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Vorwurf der Neo-Apartheid

1994 endete in Südafrika die staatlich organisierte Rassentrennung. Da das staatliche Beschäftigungsprogramm die schwarzen Südafrikaner seither bevorzugt, wirft die Opposition der regierenden Mandela-Partei ANC vor, weiße Bürger zu benachteiligen und eine Neo-Apartheid einzuführen.

Von Kerstin Poppendieck | 18.10.2012
    Der Politologe Don Pinnock hat einst das Apartheidsystem bekämpft. Er war lange Jahre Mitglied der UDF, der United Democratic Front - die in den 80er-Jahren das Wichtigste legale, außerparlamentarische Oppositionsbündnis war. Heute mehr als 18 Jahre nach dem Ende der Rassentrennung erhebt Pinnock wieder das Wort - dieses Mal gegen den regierenden ANC, die Partei Mandelas. Er macht ihr schwerwiegende Vorwürfe:

    "Wir haben Rassismus und Apartheid einst beendet. Jetzt bewegen wir uns aber wieder in genau diese Richtung. Ich habe mich entschlossen, dieses offensichtlich sehr heikle Problem zu benennen und das ist Neo-Apartheid. Wir bewegen uns in eine Neo-Apartheid-Richtung und das macht mir zu schaffen. Das würde jedem Demokraten im Land genau so gehen."

    Was Pinnock kritisiert, ist die Beschäftigungspolitik des ANC. Der fördert seit 1994 die einst benachteiligten Bevölkerungsgruppen - schwarze, farbige und indischstämmige Südafrikaner, um sie in den Wirtschaftsprozess zu integrieren. Dies geschieht auf Staatsebene aber auch in der freien Wirtschaft. So werden im öffentlichen Dienst gezielt schwarze Südafrikaner eingestellt. Ziel ist es, dass am Ende die Belegschaft in den Betrieben, der sozio-demografischen Struktur der Bevölkerung entspricht. 80 Prozent der Südafrikaner sind schwarz, etwa zehn Prozent sind weiß und die übrigen gelten als farbig und als indisch oder asiatisch-stämmig.

    "Wir leben jetzt seit 18 Jahren in einer Demokratie. Wir sprechen über Kinder, die nach dem offiziellen Ende der Apartheid geboren wurden. Wir müssen deshalb infrage stellen, ob das fair ist. Warum werden diese Jugendlichen gezwungen in Rassekategorien zu denken und warum müssen sie sich in genau diese einteilen lassen? Das Ganze ist sehr komplex, dass darf man nicht vergessen. Es lässt sich nicht so einfach in wenigen Sätzen erklären."

    Die Hautfarbe spielt in Südafrika nicht allein bei der Jobsuche eine große Rolle. Auch wer sich um einen Platz an einer Universität bewirbt, muss sie auf den Formularen angeben. Der regierende ANC verfolgt diese Politik, um den einst Benachteiligten einen Startvorteil zu verschaffen. Den Vorwurf eine Politik der Neo-Apartheid zu betreiben, weist Afrikas älteste Befreiungsbewegung als absurd zurück. Rückendeckung erhält die Regierungspartei von Fanie du Toit vom Institut für Gerechtigkeit und Versöhnung. Er verteidigt die Regelungen des ANC. Sie waren und sind in seinen Augen auch weiterhin zwingend notwendig, um denen Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu ermöglichen, die jahrzehntelang von vernünftiger Bildung ausgeschlossen waren.

    "Dafür allerdings mussten wir traurigerweise die Kategorien des Apartheidregimes übernehmen, um genau diese zu überwinden. Ich glaube nicht daran, dass im Land eine Neo-Apartheid existiert. Es ist einfach so, dass wir diese Apartheidkategorien nicht beendet haben, weil wir es schlicht nicht konnten. Sie sind Teil unserer Gesellschaft. Um sie also überwinden zu können, muss man zunächst anerkennen, dass sie existieren. Anders lässt sich das nicht bewältigen."

    Kritiker der Beschäftigungspolitik des ANC sind nicht allein weiße oder farbige Südafrikaner, diejenigen die zumeist direkt von den Regelungen betroffen sind. Stevens Mokgalapa von der Oppositionspartei Demokratische Allianz berichtet, dass durch die gezielte Einstellung von schwarzen Südafrikanern oder Parteikadern in der Vergangenheit viele Jobs mit Kandidaten besetzt wurden, die dafür schlicht nicht qualifiziert waren. Er verweist auf die miserabel geführten lokalen Verwaltungen, und dass deshalb am Ende alle Südafrikaner davon betroffen sind - egal welche Hautfarbe sie haben. Mokgalapa fordert deshalb die Abschaffung dieser Gesetze. Er will, dass es bei Einstellungen künftig um die Fähigkeiten der Kandidaten geht und nicht um ihre Hautfarbe.

    "Was die Regierung und der ANC mit diesen Regelungen erreicht haben, ist, dass wir uns heute in die Augen schauen und uns gegenseitig fragen: Warum hast du diesen Job bekommen? Nur aufgrund deiner Hautfarbe? Das soll nicht sein. Es sollte um Leistung gehen. Wenn du kompetent bist, sollte deine Hautfarbe keinerlei Rolle mehr spielen."

    Auch wenn die Regelungen und Gesetze in Südafrika derzeit auf ihre Wirksamkeit überprüft werden, mit großen Änderungen ist nicht zu rechnen. Vor allem der demografische Faktor soll auch weiterhin Bestand haben. Der ANC will, dass die Belegschaft in den Betrieben der Gesellschaftsstruktur im Land entspricht. Die weißen Südafrikaner werden daher auch weiterhin Schwierigkeiten haben, einen Job zu finden.