Dienstag, 19. März 2024

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Vorsitzender der Jungen Union
"Ich habe wenig Leidenschaft für eine neue Große Koalition"

Wie die SPD sich zurzeit verhalte, sei nicht die Art, die man an den Tag lege, wenn man eine erfolgreiche Regierung bilden wolle, sagte der Vorsitzende der Jungen Union Paul Ziemiak im Dlf. Er krititsiert unter anderem die "zum Teil absurden Forderungen" der SPD.

Paul Ziemiak im Gespräch mit Sandra Schulz | 11.12.2017
    Paul Ziemiak
    "Wenn die SPD nicht bereit ist, Verantwortung zu übernehmen, werden wir trotzdem Verantwortung für dieses Land übernehmen", sagte Paul Ziemiak, Vorsitzender der Jungen Union, im Dlf (picture alliance / Monika Skolimowska/dpa-Zentralbild/dpa)
    Sandra Schulz: Turbulent sind die letzten Wochen für die Sozialdemokraten gelaufen. Das Scheitern der Jamaika-Sondierungen, das hatte ja vor allem bei der SPD für Hektik und Chaos gesorgt. Nach dem Parteitag in Berlin steht für die Sozialdemokraten jetzt fest, dass sie ergebnisoffen reden wollen über eine neue Runde einer schwarz-roten Koalition in Berlin.
    Monolithisch wirkte dagegen die CDU, die bei der Bundestagswahl ja noch deutlich mehr Prozentpunkte verloren hat. Gestern Abend hat sich der CDU-Vorstand zu Beratungen getroffen. Heute will die CDU-Spitze sich weiter über die Frage beugen, wie sie in die Gespräche mit der SPD ab Mitte der Woche geht, und wir können darüber in den nächsten Minuten sprechen. Am Telefon ist Paul Ziemiak, Vorsitzender der Jungen Union und beratender Teilnehmer des CDU-Bundesvorstands. Schönen guten Morgen.
    Paul Ziemiak: Guten Morgen, Frau Schulz.
    Schulz: Die SPD ist ja in ganz intensive Diskussionen eingestiegen. Es war ja auch hoch spannend und überhaupt nicht einfach. Sie, die CDU, Sie brauchen das jetzt alles nicht, weil das Motto "weiter so!" sowieso schon feststeht?
    "Es geht nicht darum, wie man die andere Seite ärgern kann"
    Ziemiak: Wir brauchen jetzt eine Diskussion darüber, was wir in diesen Koalitionsvertrag möglicherweise hineinschreiben. Die SPD hat sich ja auf ihrem Parteitag für Gespräche mit der Union bereit erklärt. Allerdings kann das nicht funktionieren nach dem Motto von Andrea Nahles, bätschi, bätschi, jetzt wird es richtig teuer für die Union, denn darum geht es nicht. Es geht nämlich darum, was wir für dieses Land machen können, und nicht darum, wie man die andere Seite ärgern kann.
    Schulz: Das heißt, Sie wollen jetzt offensiv darüber sprechen, was Sie der SPD anbieten können?
    Ziemiak: Wir wollen darüber sprechen, was wir gemeinsam hinbekommen können. Und wenn wir jetzt sehen, wie die SPD sich verhält, immer neue und zum Teil absurde Forderungen in den Raum zu stellen, dann ist das sicherlich nicht die Art, die man an den Tag legt, wenn man am Ende eine erfolgreiche Regierung bilden will.
    Flüchtlingspolitik: "Die Diskussion über Härtefälle ist der richtige Ansatz"
    Schulz: Ein wichtiges Thema für die Union – das haben Sie ja immer wieder genannt – ist die weitere Aussetzung des Familiennachzugs. Dafür brauchen Sie die SPD ja auch, weil die Aussetzung sonst ausläuft, möglicherweise auch, bevor die nächste Koalition überhaupt steht. Diese Härtefall-Lösung, wie sie der CSU-Mann Stephan Mayer jetzt in der "SZ" vorschlägt, wäre das eine Möglichkeit?
