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Vorwürfe gegen Dieter Wedel
"Heute so nicht mehr vorstellbar"

Seit Wochen hat eine Kommission beim Saarländischen Rundfunk Missbrauchsvorwürfe untersucht. Regisseur Dieter Wedel soll während einer Fernsehproduktion eine Schauspielerin belästigt und sexuell genötigt haben. Ein Zwischenergebnis legt nun nahe, dass der SR schon früh viel wusste.

Thomas Kleist im Gespräch mit Brigitte Baetz | 12.04.2018
    Regisseur Dieter Wedel
    Wie viel wusste man beim Saarländischen Rundfunk über die Vorwürfe gegen Regisseur Dieter Wedel? (Swen Pförtner / dpa )
    "Am 12. Januar 2018 (einem Freitag) erreicht die Unternehmenskommunikation eine Anfrage der Wochenzeitung 'Die Zeit' zu einer Telefilm-Produktion von 1981. Insbesondere wird danach gefragt, ob es noch Auskunftspersonen gebe, die Hintergründe einer Unterbrechung der Dreharbeiten schildern könnten."
    So beginnt der Untersuchungsbericht des Saarländischen Rundfunks, in dem die Missbrauchsvorwürfe gegen Regisseur Dieter Wedel aufgearbeitet werden. In einer langen Titelgeschichte im "Zeit Magazin" hatten mehrere Frauen erstmals öffentlich den Vorwurf geäußert, dass es im Zusammenhang mit den Dreharbeiten zum Fernsehmehrteiler "Bretter, die die Welt bedeuten" zu sexuellen Übergriffen gekommen war.
    Vorläufiger Abschlussbericht übergeben
    Wochenlang hatten die Journalisten der "Zeit" recherchiert und mehrere weitere Anfragen an den Sender in Saarbrücken gerichtet. Unmittelbar nach den ersten Veröffentlichungen kündigte der Intendant eine Untersuchungskommission an, in die neben dem Justitiar des Senders auch die Leiterin der Intendanz sowie der Leiter der Unternehmenskommunikation berufen wurden.
    Diese sogenannte Task Force hat der Geschäftsleitung des Saarländischen Rundfunks heute ihren vorläufigen Abschlussbericht übergeben. Nach SR-Angaben werde der Bericht als vorläufig bezeichnet, "da nicht ausgeschlossen werden kann, dass es weitere aussagekräftige Unterlagen gibt, die aber derzeit nicht bekannt sind."
    "Wir haben nur die Möglichkeit gehabt, Akten, die wir zufälligerweise noch in unseren Archiven hatten, zu prüfen und mit ein paar Zeitzeugen reden zu können. Deshalb weiß man nie, was noch wo schlummert. Und deshalb sind wir klug beraten, zu sagen, der Bericht ist vorläufig", sagte der SR-Intendant Thomas Kleist im Deutschlandfunk.
    Während der Produktion bedrängt
    Die Schauspielerin Esther Gemsch, die damals für die Hauptrolle engagiert worden war, soll in einem Hotelzimmer von Regisseur Dieter Wedel bedrängt und unter anderem gewürgt worden sein. Tatsächlich wurde schon damals in einem ärztlichen Attest eine akute Halswirbelverletzung festgestellt. Gemsch erklärte, sie habe wegen der Verletzungen die Rolle dann nicht weiterspielen können. Der Anwalt von Dieter Wedel hatte die Vorwürfe zurückgewiesen.
    Die Task Force des SR hat untersucht, welche Hinweise auf die Vorfälle es schon während der Produktion von "Bretter, die die Welt bedeuten" im Jahr 1981 gegeben hatte. Auftraggeber war die Telefilm Saar, eine Tochter des Saarländischen Rundfunks, die bis 2007 existierte.
    Auch bei der damaligen Führung des Saarländischen Rundfunks sieht der heutige Intendant Versäumnisse:
    "Die Funktionsträger der Telefilm und des SR sind ihrer besonderen Verantwortung damals nicht gerecht geworden", zitierte Thomas Kleist aus dem Bericht. Er sagte, "das wäre heute so nicht mehr vorstellbar". Bereits kurz nach der mutmaßlichen versuchten Vergewaltigung habe die Geschäftsleitung der Telefilm Saar und damit mindestens auch der SR-Fernsehprogrammdirektor von den Vorwürfen gewusst.
    Machtkonzentration führte zu Missbrauch
    Als Gründe für den mutmaßlichen Missbrauch während der Wedel-Produktion wird im vorläufigen Untersuchungsbericht unter anderem genannt, dass es eine "Machtkonzentration bei Dr. Dieter Wedel, der gleichzeitig als Regisseur, Drehbuchautor, Chef der Casts, Miteigner der faktischen Produktionsfirma fungierte" gab.
    SR-Intendant Kleist betonte im Gespräch mit @mediasres, dass es heute eine andere Unternehmenskultur im Saarländischen Rundfunk gebe. "Wo Respekt, Wertschätzung vor dem anderen Platz greift, dort ist auch kein Platz für Funktions- und Machtmissbrauch."
    Vorwürfe im Licht der #MeToo-Debatte
    Dass die Vorwürfe jetzt ans Licht gekommen sind, dürfte auch mit der schon länger andauernden #MeToo-Debatte zusammenhängen – ausgelöst durch die Vorwürfe gegen den langjährigen Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein.
    Thomas Kleist betonte, dass für ähnliche Fälle zukünftig eine externe Stelle geschaffen werde, an die sich Missbrauchsopfer wenden können. Diese werde in gleicher Weise von ARD-Anstalten als auch von Produzenten unterstützt.