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Vorratsdatenspeicherung
"Wir brauchen dieses Gesetz"

Michael Grosse-Brömer, parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, spricht sich für die schnelle Einführung der Vorratsdatenspeicherung aus. Diese sei ein geeignetes Mittel zur Verbrechensbekämpfung, sagte er im DLF. "Ich wünsche mir, dass wir nun zügig zu Potte kommen."

Michael Grosse-Brömer im Gespräch mit Bettina Klein | 16.01.2015
    Michael Grosse-Brömer von der CDU
    Michael Grosse-Brömer von der CDU (imago stock&people / Christian Thiel)
    "Wir brauchen dieses Gesetz", so der CDU-Politiker - das sagten auch Ermittler vom Bundeskriminalamt und anderen Polizeibehörden. Daher sei er dankbar, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nun deutlich gemacht habe, dass die Vorratsdatenspeicherung ein geeignetes Mittel zur Verbrechensbekämpfung sei.
    In Deutschland würden bei der Bekämpfung bestimmter Verbrechen bereits heute Telefone abgehört. Bei der Vorratsdatenspeicherung werde dagegen nur auf Verbindungsdaten zurückgegriffen, und diese würden von den Telekommunikationsanbietern ohnehin gespeichert – und der Zugriff erfolge nur bei schwerster Kriminalität und Kinderpornografie. Dies sei zumutbar - auch unter der Berücksichtigung der Freiheit eines jeden einzelnen.
    Grosse-Brömer bezeichnete es als richtig, nun zunächst auf eine neue Richtlinie der Europäischen Union zu warten. "Wenn da aber über Monate nichts passiert, sind wir in Deutschland nicht gehindert, eine eigene Gesetzgebung auf den Weg zu bringen." Man müsse das entsprechende Gesetz verfassungskonform gestalten - "aber das darf nicht bis zum Sankt Nimmerleinstag dauern".

    Hier das Interview in voller Länge:
    Bettina Klein: Mitgehört hat der CDU-Politiker Michael Grosse-Brömer. Er ist Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Schönen guten Morgen!
    Michael Grosse-Brömer: Guten Morgen, Frau Klein.
    Klein: Lassen Sie uns auch zunächst noch mal auf Belgien gestern schauen. Es ist noch einiges offen, es wird eine weitere Pressekonferenz heute Vormittag geben. Was war Ihre erste Reaktion? Sehen Sie die Gefährdung in Deutschland jetzt weiter erhöht?
    Grosse-Brömer: Nein. Wir wussten, dass wir in Deutschland keine konkrete Anschlagsgefahr haben, aber dass wir eine allgemeine Gefährdungslage haben. Und Belgien unterstreicht, dass wir hier in Europa gemeinsame Probleme haben. Wir müssen uns damit auseinandersetzen, mit dem radikalen Islamismus, mit der Möglichkeit, dass Terroranschläge stattfinden, und eine freie Gesellschaft, die wir wollen und die wir fördern, ist auch immer verwundbar. Aber wir müssen alles tun, damit keine Anschläge stattfinden können, und deswegen ist aus meiner Sicht jeder vereitelte Anschlag, wie der in Belgien heute glücklicherweise, ein Erfolg der Sicherheitsbehörden und ein Lob für die gute Arbeit.
    Klein: Gibt es für Sie konkrete Konsequenzen, die sich daraus bereits jetzt für Deutschland ableiten lassen würden?
    Grosse-Brömer: Nein. Wir als Union sind ja die einzige Partei, die sehr frühzeitig gesagt hat, passt auf, was die innere Sicherheit betrifft. Wir haben schon im Oktober letzten Jahres ein Eckpunktepapier vorgelegt, wir haben auf unserem Bundesparteitag im Dezember ein klares Gesetz vorgelegt. Das beinhaltet, die Finanzierung von Terrororganisationen zu zerstören. Das beinhaltet die Strafbarkeit von Sympathiewerbung für solche radikalen Gruppierungen. Und natürlich beinhaltet das auch die Mindestspeicherfrist für Verbindungsdaten, weil das aus unserer Sicht noch ein wichtiges zusätzliches Ermittlungsinstrument ist, das wir in Deutschland dringend brauchen.
    "Wir brauchen dieses Mittel"
    Klein: Wir haben darüber ja auch berichtet in den vergangenen Tagen. Da sind Gesetze auf dem Weg, die jetzt auch nicht wegen des Anlasses Paris kommen, sondern woran man schon länger arbeitet. Die Große Koalition arbeitet daran und folgt damit auch internationalen Vorgaben, was jetzt Ausreisen zum Islamischen Staat und dergleichen und die Finanzierung von Terrororganisationen angeht. Stichwort Vorratsdatenspeicherung - das haben wir heute schon ein paar Mal aufgegriffen. Wir haben mit dem Vorsitzenden der Innenministerkonferenz vorhin gesprochen, der doch eher sagte, wir wollen in Ruhe abwarten, keine Schnellschüsse. Justizminister Maas hat sich auch als einer der Schärfsten aus der SPD da relativ skeptisch geäußert. Das heißt, wir können davon ausgehen, dass ein solches Gesetz wann kommt?