    Ziemiak: Das wäre absolut eine Möglichkeit. Am Ende müssen wir schauen, was kann Deutschland leisten und wie kann man einen Kompromiss auf den Weg bringen. Und dann: Die Diskussion über Härtefälle, finde ich, ist der richtige Ansatz.
    Schulz: Wenn wir jetzt aufs große Ganze schauen – Sie haben gesagt, wir brauchen jetzt diese Diskussion. Es ist ja nun so, dass die CDU auch gemeinsam mit der SPD das Land jetzt schon viele Jahre regiert hat. An welchem Punkt wollen Sie denn jetzt, will die CDU jetzt ihren Kurs korrigieren und den Wählern nach dem Ergebnis von der Bundestagswahl vermitteln, dass Sie verstanden haben, wie es ja auch immer aus der CDU hieß?
    Ziemiak: Wir sehen ja erst mal, dass es unserem Land gar nicht so schlecht geht. Ich finde es immer ein bisschen komisch, wenn es von der SPD aus so schlecht geredet wird. Unserem Land geht es gut. Aber wir müssen ein paar Hausaufgaben machen. Das betrifft vor allem auch die Themen der Migration und Zuwanderung und da geht es um die Stärkung des Rechtsstaates, um die Frage von innerer Sicherheit. Kurzum: Wenn beispielsweise sich Menschen hier aufhalten, die sich gar nicht hier aufhalten dürfen, dann müssen sie auch abgeschoben werden. Ich glaube nicht nur, dass es im Interesse des Landes ist, sondern auch eine Frage von glaubwürdiger Politik, und dazu muss die SPD bereit sein.
    "Wie Integration gelingt, ist ein wichtiges Thema für die meisten Deutschen"
    Schulz: Das habe ich mir jetzt schon gedacht, dass Sie auf dieses Thema kommen. Das ist für mich schon ein ziemlicher Kontrast im Vergleich zu der SPD, die sich jetzt positioniert mit elf Kernthemen, die wirklich auch handfeste Angebote macht für die Bürger, die für die Menschen ja auch im Alltag wichtig sind: Bürgerversicherung, Bildung, eine Mietpreisbremse, die Mietpreise auch wirklich bremst. Sie sprechen jetzt wieder über die Flüchtlingspolitik, über Abschiebungen. Mit denen haben die allermeisten Bürger im Alltag ja gar nicht so viel zu tun. Warum machen Sie dieses Thema so groß, das nur der AfD hilft, aber wie gesagt den allerwenigsten Bürgern im Alltag gar nichts bringt?
    Ziemiak: Das ist ja eine These, die Sie aufstellen, die ich so nicht teile, weil viele Menschen beschäftigt, was in unserem Land passiert, wie viele Menschen zu uns kommen, wie Integration gelingt. Das ist ein sehr, sehr wichtiges Thema für die meisten Deutschen. Und ich mache nicht die Themen davon abhängig, ob die andere Parteien ansprechen oder nicht, sondern das, was ich für richtig halte.
    Aber zu den anderen Themen. Wir haben ja während der Jamaika-Sondierungen auch viele unserer Punkte durchgesetzt. Ein Kernthema der Union beispielsweise Familienpolitik, Erhöhung des Kinderfreibetrages, Unterstützung für Familien, Betreuungsanspruch im Grundschulalter der Kinder. Das wollen wir natürlich auch mit der SPD durchsetzen. Insofern gibt es natürlich viel mehr Themen. Ich habe mich nur fokussiert auf einige wichtige.
    "Die Union steht geschlossen hinter der Kanzlerin"
    Schulz: Das personifizierte "weiter so!" bei der CDU, das ist ja Ihre Parteichefin Angela Merkel. Diese Rückschläge, die sie ja eingefahren hat für ihre Partei, warum bringen die Angela Merkel nicht unter Druck?
    Ziemiak: Weil wir gerade jetzt einen Anker der Stabilität und der Sicherheit brauchen. Und egal ob Große Koalition oder eine andere Konstellation, steht die Union geschlossen hinter der Kanzlerin, und so gehen wir jetzt auch in diese Gespräche.
    Schulz: Aber warum ist die Frau, die für die CDU das schlechteste Ergebnis nach dem Krieg eingefahren hat, warum ist die für Sie ein Anker der Stabilität?
