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Vorsicht Internet

Facebook, Anbieter des größten sozialen Netzwerks im Web, stand in den vergangenen Monaten wegen seiner Datenschutzpolitik immer wieder in der Kritik. Studierende des Fachs Wirtschaftsrecht in Wismar haben ein Semester die Risiken von sozialen Webseiten untersucht und wie man sich schützten kann.

Von Jan Farclas | 02.06.2010
    Die Jura-Show der Wismarer Hochschule ist der traditionelle Semesterabschluss des Studienganges Wirtschaftsrecht. Hier zeigt der jeweils neue Jahrgang der Masterstudenten vor großem Auditorium, wie ein aktuelles Thema auch Nichtjuristen nahegebracht werden kann. Das Interesse im überfüllten Hörsaal war groß, jeder kennt Facebook, aber die wenigsten kennen das wahre Gesicht der fröhlichen Internetgemeinde. Zum Ende der Jura Show gab es viel Applaus. Professorin Jantina Nord war stolz auf ihre Studenten:

    "Weil das was sie hier gezeigt haben, ist eigentlich das Ausbildungsziel, das heißt, das ist der neue Master-Jahrgang, die haben 2009 angefangen, sind jetzt ein Jahr dabei. Und sind jetzt nach einem Jahr schon so weit, wie wir sie haben möchten, wenn sie die Hochschule Wismar wieder verlassen."

    Die Probleme wie Datenmissbrauch, Internetmobbing oder Data-Mining, also das Durchsuchen großer Datenbestände, haben 21 Studenten spielerisch mit verteilten Rollen dargestellt. Die Idee, hinter den Kulissen zu forschen hatte Jantina Nord:

    "Viele Leute fragen sich ja, was forschen eigentlich Juristen, das steht doch alles in Gesetzen. Nein, es steht eben nicht alles in Gesetzten. Denn nicht jeder Lebenssachverhalt ist in einem Gesetz geregelt. Beispielsweise, ich habe ein Facebook-Profil und ich poste auf dem Facebook-Profil ein Video von YouTube. Dieses Video bei YouTube steht dort aber illegal. So und jetzt ist die Frage: Mache ich mich auch strafbar, verletze ich Urheberrechte, wenn ich dieses Video poste? Wenn ich nur den Link setze, nicht, aber wenn ich auf meiner Seite den Zugang erlaube, dann möglicherweise ja!"

    Auf kreative Art und Weise haben die Masterstudenten die grundlegenden Probleme erfasst. Sie erfanden ein fiktives Profil auf Facebook, ein sogenanntes Forschungsprofil, mit dazugehörigen Informationen wie dem Namen, in diesem Fall Justine, Beziehungsstatus, Wohnort, Profilbild und natürlich Interessen:

    "Und dann haben wir mal abgewartet, was so passiert. Und es passierte genau das, was wir erwartet haben: Es gab Bannerwerbung und es gab sogenannte geschlechtsspezifische Werbung. Also was denkt der typische Werber, was Frauen interessiert: Kleider, Schuhe und wie angel ich mir einen Millionär. Und dann haben wir das Geschlecht von Justine geändert, wir haben aus Justine Justin gemacht und natürlich kam auch eine Änderung der Bannerwerbung. Plötzlich wurde geworben für Sneakers, für teure Autos und Elektronik. Dazu muss man sagen: Datenschutzrechtlich ist das durchaus ein Problem. Denn das weist ja darauf hin, dass die Daten, die bei Facebook eingegeben worden sind, verkauft werden an Werbetreibende, die dadurch personengenaue Werbung machen können."

    Jeder der Masterstudenten war rund 100 Stunden mit seinem jeweiligen Thema beschäftigt, und das für ein Semester. Andreas Tittel zum Beispiel hat sich speziell dem Datenschutz zugewandt und die 25 Seiten langen allgemeinen Geschäftsbedingungen durchgearbeitet:

    "Und das Ergebnis unterm Strich hieß: Es gibt keine Berechtigung für Facebook, Daten der Nutzer, insbesondere personengebundene Daten, an Dritte zu verkaufen. Und das im großen Stil. Das ist es, was Facebook macht; sie verkaufen die Daten mit der Zustimmung, die im Prinzip nicht widerrufen worden ist durch die Nutzer. Um sich selbst zu finanzieren und um Werbung eben zu schalten."

    Bald könnte Facebook das 500-millionste Mitglied verkünden. Allein in Deutschland melden sich täglich Tausende neue Nutzer an. Deshalb wollten die Studenten vor allem eines: aufklären. Man sollte sich zum Beispiel nicht mit seinem Klarnamen anmelden, sagt Professorin Jantina Nord:

    "Ich empfehle, dass sie so wenig Daten wie möglich einspeisen. Denn, selbst wenn sie die Daten irgendwann mal wieder löschen: Einer weiß sie immer und das ist Facebook. Der Hauptrechner von Facebook steht in Palo Alto in Kalifornien. Sie bekommen die Daten von dort nie wieder runter. Und die Weitergabe der Daten ist nach kalifornischem Recht zumindest bisher noch weitgehend unproblematisch. Wer das also nicht möchte, der kann sich gerne ein Profil anlegen, aber dem sollte klar sein, dass alle Daten die er dort angibt, er nie wieder aus dem Internet herausbekommt."

    Wo Facebook-Nutzer an ihre Grenzen stoßen, soll der Staat helfen, indem er die Datenkompetenz jedes Einzelnen stärkt. Staatssekretär Dr. Max Stadler vom Bundesjustizministerium kündigte während seines Gastvortrages eine Stiftung Datenschutz an. Die Stiftung könnte eine Art Gütesiegel für datenschutzfreundliche Internetseiten sein. Es gilt also der alte Grundsatz: Das Netz ist kein rechtsfreier Raum. Verbote, die offline gelten, müssen auch online durchgesetzt werden. Aber die Wahrheit ist schlicht: Der Schutz der Privatsphäre ist nicht kompatibel mit Facebooks Geschäftsmodell.