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Vorreiter einer Artenexplosion

Paläontologie. - Schon Charles Darwin rätselte darüber, warum vor 542 Millionen Jahre scheinbar wie aus dem Nichts die Urahnen der Tierstämme auftauchen, die seit damals die Erde bevölkern. So voraussetzungslos war sie dann doch nicht. Heute steht in "Nature", dass Geochemiker den Ursprung der Tiere um mehr als 100 Millionen Jahre vorverlegen können.

Von Dagmar Röhrlich | 05.02.2009

    Die ersten Tiere könnten uns chemische Spuren hinterlassen haben - im ältesten Erdöl, das wir Menschen derzeit verbrennen:

    "Im Südoman wird derzeit nach Öl gesucht. Es stammt aus Gesteinen, die älter als 635 Millionen Jahre sind. Weil die Erdölfirma genauer wissen wollte, wo ihr Öl entsteht, haben wir in Sedimentgesteinen in einem Salzbecken des südlichen Omans nach speziellen chemischen Verbindungen gesucht, die den biologischen Ursprung des Öls verraten. Wir haben solche chemischen Signale, Biomarker genannt, gefunden, und zwar solche, die von Schwämmen stammen."

    Schwämme sind primitive Tiere, die davon leben, dass sie Nahrungspartikel aus dem Meerwasser filtern, erklärt Gordon Love von der University of California Riverside weiter:

    "Schwämme produzieren viele Stoffe, die für sie einzigartig sind und die sich von den Produkten der Mikroben unterscheiden. Im Stammbaum der Tiere stehen die Schwämme weit unten, und deshalb sind sie bei der Beantwortung der Frage interessant, wann sich aus einzelligen Organismen vielzellige entwickelt haben."

    Das chemische Signal, das die Forscher nutzten, heißt 24-Isopropylcholestan und steckte zu Lebzeiten in den Zellmembranen der Schwämme. Heute wird diese Verbindung einzig und allein von Hornkieselschwämme aufgebaut - Lebewesen, von denen die Forscher schon seit langem vermuten, dass sie zu den ältesten Tieren unseres Planeten gehören. Den neuen Ergebnissen zufolge lebten diese Hornkieselschwämme schon vor mehr als 635 Millionen Jahren. Love:

    "Die Schwämme tauchten unseren chemischen Analysen zufolge im Zeitraum von 635 bis 713 Millionen Jahren vor heute auf. Das ist ein besonderes Zeitintervall. Zuvor hatte es die erste von drei großen Vereisungen gegeben, die die ganze Erde von den Polen bis zum Äquator in einen Schneeball verwandelt haben sollen. In den Steinen, die vor diesen großen Vereisungen entstanden sind, finden wir die Biomarker noch nicht."

    Ein hart gefrorener Schneeball vom Pol zum Äquator hätte die Erde nicht sein können, erklärt Gordon Love. Das hätten die ersten Tiere nicht überlebt. Er geht davon aus, dass es große Meeresgebiete ohne Eis gegeben haben muss, mehr eine Art Slushball - einen Matschball Erde. Die Frage ist, welche Rolle die Vereisungen bei dieser Entwicklung spielten und ob sie die Evolution der Tiere stützten: Eiszeiten verändern die biogeochemischen Zyklen. Gordon Love:

    "Kaltes Wasser kann sehr viel mehr gelösten Sauerstoff enthalten als warmes. Vielleicht hat das den Anstoß geliefert, um eine Umweltbarriere durchbrechen zu können, so dass genügend Sauerstoff ins Wasser kommt, um vielzelliges Leben zu ermöglichen. Schließlich sind dessen Ansprüche hoher als die von Mikroorganismen."

    Die Entdeckung der Schwamm-Biomarker verändert die Vorstellung darüber, wie damals Ökosysteme funktionierten. Die Schwämme lebten zuerst in flachen Meereszonen:

    "Wenn wir diese Biomarker im Öl messen können, müssen die Schwämme damals wirklich überall gewesen sein. Allerdings waren sie noch sehr klein, höchstens millimetergroß. Trotzdem spielten sie eine große Rolle im Ökosystem, weil sie die gelösten Nährstoffe und Einzeller fraßen. So verhinderten sie, dass sich diese zersetzten und dabei den Sauerstoff im Wasser verbrauchen konnten. Zunächst lebten die Schwämme im flachen Wasser, aber je mehr sie das Ökosystem veränderten, in desto tiefere Wasserschichten konnten sie sich fressend ihren Weg bahnen."

    Die Schwämme sorgten also dafür, dass die Ozean allmählich mit Sauerstoffs versorgt wurden - und bahnten auch anderen Arten den Weg. So die Interpretation der chemischen Signale.