wir ihre Auffassung von Respekt nicht verwirklichen, dass sie dann mit Furcht und Schrecken drohen. Also das geht nicht. Wenn ich alle meine Plakate Juristen vorgelegt, ich bin zwar selber Jurist, aber ich weiß genau, wenn ich meinen Kollegen die zur Prüfung vorgelegt hätte, meint ihr, da könnte was passieren, da könnte jemand klagen dagegen, hätte ich wahrscheinlich höchstens ein drittel meiner Plakate wirklich gemacht, weil es immer Bedenken gibt und Juristen, Kriminalbeamte nicht anders, die sagen, es könnte eine Gefährdung bestehen. Mehr sagen die ja auch nicht. Und dass man dann die Entscheidung trifft, also wir gehen diesen Befürchtungen nach und setzen das Stück ab, das finde ich geht ein Stück zu weit. Ich glaube, wir müssen einfach auch unser Recht auf Meinungsfreiheit verteidigen und das abzuwägen gegen die Religionsfreiheit. Und es ist interessant, dass immer nur die Befürchtungen von Seiten der Mohammedaner jetzt kommt. Ich habe nichts gehört, dass es abgesetzt wurde, weil eventuell Christen sich beleidigt fühlen könnten, weil ja da auch der Jesuskopf da in dem Sack in dieser Szene mit ausgeschüttet wird.

    Die Deutsche Oper Berlin hatte gestern entschieden, die Mozart-Oper "Idomeneo" wegen Furcht vor islamistischen Aktionen abzusetzen.