    Grosse-Brömer: Im Zusammenhang mit der Vorratsdatenspeicherung von Schnellschüssen zu reden, das ist ja nun sehr mutig. Wir diskutieren das ja über drei Jahre nach meiner Kenntnis. Und wenn Sie mir das mal erlauben, mal darauf hinzuweisen? Wir haben in jedem zweiten "Tatort" am Sonntagabend ein Abhören von Telefongesprächen von Tatverdächtigen. Die finden in Deutschland auch in der Praxis statt. Da geht es sogar um Inhalte von Telefonaten. Bei der Vorratsdatenspeicherung geht es lediglich um die Daten, die auf einer Telefonrechnung stehen und die im Übrigen sowieso bei dem Telefonanbieter gespeichert werden, und wir sagen, in Ausnahmefällen, bei schwerster Kriminalität, wenn ein Richter es vorher erlaubt, sollen diese Daten genutzt werden, um Netzwerke festzustellen bei Terrorismus, bei schwerster Kriminalität, bei Kinderpornographie, und da wollen wir diese Daten nutzen, nur in diesen Ausnahmefällen, befristet, und derjenige, der betroffen ist, muss darüber auch noch informiert werden. Und ich finde, das ist einfach zumutbar, wenn wir über Sicherheit in Deutschland reden, auch im Abgleich, auch in Differenzierung zu der Freiheit jedes Einzelnen, die natürlich ein wichtiges Gut ist. Aber solche Instrumente kann man nicht von vornherein ausschließen und deswegen wünsche ich mir, dass wir zügig hier, ich sage mal, in Norddeutschland sagt man, zu Potte kommt, denn wir brauchen dieses Mittel nach allgemeiner Auffassung. Fragen Sie den neuen Präsidenten des Bundeskriminalamtes, der sagt, wir warten darauf dringend, und alle, die im Internet recherchieren und ermitteln, von der Bundespolizei sagen, wir sind dringend auf dieses Mittel angewiesen. Deswegen hoffe ich, dass wir da auch endlich mal zum Erfolg kommen.
    Klein: Nun habe ich die Bundeskanzlerin in Erinnerung, die gestern im Bundestag aber auch gesagt hat, wir warten jetzt darauf, was aus Brüssel kommt, denn die EU-Kommission sei am Zuge und müsse nun einen neuen Vorschlag vorlegen. Das heißt, in Deutschland kann man viel diskutieren, aber in Wahrheit, wenn gehandelt werden würde, dann in Brüssel? Das verstehen wir richtig?
    Grosse-Brömer: Ich bin erst mal dankbar, dass die Bundeskanzlerin sich da auch klar positioniert hat und hat gesagt, genau wie im Übrigen das Bundesverfassungsgericht, die Vorratsdatenspeicherung ist natürlich ein wirksames Mittel, um schwerste Kriminalität zu bekämpfen. Das ist der erste Punkt.
    Und der zweite Punkt: Natürlich hat der EuGH die damals vorhandene Richtlinie aufgehoben und hat gesagt, da müsste bei der Ausgestaltung nachgebessert werden. Im Übrigen war die viel weitergehender als die Vorratsdatenspeicherung, die wir in Deutschland wollen.
    Aber davon abgesehen warten wir jetzt auf einen Vorschlag aus Brüssel. Nur ich sage auch, das ist der richtige Weg zurzeit, und ich wünsche mir, dass die neue Kommission jetzt auch da zügig arbeitet. Aber wenn da jetzt wieder Monate nichts passiert, dann sind wir auch in Deutschland nicht gehindert daran, eine eigene Gesetzgebung auf den Weg zu bringen. Wir haben gerade den Kollegen aus Belgien gehört. Belgien hat natürlich eine Vorratsdatenspeicherung, wenn ich das richtig verstanden habe. Frankreich hat sie auch und alle Nachbarstaaten im Zweifel auch. Alle Innenminister, auch die der SPD, der Länder fordern diese Vorratsdatenspeicherung. Irgendwann können wir dann auch einfach mal selbst ein Gesetz machen. Das kann sich gerne dann wieder einer Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht stellen. Aber da haben wir gewisse Vorgaben, wir müssen so was verfassungsgemäß und verfassungsgerecht ausgestalten. Aber das heißt ja nicht, dass wir bis zum Sankt Nimmerleinstag warten müssen. Wenn in Brüssel nichts passiert - wir sollten zunächst mal warten; das ist der richtige Anspruch -, aber wenn da wieder dauerhaft nichts passiert, müssen wir auch selbständig tätig werden.
