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Vorbild für Athen?
Irlands Weg aus der Krise

Ende 2010 nahm Irland Hilfskredite von der sogenannten Troika an und musste im Gegenzug strenge Sparauflagen umsetzen. Inzwischen wächst die irische Wirtschaft schneller als jede andere in Europa. Die Iren könnten also Vorbild für Athen sein. Doch es gibt einen gravierenden Unterschied zu Griechenland.

Von Martin Alioth | 13.07.2015
    Die Innenstadt von Dublin am 10.06.2015
    Zornig, aber am Ende auch einsichtig sind die Iren den Reformweg mitgegangen (picture-alliance / dpa / Frank Baumgart)
    Der irische Finanzminister Michael Noonan ist ein Veteran der Innenpolitik. Der bürgerliche Politiker aus Limerick will Griechenland im Euro-Verbund behalten.
    Niemand wolle eine Alibi-Lösung für ein paar Wochen. Nötig sei ein Programm für mehrere Jahre, das Griechenland wieder auf Wachstumskurs bringe. Sein Untergebener im Finanzministerium, Simon Harris, hob die Unterschiede zwischen Irland und Griechenland hervor.
    Der Preis für irische Staatsobligationen habe sich kaum bewegt, denn die Märkte reagierten differenziert: Irland habe sich klar von Griechenland abgekoppelt.
    Mit Exportüberschuss aus der Krise
    Diese Abkoppelung kostete einen hohen Preis: Zwischen 2008 und dem Ende des letzten Jahres wurde der Staatshaushalt umgekrempelt: Steuern und Abgaben wurden erhöht, Ausgaben abgebaut. Aber die Unterschiede zu Griechenland waren schon immer offensichtlich: Irland erwirtschaftete auch in den schlimmsten Jahren einen saftigen Exportüberschuss.
    Der Staat ging praktisch schuldenfrei in die Krise und war nicht übergewichtig. Die Immobilienkrise und der Kollaps der irischen Banken hatten große Löcher gerissen, aber es gab nur geringen Bedarf für strukturelle Wirtschaftsreformen.
    Der Zorn der Bevölkerung auf die Banken war und ist ingrimmig, aber gleichzeitig bestand eine widerwillige Bereitschaft, den Gürtel enger zu schnallen. Irland beugte sich unters Joch. Darauf spielte Premierminister Enda Kenny gestern in Brüssel an. Das Vertrauen zwischen der irischen Regierung und der Troika der Geldgeber sei schrittweise gewachsen aufgrund der tatsächlichen Maßnahmen Irlands.
    Im Gegenzug wurden Zinssätze gesenkt, Laufzeiten verlängert und Schuldenpakete umgewandelt. Eine Minderheit der Wähler verweigerte sich der Sparpolitik und unterstützt nun linke Splitterparteien oder Sinn Féin, die Partei, die einst aus der Irisch-Republikanischen Armee herausgewachsen war.
    Der linke Abgeordnete Paul Murphy sprach unlängst aus, was viele Iren und viele Griechen denken: Der Zweck der irischen wie auch der griechischen Sparpolitik sei die Rettung deutscher und französischer Banken. Weniger als ein Zehntel der griechischen Hilfsgelder seien der griechischen Wirtschaft zugeflossen.
    Der Zorn auf die Gläubiger
    Obwohl die absoluten Beträge im Falle Irlands nicht überwältigend waren, bleibt Irland zornig, dass alle Gläubiger der irischen Banken in vollem Umfang entschädigt worden waren - auf Druck der Europäischen Zentralbank und des amerikanischen Finanzministeriums. Brian Cowen, der als Irlands Premierminister schließlich Hilfsgelder beantragen musste, sagte letzte Woche vor einem Untersuchungsausschuss des irischen Parlaments aus.
    Anonyme Quellen aufseiten der Troika hätten damals Indiskretionen verbreitet, wonach Irlands Gesuch schon eine beschlossene Sache sei, bevor überhaupt Einigkeit über das Sparprogramm erzielt war. Das habe er abgelehnt. So bleiben Ressentiments, aber die meisten Iren haben eingesehen, dass die Schuldigen für ihre Krise im eigenen Land zu finden waren.