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Vorstadt Le Val-Fourré in Mantes-la-Jolie
Vom Problemviertel zum Vorzeigemodell

44 Milliarden Euro hat Frankreich in den vergangenen zehn Jahren investiert, um vernachlässigte Vorstädte zu sanieren. Eine der ersten Banlieue-Siedlungen, die umgestaltet wurde, war Le Val-Fourré, ein Hochhausviertel in Mantes-La-Jolie westlich von Paris. Schon 1991 kam es hier zu Krawallen mit Todesopfern – heute gilt das Viertel als Vorzeigeprojekt.

Von Bettina Kaps | 16.10.2015
    Im Schatten der Hochhäuser ist ein größeres Grundstück abgezäunt. Durch das Gitter mit Sprechanlage und ferngesteuertem Schiebetor sind hellrote Backsteinhäuser zu sehen. In ihren Vorgärten blühen die letzten Rosen. 24 Häuser, 20 Wohnungen – die "Residenz Sully" ist die erste Eigentumswohnanlage in Le Val Fourré.
    Ahmad Aallam steht in der Privatstraße und plaudert mit seinen Nachbarn: Sie stammen aus dem Senegal, der Türkei, Algerien und vor allem aus Marokko wie er selbst. Seit zehn Jahren ist der 55-Jährige hier schon Hausbesitzer, aber er ist immer noch so stolz wie am ersten Tag.
    "Jemand wie ich, der nur den Mindestlohn verdient! Das ist völlig unmöglich, haben wir uns damals gesagt! Mit drei Kindern und einer Frau, die nicht arbeiten geht. Da zeigt dir die Bank doch einen Vogel. Aber das Rathaus hat unseren Antrag genehmigt. Wir haben riesiges Glück gehabt, wir fühlen uns privilegiert."
    Aallam kam mit seinen Eltern nach Frankreich als er acht war. Die Autofabrik Renault hatte seinen Vater angeworben, später stand er dort selbst am Band. Für die Arbeiter und ihre Familien wurden in Le Val Fourré noch mehr Hochhäuser gebaut als ursprünglich geplant: 28.000 Menschen lebten hier auf engem Raum – es war eins der am dichtesten besiedelten Viertel in ganz Europa. Dann kam die Wirtschaftskrise, und mit der Siedlung ging es steil bergab. Die sozialen Probleme schlugen in Gewalt um, sagt Aallam. Auch seine Nachbarin erinnert sich an diese Zeit.
    "Schon im Jahr 1991 hatten wir schlimme Krawalle. Da war ich noch Hausmeisterin in Le Val Fourré. Eine Polizistin wurde getötet, sie war eine meiner Mieterinnen. Bei einer Verfolgungsjagd wurde sie überfahren."
    Bei den Unruhen starben drei Menschen. Im folgenden Jahr wurden in Le Val-Fourré die ersten Hochhäuser gesprengt.
    Bürgermeister will Mittelschicht im Viertel halten
    Heute ist das Viertel kaum wieder zu erkennen: 13 Wohntürme sind verschwunden. Andere wurden verkleinert oder umgestaltet: Einzelne Fassaden sind jetzt mit Holz und glänzendem Aluminium verkleidet. Die Hauseingänge wurden mit Windfängen und Türcodes privatisiert, die Parkplätze mit Pflanzen verschönert.
    Im Januar, nach den Attentaten von Paris, hatte Premierminister Manuel Valls die Ausgrenzung an den Stadträndern beklagt, dort herrsche so wörtlich, "territoriale, soziale und ethnische Apartheid".
    "Es geht nicht nur um Stadtsanierung, wir müssen uns auch fragen, ob die Bevölkerung gemischt ist. Sonst besteht die Gefahr von Gettobildung", sagte der Regierungschef weiter.
    In Le Val Fourré hat sich die Bevölkerungsstruktur trotz der Stadtsanierung nicht verändert: Jeder dritte Bewohner ist Ausländer, fast alle haben einen Migrationshintergrund. Viele sind arbeitslos und arm. Aber für den Bürgermeister von Mantes-La-Jolie, Michel Vialay, ist das Viertel trotzdem kein Getto.
    "Heute spricht man viel von sozialer Mischung. Aber ohne gemischte Wohnformen kann es keine soziale Mischung geben, alles andere ist ein Trugschluss."
    Vialay weiß genau, dass sogenannte "Ursprungsfranzosen" von außerhalb nicht ins Viertel Le Val Fourré ziehen wollen. Er hat ein anderes Ziel: Der Bürgermeister will die kleine Mittelschicht, die sich hier gebildet hat, halten. Deshalb fördert er den Bau von erschwinglichen Eigentumswohnungen. Gerade wurde ein vierter Wohn-Komplex fertiggestellt.
    "Wer vor Ort wohnt, kennt die Realität des Viertels am allerbesten. Vor 20 Jahren wollten alle, die ein bisschen Geld zur Seite gelegt hatten, so schnell wie möglich wegziehen. Heute entschließen sich einige Bewohner, ihre Ersparnisse hier zu investieren, das ist eine sehr gute Neuigkeit."
    Ahmad Allam ist heute Wachmann im Finanzamt. Er kann zu Fuß zur Arbeit gehen: Vor vier Jahren ist die Behörde ins Viertel gezogen. Das hat dort Arbeitsplätze geschaffen. Außerdem baut es Barrieren ab: Alle Bewohner von Mantes-La-Jolie kommen jetzt ganz selbstverständlich in die Siedlung, wenn sie mit der Steuer zu tun haben. Bei den landesweiten Unruhen vor zehn Jahren ist es in Le Val Fourré weitgehend ruhig geblieben – vielleicht auch deshalb, weil die Stadtsanierung damals schon große Fortschritte gemacht hatte.