Anwaltsserie "For Life"

Ein fast schon zynischer Blick auf die US-Justiz

04:44 Minuten
Filmszene in einem Gerichtssaal aus der Serie For Life.
In der ersten Staffel von "For Life" geht es nicht nur um das Leben im Gefängnis und Gerichtssaal, sondern auch um die familiären Kollateralschäden. © Sky / Sony Pictures Entertainment
Von Anna Wollner · 05.10.2020
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Ein Verurteilter will seine Unschuld beweisen und studiert deshalb im Gefängnis Jura. Er wird Anwalt – für sich und seine Mitgefangenen. Die neue Sky-Serie "For Life" nimmt Rassismus innerhalb der US-Justiz in den Blick.
Innerhalb von Sekunden ist das Leben von Aaron Wallace nicht mehr so, wie es war. Ein klassischer Fall von zur falschen Zeit am falschen Ort. Wallace war bisher ganz normaler Familienvater, das erklärt er im Voiceover der ersten Folge selbst. Mit Frau, Haus und Kind. Dann kam die Polizei, verhaftete ihn wegen Drogenhandel und Wallace bekam lebenslänglich. Für eine Sache, die er nicht getan hat.
Doch Wallace ist ein Kämpfer, studiert per Fernstudium Jura, bekommt in einem anderen Bundesstaat die Anwaltszulassung und lässt eben die auf New Jersey umschreiben, wo er im Gefängnis sitzt.

Juristischer Beistand für die Mitgefangenen

Wallace will nicht nur seinen eigenen Fall neu aufrollen und seine Unschuld beweisen, sondern bietet seinen juristischen Beistand auch seinen Mitgefangenen an – vom Neonazi bis zum Kleinkriminellen.
Die erste Folge "For Life" wirft den Zuschauer mitten hinein ins Setting. Hat Aaron Wallace gerade noch im orangefarbenen Häftlingsoutfit im vergitterten Gefangenentransporter gesessen, sitzt er wenige Augenblicke später im Anzug vor einem Richter und verteidigt seinen Mandanten.
Die Serie von Hank Steinberg, entwickelt und produziert von Curtis Jackson, besser bekannt als 50 Cent, basiert lose, leicht fiktionalisiert auf der wahren Lebensgeschichte von Isaac Wright Junior. Sie zeigt, dass im US-amerikanischen Justizsystem mit zweierlei Maß gemessen wird und die Hautfarbe mehr als eine Rolle spielt.
Produzent Curtis Jackson (aka 50 Cent), Schauspieler Nicholas Pinnock und Isaac Wright Junior bei der Premiere der Serie "For Life"
Produzent Curtis Jackson (aka 50 Cent), Schauspieler Nicholas Pinnock und Isaac Wright Junior bei der Premiere der Serie "For Life"© imago images/ZUMA Press / Efren Landaos
In den 13 Folgen der ersten Staffel geht es dabei nicht nur um das Leben im Gefängnis und Gerichtssaal, sondern auch um die familiären Kollateralschäden. Die schwangere Tochter von Wallace, die ohne Vater aufwächst, die Ex-Frau, die sich neu verliebt hat, ihn trotzdem unterstützt – und mit einer heimlichen Briefübergabe im Besucherraum in große Schwierigkeiten bringt. Und um die Korruption und den fest institutionalisierten Rassismus in den Reihen der Justiz.
Die Geschichte eines unschuldig Verurteilten ist weder im Kino noch im Fernsehen neu. Neu und packend ist hier vor allem, dass Wallace sich selbst verteidigt und versucht, gegen das System seine Unschuld zu beweisen. Der britische Schauspieler Nicholas Pinnock spielt Wallace mit Hingabe und Einsatz. Doch er konnte die Figur erst greifen, als er mit Isaac Wright Junior selbst sprach.
"Als ich ihn das erste Mal traf, haben wir gerade die erste große Drehbuchlesung gemacht. Wir hatten 45 Minuten, nur er und ich. Wir haben kein einziges Mal den Blickkontakt verloren. Durch das Gespräch habe ich die Figur erst so richtig verstehen können. Ich wusste auf einmal, wie ich ihn spielen muss, um seiner Geschichte gerecht zu werden."

Moralvorstellungen werden infrage gestellt

Pro Folge steht ein Verteidigungsfall von Wallace im Vordergrund, seine eigene Geschichte mit allen Höhen und Tiefen zieht sich als roter Faden durch die ganze Staffel. Seine heimlichen Absprachen mit der progressiven Gefängnisleitung, Fehden mit dem korrupten Staatsanwalt, linguistische und juristische Taschenspielertricks mit den Richtern. In der Ambivalenz der Figur liegt der Reiz für den Zuschauer, so Hauptdarsteller Pinnock.
"Ihre eigenen Moralvorstellungen und ihr Blick aufs amerikanische Justizsystem werden infrage gestellt. Ich hoffe, dass sie etwas davon lernen und mitnehmen. Selbst wenn wir die Meinung der Leute nicht ändern können, geben wir ihnen wenigstens die Möglichkeit, sich selbst und ihre gefestigte Meinung zu hinterfragen. Solange dieser kleine Impuls kommt, besteht die Chance auf einen Wandel."
"For Life" wirft in seinen 13 Folgen der ersten Staffel einen fast schon zynischen, aber nie ganz hoffnungslosen Blick auf das amerikanische Justizsystem. Und ist damit – ein halbes Jahr nach Ausstrahlung in den USA – noch immer brandaktuell.

In den USA lief "For Life" beim frei empfangbaren Kabelsender ABC, bei uns läuft die Serie ab dem 5.10. auf Sky.

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