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Vorreiter aus Oberschwaben
Vierte Amtszeit für Deutschlands ersten Grünen-Bürgermeister

In den 90er-Jahren sorgte Elmar Braun für eine Sensation: Er wurde der erste Grünen-Bürgermeister Deutschlands und krempelte das oberschwäbische Maselheim zur Öko-Gemeinde um. 24 Jahre später ist er immer noch im Amt. Damals wie heute weiß er, worauf es bei erfolgreicher Lokalpolitik ankommt.

Von Thomas Wagner | 02.03.2015
    Elmar Braun (Bündnis 90/Die Grünen) am 25.02.2015 in Maselheim (Baden-Württemberg). Braun war der erste hauptamtliche Bürgermeister seiner Partei im Südwesten.
    Fest im Sattel: Der Grünen-Politiker Elmar Braun im oberschwäbischen Maselheim. (dpa / picture alliance / Stefan Puchner)
    "Jetzt kommen sie gleich rein in's Wahllokal. Es ist gleich Sechse."
    Bürgermeisterwahl gestern Abend in Maselheim, eine beschauliche 4.000-Einwohner-Gemeinde im oberschwäbischen Landkreis Biberach. Eine Stunde nach dem Schließen der Wahllokale steht das Ergebnis fest:
    "Vor 24 Jahren, bei der legendären Wahl zum ersten Grünen-Bürgermeister von ganz Deutschland, erhieltest du bei der Wahl 51 Prozent der Stimmen und heute bei der vierten Wahl sind es 85,1 Prozent."
    Die Blicke richten sich auf einen Mann mit grauen Haaren, dunklem Anzug und auffällig grüner Krawatte: Elmar Braun, der hier vor 24 Jahren um ersten Mal gewählt wurde.
    "Damals hat es vor mir noch nie einer von den Grünen geschafft, in einer Volkswahl Bürgermeister zu werden. Ich war ja der aller Allererste." - "Eine halbe Stunde vor Bewerbungsfrist Ende war meine Bewerbung eingeworfen. Und zu dem Zeitpunkt hatte ich weder ein Wahlprospekt noch eine Rede noch eine Krawatte."
    Beständiges Erfolgsrezept
    Und trotzdem hat's geklappt: Der Grüne, der sich volksnah gibt, der gerne mal auch bei der Feuerwehr und beim Musikverein vorbeischaut, viele Maselheimer im breitesten Schwäbisch duzt, einer von ihnen ist – so lautet Elmar Brauns Erfolgsrezept damals wie heute. Hinzu kommt: Wissen, wie Überzeugungsarbeit im Gemeinderat geht.
    "Du musst immer gute Vorschläge machen im Gemeinderat. Und wenn du das machst und immer gute Vorschläge machst, dann können die gar nicht anders als zuzustimmen.
    Wenn die dann nicht zustimmen, dann kriegen die solche Probleme mit der Bevölkerung – dann machen sie das nicht oft. Und genauso war es."
    Dabei waren Brauns Vorschläge durchaus grün eingefärbt – für die damalige Zeit, Anfang der 90er-Jahre, aber beispielgebend weit über die Grenzen Oberschwabens hinaus:
    "Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll: Alle Gebäude, die wir haben, sind energetisch saniert oder neu gebaut mit hohem energetischem Standort. Straßenbeleuchtung umgerüstet. Wasserversorgung energetisch modernisiert. Kläranlagen ausgereizt, beste Ergebnisse.
    Das erste Baugebiet, das ich gemacht habe, hatte damals eine Oberflächenversickerung. Das war damals etwas völlig Neues."
    Ein Schwabe räumt auf
    Braun krempelte das oberschwäbische Maselheim um zur Öko-Gemeinde – und wusste gleichzeitig, wie er seinen zwar eher bürgerlich ausgerichteten, aber stets auf schwäbische Sparsamkeit bedachten Gemeinderat packen konnte.
    "Wir haben seit Jahren unseren Energieverbrauch reduziert. Und da spürt man nicht nur in CO 2 und Energie, sondern auch in Geld – und da kann ja niemand etwas dagegen haben."
    Wohl wahr: Wahlparty gestern im Rathaus, die Maselheimer Big-Band spielt. Einer der ersten Gratulanten Paul Grimm, Gemeinderat und rein parteipolitisch nicht unbedingt auf der Linie des Bürgermeisters:
    "Nee, ich bin eigentlich kein freier Wähler, ein bürgerlicher, ganz genau."
    Zufriedene Wähler
    Doch auf die Idee, einen bürgerlichen Gegenkandidaten aufzustellen, wäre der bürgerliche Gemeinderat im Leben nie gekommen:
    "Wir sind wirklich mit unserem Elmar Braun sehr zufrieden. Wir haben bei uns ein sehr gutes Miteinander. Der Elmar Braun bereitet seine Entscheidungen vor. Er sucht Mehrheiten. Er nimmt die Leute mit. Und er macht das wirklich professionell und gut. Das ist wirklich klasse, wie er da vorgeht."
    "Elmar war der erste grüne Bürgermeister - wahrscheinlich der Welt."
    Und Winfried Kretschmann - immerhin erster grüner Ministerpräsident Deutschlands, der eigens zur Wahlparty nach Maselheim gekommen ist, um daran zu erinnern:: ohne Elmar Braun im Maselheimer Rathaus kein Winfried Kretschmann im Stuttgarter Staatsministerium:
    "Vorher sind wir ja immer in der Opposition herumgesprungen, sowohl in den Gemeinderäten als auch im Landtag. Und er hat es geknackt sozusagen.
    Er hat sich durch solide bürgernahe Arbeit das Vertrauen erworben. Das war der eigentliche Durchbruch. Und dass ich selber nun der erste grüne Ministerpräsident bin, wäre ohne Elmars Pflugarbeit nicht denkbar gewesen."
    Dabei scheut sich Elmar Braun nicht vor 'Pflugarbeit' in seiner eigenen Partei, redet ab und an, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, auch wenn es unbequem wird:
    "Was an der Grünen-Programmatik nicht gefällt, ist diese Regelungswut. Da sind die Grünen nicht anders als andere. Beispiel war dieser Veggie-Day. Aber man will alles immer bis ins letzte Detail regeln."
    Kampf der Bürokratie
    Der Regelungswut will Braun in seiner nächsten und letzten Amtsperiode den Kampf ansagen, daneben die Maselheimer Energieeffizienz noch weiter verbessern, die Kinderbetreuung gleich mit. Und, ach ja - vielleicht klappt es ja auch noch mit einem Projekt, das ihm der Gemeinderat in seiner letzten Amtsperiode abgelehnt hat:
    "Also das Letzte, das sie mir abgelehnt haben, war die Beschaffung eines Elektromopeds für den Amtsboten. Also das ist nicht so, dass die nicht ihren eigenen Kopf haben. Aber so ist Demokratie!"