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Vorbild Weltklimarat

Biologie.- Ähnlich wie es der Weltklimarat zum Klimawandel tut, soll bald eine Organisation regelmäßig Sachstandsberichte zur Artenvielfalt und zum Artenschwund liefern. Im Moment trägt die Organisation noch einen vorläufigen, recht sperrigen Namen.

Von Volker Mrasek | 14.06.2010
    Auch ihr falle es nicht leicht, den Namen ohne Versprecher hinzukriegen, sagt die französische Pflanzenökologin Anne Larigauderie:

    "Intergovernmental Biodiversity and Ecosystem Services Platform."

    Eine zwischenstaatliche Plattform für Biodiversität und Ökosystem-Dienste. Das ist es, wofür die Delegierten aus fast 90 Staaten der Erde jetzt in Südkorea grünes Licht gaben. Der Beschluss fiel in einer Nachtsitzung, an der auch Anne Larigauderie teilnahm – als Direktorin von Diversitas, einem internationalen Programm zur Erforschung der biologischen Vielfalt.

    "Die wissenschaftliche Gemeinde ist sehr enthusiastisch nach diesem Beschluss. Wir hoffen, dass unsere Forschung den politischen Entscheidungsträgern dabei helfen kann, die Artenvielfalt zu erhalten."

    Doch was soll diese Forschungsplattform genau sein und leisten? Als Blaupause dient ihr der IPCC, der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen der Vereinten Nationen. Dieser Weltklimarat verfasst alle fünf, sechs Jahre umfangreiche Sachstandsberichte. Sie beleuchten jeweils den aktuellen Stand des Wissens über die Klimaerwärmung. Der neue "IPCC für Artenvielfalt", wie man ihn nennen könnte, soll ganz Ähnliches auf seinem Feld zuwege bringen und regelmäßig Welt-Biodiversitätsberichte verfassen.

    "Uns fehlen zum Beispiel gute Instrumente, um Vorhersagen über künftige Trends der Artenvielfalt zu machen. Eine der Stärken des IPCC ist, dass er eine Fülle von möglichen Szenarien für die Zukunft entwickelt hat, mit den entsprechenden Folgen für das Klima. Im Bereich der Biodiversität gibt es bisher nur sehr grobe Abschätzungen über künftige Trends. Auch wir brauchen solche Szenarien und Modelle."

    Auch an den Sachstandsberichten des Weltklimarates arbeiten Biologen durchaus mit und werten dafür Artenstudien aus. Doch nur aus einem bestimmten Blickwinkel, wie Anne Larigauderie anmerkt, und das genüge nicht:

    "Der IPCC konzentriert sich auf den Klimawandel. Aber für die Biodiversität ist die Erwärmung nur eine Bedrohung von mehreren. Im Ozean zum Beispiel stellt die Überfischung das größte Risiko für die biologische Vielfalt dar. Und auf dem Kontinent sind es Landnutzungsänderungen wie die Abholzung von Wäldern. Auch die Einwanderung gebietsfremder Arten in Ökosysteme bedroht die Biodiversität und wird vom IPCC nicht umfassend behandelt."

    Daher der Beschluss, nun auch einen Welt-Biodiversitäts-Rat einzusetzen. Er soll der Politik genaue und verlässliche Fakten liefern – darüber, wo und in welchem Ausmaß Arten und Ökosysteme auf dem ganzen Globus bedroht sind. Um so zu wirkungsvolleren Schutzmaßnahmen zu kommen, wie Anne Larigauderie hofft. Doch ist der IPCC, der schon seit 1988 existiert, wirklich ein brauchbares Vorbild? Könnte man nicht sogar behaupten: In 20 Jahren hat er es nicht vermocht, die Politik davon zu überzeugen, wie nötig ernsthafter Klimaschutz ist? Die Botanikerin sieht das differenziert:

    "Es mag stimmen, dass es zuletzt auf dem Klimagipfel in Kopenhagen keine Einigung unter den Staaten gab. Aber zur gleichen Zeit laufen etliche Projekte auf regionaler oder kommunaler Ebene, selbst in vielen Großstädten in den USA. Dieses Bewusstsein haben die IPCC-Berichte geschaffen. Sie hatten also durchaus ihre Wirkung."

    Wann der erste Welt-Biodiversitäts-Report erscheinen wird, ist unterdessen noch offen. Vielleicht in fünf Jahren. Fest steht aber der Fahrplan für die nächsten Monate. Bis zum Februar soll der neue IPCC für Biodiversität noch die allerhöchsten Weihen erhalten – zunächst von der UN-Vollversammlung. Und dann von den Regierungen der Erde.