    "Gewalt im Namen des Islam ist eine sehr große Herausforderung"
    Klein: Gut! Botschaft angekommen, Herr Grosse-Brömer. Es kann durchaus sein, dass Deutschland da von sich aus aktiv wird, wenn es den Koalitionären hier zu lange dauert. - Ich würde gern noch auf einen anderen Punkt schauen, über den wir heute Morgen sprechen wollten, und das ist im Zusammenhang mit der ganzen Diskussion die Frage, welcher und wie viel Islam gehört eigentlich zu Deutschland. Die Kanzlerin hat kurz nach den Anschlägen zumindest indirekt wiedergegeben, was der frühere Bundespräsident Wulff auch relativ bald gesagt hat, nämlich der Islam gehört zu Deutschland, und zwar nicht nur die Muslime. Jetzt haben wir auch heute Morgen wieder mehrere Stimmen von anderen Politikern auch aus der Unions-Fraktion gehört, die das anders sehen und sehr klar unterscheiden Islam und Muslime. Können Sie nachvollziehen, dass nicht alle der Meinung der Kanzlerin sind?
    Grosse-Brömer: Ich kann nachvollziehen, dass wir darüber nachdenken müssen, in welchem Umfang Muslime hier in Deutschland Teil der Gesellschaft sind, und da sind glücklicherweise in ganz weiten Teilen überhaupt gar keine Zweifelsfragen offen. Natürlich hat der Bundespräsident recht. Ich war am Dienstagabend am Brandenburger Tor. Der hat gesagt, auch vor dem Hintergrund, dass dort jüdische Flaggen sichtbar waren, dass viele Muslime da waren, dass auch natürlich viele Christen da waren, wir alle sind Deutschland. So muss man das auch verstehen. Aber was die Kanzlerin gesagt hat, auch im Zusammenhang mit dem Zitat, der Aussage des Bundespräsidenten Christian Wulff, ist: Wenn man denn hier Teil Deutschlands ist, dann muss man sich auch an deutsche Gesetze halten, man muss auf dem Boden der Verfassung sich beheimatet fühlen. Und dann ist aus meiner Sicht auch deutlich geworden, nicht zuletzt durch die Debatte im Deutschen Bundestag gestern, dass die Gewalt im Namen des Islam auch eine sehr große Herausforderung ist, insbesondere auch der muslimischen Verbände in Deutschland, denn ich finde, das ist nicht nur eine gesellschaftliche Aufgabe, sich damit zu beschäftigen, sondern das müssen dann auch die Muslime in Deutschland tun, die ja dankenswerterweise in ganz großen Teilen ein klares Bekenntnis zu Deutschland und auch zu den verfassungsrechtlichen Grundwerten Deutschlands haben.
    Klein: Das ist klar, Herr Grosse-Brömer. Die Frage war ja, weshalb sagen auch führende Politiker aus der Union nach wie vor, Muslime ja, Islam nein. Ist das falsch? Ist das hilfreich aus Ihrer Sicht?
    Grosse-Brömer: Ich glaube nicht, dass irgendjemand sagt, Islam nein.
    Klein: Oh ja!
    Grosse-Brömer: Das was meine Kollegen sagen ist, dass die jüdisch-christliche Tradition in Deutschland natürlich die Grundlage unserer Gesellschaft ist, dass mittlerweile aber die Muslime nicht nur aufgrund der deutschen Staatsangehörigkeit dankenswerterweise die Gesellschaft auch bereichert haben und das wahrscheinlich auch noch weiter tun. Und dass das Problem der Gewalt im Namen Allahs, dass dort Menschen noch verfolgt und umgebracht werden, dass dieses Problem mal konkret zu lösen ist, das haben erkennbar Christen und Juden in dem Umfang natürlich nicht. Das war in der Vergangenheit sicherlich auch der Fall, dass mancher Kreuzzug da im Namen des Christentums vonstattenging, Aber dass wir Probleme, die im Zusammenhang mit gewalttätigen Islamisten und mit Dschihadisten stattfinden, dass wir die auch insgesamt in der Gesellschaft, aber auch durch die muslimische Gesellschaft oder durch muslimische Verbände dann lösen müssen und wollen, das ist die Aussage, die uns verbindet.
    Klein: Wir müssen hier ein Semikolon setzen, werden die Debatte aber ganz sicherlich auch hier im Programm weiterführen. Das war Michael Grosse-Brömer, Parlamentarischer Geschäftsführer der Unions-Fraktion im Deutschen Bundestag. Danke für das Interview.
    Grosse-Brömer: Auf Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.