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Vorbeugende Neurodermitis-Behandlung

Cortison bei Menschen mit Neurodermitis haben Ärzte bislang nur dann empfohlen, wenn akute Krankheitsschübe auftraten. Das könnte sich ändern. Eine Arbeitsgruppe am Altonaer Kinderkrankenhaus in Hamburg hat herausgefunden, dass es möglich ist, mit niedrig dosiertem Cortison Krankheitsschüben vorzubeugen.

Von Ursula Storost | 11.01.2011
    "Es kommt immer mal wieder. Ein bisschen extremer und mal ist es auch ein bisschen weniger, dass ich hier an den Armen und auch an den Augenlidern oder Kniekehlen wunde Stellen hab."

    Dr. Frank Ahrens arbeitet als Arzt für Lungenerkrankungen und Allergien am Altonaer Kinderkrankenhaus. Sein Schwerpunkt sind Kinder mit einer Neurodermitis-Erkrankung und deren Eltern. Gerade sitzt ihm ein junger Vater mit seinem Kleinkind gegenüber. Er hat selbst Neurodermitis und Sorge, dass sein kleiner Sohn auch betroffen sein könnte. Denn an den Händen haben sich Rötungen gezeigt.

    Frank Ahrens hört geduldig zu und fragt nach. Zu seiner Arbeit gehören auch Beratungsgespräche.

    "Und dann haben Sie also nach vier, fünf Tagen die Behandlung aufgehört?

    Ja, teilweise aber auch nach vier, fünf Tagen auch wieder angefangen, weil es dann wieder da war.

    O.k."

    Neurodermitis, sagt Frank Ahrens, haben viele Erwachsene und immer mehr Kinder. Und häufig wird die Krankheit auch vererbt.

    "Die Neurodermitis ist eine chronische Erkrankung, die auf einer Bereitschaft beruht. Wir haben gesehen, dass die Entzündung, die deutlich in der Haut abläuft, das Problem auch selbst unterhalten kann. Wenn die Neurodermitis einer Basispflege unterzogen wird, allein das macht häufig schon eine sehr ausgeprägte Verbesserung."

    Basispflege das sind Cremes und Salben, die den Feuchtigkeitsgehalt der Haut erhöhen.

    "Die Cremes müssen aktiv Feuchtigkeit der Haut zuführen. Sonst ist es so, dass man aktiv den trocknen Zustand konserviert mit einer Fettschicht oben drauf. Sondern wir müssen aktiv Feuchtigkeit in die Haut hineinbringen und die auch dadrin halten, das ist die Kunst der guten Creme oder Salbe."

    Denn, so weiß der betroffener Vater, das Schlimmste an der Neurodermitis ist der enorme Juckreiz während der immer wiederkehrenden Schübe.

    "Und der dazu führt, dass man sich immer wieder kratzt. Und je nachdem wie intensiv das ist, umso mehr wird auch die Haut dann in Mitleidenschaft gezogen. Das sind wunde Stellen am Körper, die brennen irgendwann. Und man fühlt sich so machtlos. Das ist irgendwo ein sehr frustrierendes Gefühl."

    Die Arbeitsgruppe Atopisches Ekzem unter dem Vorsitz von Frank Ahrens hat nun herausgefunden, dass die betroffenen Menschen mit einer verlängerten Kortisontherapie besser leben können. Denn, sagt der Allergologe, die modernen Präparate haben kaum noch Nebenwirkungen.

    "Man hat herausgefunden, dass die Behandlung ausschleichend mit dem Kortisonpräparat – also zum Beispiel beginnen mit einmal am Tag, dann jeden zweiten Tag, dann jeden dritten Tag behandeln – dann die Neurodermitis unter Kontrolle bleibt, selbst wenn man das nur einmal pro Woche weiter anwendet auf die Stellen, die dann betroffen waren. Damit kann man den nächsten Schub deutlich herauszögern. Wenn nicht sogar ganz verhindern."

    Untersuchungen der Arbeitsgruppe zeigen, dass bei solchem Ausschleichen letztendlich weniger Kortison gebraucht wird, als wenn man nur während des akuten Schubes cremt und dann ganz aufhört.

    "Damit spart man am Ende einerseits Kortison. Auf der anderen Seite kriegt man aber auch keinen neuen Schub, weil man eben das vorbeugend eingesetzt hat."

    Letztendlich geht es um die bestmögliche Lebensqualität der Kinder, sagt Frank Ahrens. Deshalb rät der Mediziner allen betroffenen Eltern, die Therapie mit dem behandelnden Arzt abzustimmen.

    "Über längere Zeit dann vielleicht einmal oder zweimal pro Woche weiter zu behandeln. Vielleicht über vier Monate, sechs Monate. Es gibt auch Erfahrungen, wo das bis zu einem Jahr gemacht worden ist und darüber. Ohne dass in irgendeiner Form Nebenwirkungen da sind. Das heißt, man sollte nicht nur die Schubtherapie planen, sondern man sollte auch die Phase danach gut planen und mit seinem Arzt besprechen, um eben zu verhindern, dass die Neurodermitis wiederkommt."

    Der Vater, der zu Frank Ahrens in die Sprechstunde gekommen ist, ist enttäuscht, dass man nach wie vor nur an den Symptomen der Neurodermitis herumdoktert und keine Heilung in Sicht ist. Aber:

    "Alles, was die Schübe weniger intensiv macht dauerhaft oder was dazu führt, dass sie mal ganz verschwinden, klingt für mich sehr positiv. Ob es dann tatsächlich so ist, müsste man sich anschauen. Das kann ich ja so nicht beurteilen. Aber klar, interessiert bin ich da sicherlich dran."