Samstag, 20. April 2024

Archiv


Vorsätzliche Behinderung?

Die Kommission um die renommierten italienischen Kriminologin Letizia Paoli, wirft in einer umfangreichen Dokumentation dem ehemaligen Rektor der Freiburger Universität Wolfgang Jäger vor, den eigentlichen Arbeitsauftrag der Kommission vorenthalten und eigenmächtig eingeschränkt zu haben. Der wiederum wehrt sich.

Von Robert Kempe | 10.02.2013
    Laut Beschluss des Rektorats vom Juni 2007, sollte die Evaluierungskommission ursprünglich die Freiburger Sportmedizin in ihren gesamten Aktivitäten, während der vergangenen 50 Jahre auf den Prüfstand stellen. Von diesem Arbeitsauftrag habe die Kommission aber erst nach umfangreichen Recherchen im letzten Jahr erfahren. Das legt die Vorsitzende, die international anerkannte Kriminologin und Mafiaexpertin Letizia Paoli, in ihrer Stellungnahme unter der Woche dar.
    Bisher ging die Kommission davon aus, nur die Dopingverstrickungen der Abteilung Sportmedizin am Freiburger Uni-Klinikum aufzuarbeiten. 1974 vom umstrittenen ehemaligen Olympiaarzt Joseph Keul gegründet.

    Mögliche Dopingverwicklungen über die Abteilung hinaus, wie etwa die des Mediziners Armin Klümper, der beim Doping in Westdeutschland wesentlich beteiligt war, konnten demnach nicht eingehend berücksichtigt werden. Verantwortlich sei der ehemalige Rektor der Universität Wolfgang Jäger, heißt es nun von Seiten der Kommission. Dieser habe den eigentlichen Arbeitsauftrag vorenthalten und eigenmächtig eingeschränkt. Dafür führt Paoli unter anderem Bestellungsschreiben der Uni an sieben der acht Kommissionsmitglieder und eine Pressemitteilung von 2007 an.

    Hans –Jochen Schiewer ist seit 2008 Rektor der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg. Er weist die Vorwürfe vehement zurück. Schiewer verweist auf ein Schreiben an Paolis Vorgänger Hans-Joachim Schäfer aus dem Jahr 2007, darin heißt es: "Ihr Untersuchungsgebiet ist die Sportmedizin in Freiburg". Was den Zeitraum und die Personen betrifft, sei die Kommission keinen Limitierungen unterworfen.

    "Also wir müssen sagen, dass die Aktenlage eindeutig ist, dass der ehemalige Vorsitzende der Evaluierungskommission Sportmedizin am 22. Juni 2007 einen uneingeschränkten Untersuchungsauftrag von meinem Vorgänger bekommen hat – Altrektor Jäger. Und dass aus dem Protokoll der konstituierenden Sitzung der Gutachterkommission hervorgeht, dass sie nach eingehender Diskussion sich für den Zeitraum 1970 bis heute entschieden haben. Wir also von unserer Seite nicht nachvollziehen können, warum dieser Vorwurf der Manipulation erhoben wird."

    Schäfer legt in der Stellungnahme der Kommission Wert darauf, dass ihm die Beschlüsse der Universität nie bekannt waren. Wäre dies der Fall gewesen, hätte er in der konstituierenden Sitzung der Kommission eine Einengung des Arbeitsauftrags nie akzeptiert. Der Molekularbiologe Werner Franke, bis März 2012 Kommissionsmitglied, hatte in der Sitzung noch entschieden für eine Ausweitung des Arbeitsauftrags auf die gesamte Freiburger Sportmedizin appelliert. Von Altrektor Jäger sei aber dagegen argumentiert worden, heißt es.

    Jäger verwahrt sich gegen den Vorwurf der Manipulation. Als Beleg führt er eine Stellungnahme des ehemaligen Kommissionsmitglieds Ulrich Schwabe an. Der Pharmakologe lässt mitteilen, dass Jäger auf der Gründungssitzung gegenüber der Kommission keine Angaben zum bearbeiteten Zeitraum machte. Zu einer möglichen Manipulation Jägers, äußert sich Schwabe jedoch nicht klar.

    Der Auslöser für den Gang an die Öffentlichkeit seien die Äußerungen des Chefs der Freiburger Uniklinik, vor gut zwei Wochen gewesen, so Kommissionsmitglieder. Rüdiger Siewert hatte die Kommissionsvorsitzende Paoli hart kritisiert und ihr Untätigkeit bei guter Bezahlung vorgeworfen. Zu den Entwicklungen wollte sich Klinikchef Siewert gegenüber dem Deutschlandfunk nicht äußern. Fragen an ihn gibt es genug.

    Auch an das baden-württembergische Wissenschaftsministerium. Zum Beispiel, warum es sich nicht aktiver in den lange schwelenden Konflikt zwischen Universität und Evaluierungskommission eingeschaltet hatte. Das Ministerium teilte nun mit, dass man plane Uni-Rektor Schiewer sowie die Kommissionsvorsitzende Paoli zeitnah zu einem Gespräch einzuladen, man wolle klären, was nötig sei, um die Arbeit der Kommission abzuschließen.
    Bis Dienstag , so forderte Rektor Schiewer unlängst, erwarte er, dass die Kommissionsmitgliedern ihre Vorwürfe zurücknehmen. Man kann gespannt sein, was dann passiert.

    In den Hintergrund geraten bei diesem Konflikt einmal mehr die Opfer von Dopingpraktiken. Nach dem Doping-Forschungsprojekt des Bundesinstituts für Sportwissenschaft, steht nun auch das zweite Schlüsselprojekt, was sich mit pharmazeutischem Betrug in Westdeutschland beschäftigt, vor einem Scherbenhaufen.