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Der US-Wahlkampf in den Sozialen Medien
Propagandasoftware übernimmt die politische Diskussion

In der Schlussphase des US-Wahlkampfs geben die Kampagnenteams der Kandidaten noch einmal alles, vor allen Dingen auf den Social-Media-Plattformen. Stimmung machen dabei auf Twitter, Facebook & Co aber nicht nur die Anhänger von Republikanern oder Demokraten. Zunehmend gibt spezialisierte Propagandasoftware den Ton an.

Wissenschaftsjournalist Peter Welchering im Gespräch mit Ralf Krauter | 14.10.2016
    Die Internetseite von facebook ist auf einem Laptop zu sehen.
    Sieht aus wie ein Mensch, ist aber ein Bot: Automatisierte Posts in sozialen Netzwerken werden besonders vom Trump-Lager, aber auch von Clintons Team als Propaganda-Werkzeug eingesetzt (picture alliance / dpa / Oliver Berg)
    Ralf Krauter: Peter Welchering, Sie haben mal genauer recherchiert, was da im US-Wahlkampf passiert. Welche Bedeutung spielt Propaganda-Software auf Twitter und Facebook im amerikanischen Wahlkampf?
    Peter Welchering: Sogenannte Propaganda-Bots spielen eine überragende Rolle im Wahrkampf von Trump und Clinton. Das Team von Donald Trump hat schon vor eineinhalb Jahren damit begonnen, solche Computerprogramme, die Texte schreiben und Diskussionen in sozialen Netzwerken führen können, einzurichten. Das Wahlkampfteam von Hillary Clinton hat zwar auch sehr früh auf Wahlkampf in den sozialen Netzen gesetzt. Aber die haben erst ziemlich spät auf die vielen Propaganda-Bots von Donald Trump reagiert. Und jetzt haben die Demokraten Nachholbedarf und bauen ihre Infrastruktur für Propaganda-Bots gerade aus.
    Krauter: Was machen diese Propaganda-Bots denn genau im Wahlkampf?
    Welchering: Ganz einfache Bots sorgen nur dafür, dass ein Tweet zum Beispiel ganz oft retweetet wird. Die Fernsehdebatte zwischen Hillary Clinton und Donald Trump am vergangenen Sonntag lief gerade mal ein paar Minuten, da gab es ganz viele Tweets über Monica Lewinsky und Bill Clinton, über das Sexualleben von Bill Clinton.
    Einige Twitter-Accounts sorgen nur dafür, dass der Tweet von Donald Trump, er achte Frauen und setze sich für sie ein, weiterverbreitet wird. Andere Accounts greifen in die Diskussion ein und versuchen dann für oder gegen Trump, für oder gegen Clinton Stimmung zu machen.
    Krauter: Wie wird da genau Stimmung erzeugt?
    Geschätzt mehrere Millionen Bots im Wahlkampf-Einsatz
    Welchering: Dafür sind Propaganda-Bots zuständig, die sich die Arbeit teilen. Ein Bot setzt einen Tweet ab, Trump achte die Frauen. Den nimmt ein zweiter Bot auf und kommentiert: Bill Clinton, der Ehemann der Kandidatin, habe genau das ja nicht gemacht mit seinen ganzen Affären. Ein dritter Bot setzt dann noch eines drauf, dass Hillary Clinton eben nicht zur Präsidentin tauge.
    Da wird offenbar Software verwendet, wie sie seit einigen Jahren für das Cyber Command der amerikanischen Armee entwickelt wurde und wird, und zwar für die hybride Kriegsführung, genauer für die Cyber-Propaganda. Da ist nämlich vor einigen Jahren genau diese Dreierstruktur bei den Propaganda-Bots eingeführt worden, die man in den jetzigen Twitter-Debatten auch wieder sehen kann. Solche Propaganda-Software kann jeder kaufen, auch die Bots, die dann in einem Netzwerk zusammenarbeiten.
    Donald Trump und Hillary Clinton schütteln sich am Ende des ersten Fernsehduells die Hände.
    Zumindest die Unterstützung automatisierter Programme ist ihnen sicher: Donald Trump und Hillary Clinton setzen im Wahlkampf auf unlautere Methoden (picture alliance / dpa / EPA / Peter Foley)
    Krauter: Jeder Bot imitiert ja einen Social-Media-Nutzer auf Twitter. Wie viele Bots sind denn jetzt da so im Einsatz im Wahlkampf von Trump und Clinton?
    Welchering: Die Werbeagentur eZanga hat das mal hochgerechnet. Bei zwölf Millionen Twitter-Accounts, die Donald Trump folgen, gehen die Analysten von eZanga von fünf Millionen sogenannten Sockenpuppen aus, also Twitter-Accounts vorgetäuschter Personen. Da ist dann die große Frage: Wie viele Sockenpuppen sind menschlich, wie viele Sockenpuppen bestehen aus Software. Da gehen die Schätzungen etwas auseinander.
    Bei Donald Trump gehen zurückhaltende Analysten von 800.000 Bots im Einsatz aus, demokratische Kritiker von Trump gehen von vier Millionen Bots aus. Für Hillary Clinton schätzen die Analyten von eZanga drei Millionen Sockenpuppen, davon zwischen 150.000 und 900.000 Bots. Wobei das Wahlkampfteam von Hillary Clinton ja erst ziemlich spät die Propaganda-Bots als Thema entdeckt hat.
    Krauter: Was kostet so ein Bot-Einsatz denn?
    Welchering: Also die Bots selber sind relativ billig, die sind auch im Preis gefallen in diesem Jahr. Für 1.000 Bots werden derzeit auf den gängigen Auktionsplattformen gerade noch 30 Dollar gefordert. Vor einem Jahr waren das noch 50 Dollar. Teurer sind die Programmierung und die Entwicklung der Propaganda-Richtlinien.
    Propaganda-Bots haben einen semantischen Teil und einen Analyse-Teil, um Nachrichten, Tweets und so weiter erkennen zu können. Ihnen wird eine Position mit einer weitgehenden inhaltlichen Beschreibung vorgegeben und dann mischen sie sich aktiv in Diskussionen auf Twitter oder Facebook oder auf Blogs ein und verbreiten die Botschaften, die ihre Herren und Meister gern im Netz hätten. Und sie antworten eben auch auf Posts oder Tweets des Gegners.
    Und so etwas zu entwickeln, das kostet Millionen Dollar. Die Bot-Entwickler gehen dabei von typischen Sprachhandlungen der Menschen aus, die sie in einer großen Datenbank gesammelt haben. Auch diese Sammlungen und der Aufbau der Datenbanken kostet viel Geld, da reden wir über sechsstellige Summen. In dieser Datenbank finden sich sprachliche Muster zu den Propagandaaussagen, die verbreitet werden sollen.
    "Hier wird politische Diskussion wegautomatisiert"
    Krauter: Merken die Twitter-Nutzer, dass sie politische Inhalte mit Software diskutieren?
    Welchering: In der Regel nicht. Zumal die Bots so programmiert sind, dass sie auch ganz menschliche Sachen twittern, zum Beispiel was es zum Frühstück gab, Bilder aus der Umgebung. Und da merkt dann niemand mehr, dass er es mit einer Software zu tun hat.
    Natürlich kann man sich an einem Account, wie NeilTurner klar machen, dass ein Mensch nicht über viele Monate hinweg jeden Tag 60-70 Tweets abschicken kann. Aber das machen sich die meisten Twitter-Nutzer nicht klar. Und darin liegt die Gefahr. Hier wird Meinungsfreiheit, hier wird politische Diskussion wegautomatisiert.