Freitag, 19. April 2024

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Vorwürfe gegen Fritz-Bauer-Institut
"Im Bereich der reinen Verschwörungsfantasien"

Fritz Bauer leitete die Frankfurter Auschwitz-Prozesse in die Wege. Ausgerechnet das Fritz-Bauer-Institut in Frankfurt am Main sieht sich Vorwürfen ausgesetzt, den Namen, den Ruf und die Bedeutung Fritz Bauers zu diskreditieren. Nun gibt es einen Deutungskampf um sein Werk.

Raphael Groß im Gespräch mit Mascha Drost | 09.12.2014
    Generalstaatsanwalt Fritz Bauer im Jahr 1961.
    Generalstaatsanwalt Fritz Bauer im Jahr 1961. (picture-alliance / dpa / Goettert)
    Mascha Drost: Des ehemaligen hessischen Generalstaatsanwalts Fritz Bauer wird in den letzten Monaten auf ganz verschiedene Weise gedacht. Es gibt Ausstellungen, mit "Im Labyrinth des Schweigens" einen Kinofilm über das Zustandekommen der Auschwitz-Prozesse. Man würdigt den Mut eines Mannes, der von sich selbst gesagt hat, wenn er das Dienstzimmer verlasse, betrete er feindliches Ausland.
    1995 wurde das Fritz-Bauer-Institut in Frankfurt gegründet und ausgerechnet diese Institution sieht sich Vorwürfen ausgesetzt, den Namen, den Ruf und die Bedeutung Fritz Bauers zu diskreditieren.
    Da konnte man im Berliner "Tagesspiegel" lesen, es würden Veröffentlichungen gefördert, die Fritz Bauer entpolitisieren, ihn zum Opportunisten abstempelten, oder im Gegenzug Veröffentlichungen der ehemaligen Direktorin Irmtrud Wojak boykottiert, da sie nicht in das gewünschte Bild passten.
    Aktueller Direktor des Fritz-Bauer-Instituts ist Dr. Raphael Groß. Ihn habe ich vor der Sendung gefragt, was er solchen Vorwürfen entgegensetzen kann.
    Raphael Groß: Es gab sehr gute Gründe, das erste deutsche Holocaust-Forschungs- und Pädagogik-Institut nach Fritz Bauer zu benennen, einem Menschen mit Zivilcourage, einem Menschen, der die NS-Vergangenheit aufzuarbeiten als ganz wichtige Aufgabe der deutschen Nachkriegsgesellschaft erkannte und sich gegen ganz viele Widerstände dafür einsetzte. Insofern ist dieses Institut von Anfang an diesem Erbe sehr verbunden und der Vorwurf ist eigentlich völlig unverständlich - nicht nur für mich, auch für die Mitarbeiter, für die fast tausend Mitglieder unseres Förderkreises und für alle, die unsere Arbeit kennen. Ich glaube, der Autor dieses Textes war noch nicht in einer einziger unserer Veranstaltungen. Er hat zum Beispiel noch nicht mal die Ausstellung gesehen, die er da zerreißt. Insofern hätte er sich vielleicht ein bisschen ein genaueres Bild machen sollen.
    Massiver Angriff auf das Institut
    Drost: Geht der Autor denn von falschen Tatsachen aus, oder zieht er einfach die falschen Schlussfolgerungen?
    Groß: Ja das ist leider wirklich sehr verquickt. Es sind ganz viele wirklich falsche Tatsachen in dem Artikel, sodass ich auch überrascht bin, dass eine Zeitschrift wie der "Tagesspiegel" so was druckt, wir hätten die Arbeit von Frau Wojak nicht gefördert. Sie hat viele Jahre hier als Mitarbeiterin daran gearbeitet. Ich habe mich selber sehr dafür eingesetzt, dass die Arbeit in dem renommierten Beck-Verlag erscheint, und sie dankt auch mir in dem Buch explizit dafür. Sie hat Jahre an diesem wichtigen biographischen Werk zu Fritz Bauer hier gearbeitet. Hans Mommsen hat auf ihren Wunsch hin hier vorgestellt. Wir haben diese Arbeit, wo er sagt, wir würden sie negieren oder so, sehr stark gefördert. Dagegen haben wir die Arbeit, die ich außerdem auch sehr schätze, von Herrn Steinke überhaupt nie unterstützt. Er hat nur hier die Archivbestände genutzt, wie jeder andere sie auch nutzen könnte.
    Drost: Wie kommt es denn zu diesem massiven Angriff auf das Institut? Man hat ja fast den Eindruck, da ging es um einen persönlichen Rachefeldzug.
    Groß: Das ist schwer zu sagen. Ich denke, da sind wahrscheinlich verschiedene Elemente zusammenkommend. Für mich scheint es schon irgendwie auch sehr viel mit einer Art von Ressentiment zu tun zu haben, dass ein bestimmtes festes Bauer-Bild vorausgesetzt wird. Der Autor ist ja zum Beispiel auch kein Historiker, ist ein Journalist, ein Zeitzeuge, auch ein sehr interessanter in dieser Kapazität, aber wirklich nicht als Historiker. Und zu dem, was da ausgeblendet werden soll, nicht nur bei dem Autor hier, sondern auch etwa in der Zeit, ist der jüdische Kontext, aus dem heraus Bauer im Jüdischen Museum gezeigt wird. Das scheint viele sehr zu stören, dass wir diesen Kontext aufzeigen, wie wenn das ihn irgendwie beschädigen würde. Dazu gehören auch die Ermittlungen der dänischen Polizei. Fritz Bauer stand unter großer Verfolgung im Exil auch, nicht nur vorher, wo er im Konzentrationslager war. Da ging es darum, dass es letztlich um einen Homosexualitätsvorwurf ging. Auch das scheint irgendwie wie eine Demontage von ihm gesehen zu werden.
    Für mich persönlich ist im Jahr 2014 weder die Frage nach seinen jüdischen Kontexten, noch die Frage nach Homosexualität irgendetwas, was mit Demontage zusammenhängt, aber das scheint hier ganz fest verankert zu sein, und vielleicht ist das auch ein Teil dessen, was diese Aggressionen ausübt. Es wird dann auch viel übergangen, etwa der Film, der ja auch - da sind wir uns ja einig in der Rezensenz, Herr Nelhiebel und wir, nämlich das Labyrinth des Schweigens. Den finde ich auch sehr gut. Der wurde ja vom Institut beraten und unterstützt. Das heißt, diese Sachen werden nicht erwähnt, während andere Dinge, die offensichtlich Herr Nelhiebel kritisch sieht, ganz ins Zentrum gerückt werden.
    Drost: Das Institut wurde ja von einem SPD-Bürgermeister gegründet beziehungsweise initiiert. Danach kam eine Regierung der CDU an die Macht. Hat sich der Wind mit einem CDU-Ministerpräsidenten gedreht? Auch das wird ja in dem Artikel suggeriert.
    Groß: Ja. Es ist wirklich im Bereich der reinen Verschwörungsfantasien, was hier der "Tagesspiegel" druckt. Das ist ein bisschen fern von der Realität eines solchen Institutes, obwohl es natürlich möglich sein könnte.
    Drost: ... , sagt Dr. Raphael Groß, der Direktor des Fritz-Bauer-Instituts in Frankfurt.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.