    Ziemiak: Sie ist ein Anker der Stabilität, weil wir gemeinsam mit ihr an der Spitze durch viele Krisen gegangen sind: Euro- und Finanzkrise, viele andere Dinge in den letzten zwölf Jahren. Und wenn ich mir die Kanzlerschaft der Kanzlerin anschaue, von 2005 bis heute, dann kann ich sagen, hat sich unser Land sehr, sehr gut entwickelt, und so muss es weitergehen.
    "Die Union muss von der Mitte bis zum rechten demokratischen Rand integrieren"
    Schulz: Anderes Zitat: "Es liegt offen auf der Hand, dass sich ein Teil unserer Wähler nicht mehr ausreichend von der Union repräsentiert fühlt." Zitat Paul Ziemiak aus dem Oktober. Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie denn, zieht Ihre Partei denn jetzt daraus?
    Ziemiak: …, dass ich auf Dauer bei dem Ziel bleibe, dass es rechts von uns in dem Bundestag und auch in den Landesparlamenten keine andere Partei geben kann. Deswegen heißt das für mich kein Rechtsruck, aber die Union muss integrieren von der Mitte bis zum rechten demokratischen Rand.
    Schulz: Das ist auch der Grund, warum Sie jetzt auf eine Neuauflage der sogenannten Großen Koalition zusteuern, obwohl Politikwissenschaftler darauf hinweisen, dass gerade das ja die Ränder stärkt.
    Ziemiak: Ja, das ist mir auch klar. Deswegen habe ich wenig Leidenschaft für eine neue Große Koalition. Es ist immer eine Frage der Abwägung. Am Ende bringt es Stabilität, das ist nicht unwichtig. Aber klar ist für uns auch: Wenn die SPD nicht bereit ist, Verantwortung zu übernehmen, werden wir trotzdem Verantwortung für dieses Land übernehmen, genauso wie die Menschen das entschieden haben bei der Bundestagswahl, und wir müssen weiter daran arbeiten, dass es auch Diskussionen in der demokratischen Mitte gibt. Dann hoffe ich, bei der nächsten Bundestagswahl ist die AfD nicht mehr im Deutschen Bundestag.
    Schulz: Das verstehe ich, dass Sie jetzt auch an der Stelle wieder die SPD kritisieren. Umgekehrt ist es ja so, …
    Ziemiak: Ich nehme sie in die Pflicht! Ich nehme sie in die Pflicht, Frau Schulz, nicht Kritik.
    Schulz: Es klang jetzt auch ein bisschen kritisch. – Wenn wir jetzt aber noch mal darauf schauen, wie die Zusammenarbeit gelaufen ist. Da war die Union ja ein Partner, auf den sich die SPD nicht durchgängig verlassen konnte. Projekte, die sogar festgeschrieben waren im letzten Koalitionsvertrag, wie dieser Anspruch auf befristete Teilzeit, das ist nicht gekommen in der Regierungszeit. Und jetzt gab es diesen großen Eklat um das Glyphosat-Ja von einem Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt. Was wollen Sie der SPD denn antworten auf die Frage, ob die Ihnen überhaupt noch trauen können?
    Ziemiak: Die SPD muss erst mal lernen, mit ihren Erfolgen richtig umzugehen, nämlich gut zu sprechen über das, was die SPD erreicht hat.
    Schulz: Das waren jetzt aber beides ja keine Erfolge.
    Ziemiak: Aber bisher hat die SPD doch alles, was sie selbst erreicht hat, beispielsweise die Agenda 2010, den Mindestlohn, vieles andere, ja selbst schlecht geredet. Dann wählen einen die Menschen natürlich auch nicht. Insofern: Die Union ist immer verlässlich, wenn es darum geht, für dieses Land etwas nach vorne zu bringen. Und jetzt geht es um die nächsten vier Jahre, und da sollten wir uns mal ergebnisoffen an einen Tisch setzen.
    Schulz: Paul Ziemiak, der Vorsitzende der Jungen Union und beratender Teilnehmer des CDU-Bundesvorstands, heute Morgen hier bei uns im Deutschlandfunk. Danke für das Interview.
    Ziemiak: Ich danke Ihnen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.