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Vorwurf der Täuschung gegen Steinmeier

Wieder einmal steht ein Politiker unter Verdacht, beim Verfassen seiner Doktorarbeit geschummelt zu haben. Diesmal trifft es SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Wie der "Focus" berichtet, soll es in der aus dem Jahr 1991 stammenden Arbeit mehr als 500 "problematische" Stellen geben.

Von Anke Petermann | 29.09.2013
    "Tradition und Perspektiven staatlicher Intervention zur Verhinderung und Beseitigung von Obdachlosigkeit" heißt die Steinmeier-Doktorarbeit von 1991. Ein Jahr später erschien das Werk im Bielefelder Verlag Soziale Hilfe. Titel "Bürger ohne Obdach: zwischen Pflicht zur Unterkunft und Recht auf Wohnraum" 444 Seiten für zehn Euro, aber leider vergriffen und zwar, so merkt das Portal Plagipedia an, seit den Enthüllungen um die Dissertation des ehemaligen Bundesverteidigungsministers zu Guttenberg. Spricht das nicht für potentielle Fundstellen?, fragt das Portal.

    Der Dortmunder Fachhochschulprofessor Uwe Kamenz hat diese Frage nun mit Ja beantwortet. Kamenz ist seit zwei Jahren als Plagiatsjäger auf Dissertationen von Politikern spezialisiert und hatte Steinmeiers Doktorarbeit laut "Focus" von einem eigens entwickelten Computerprogramm überprüfen lassen. Er habe umfangreiche Plagiatsindizien gefunden, die mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Plagiate hinwiesen, stellte er laut dem Nachrichtenmagazin in einer Mail an die Uni Gießen fest. Zitat des "Focus" aus der Mail:

    "Somit sind die Voraussetzungen für ein Überprüfungs- und gegebenenfalls Entzugsverfahren des Doktortitels an Ihrer Fakultät gegeben".

    Am Montag will die Uni Gießen laut Focus entscheiden, ob und in welchem Rahmen sie den Vorwürfe nachgeht. Der SPD-Fraktionschef bezeichnete sie als "absurd", einer Überprüfung und deren Ergebnis sehe er "mit großer Gelassenheit" entgegen, sagte Steinmeier dem "Focus".

    Die Doktorarbeit soll auf fast 100 Quellen geprüft worden sein, so das Nachrichtenmagazin, mehr als 500 Stellen habe die Software als problematische Übereinstimmung gewertet. Bei mehr als 60 Stellen soll der SPD-Politiker zwar die Originalquelle angegeben haben, sie allerdings im kompletten Wortlaut abgeschrieben haben, ohne das als direktes Zitat zu kennzeichnen.

    Im "Focus" vergleicht Kamenz das Vorgehen mit dem Fall der Ex-Bildungsministerin. Der CDU-Politikerin hatte die Uni Düsseldorf Anfang des Jahres den Doktortitel aberkannt, dagegen klagt Annette Schavan.

    Als weniger gravierend wertet laut Focus der Berliner Jura-Professor Gerhard Dannemann die kritischen Passagen: Den Großteile stufe er als "lässliche Sünden" oder gar "unproblematisch" ein. Allerdings stammt die Einschätzung aus der Lektüre einer früheren Version des Kamenz-Berichts. Nur eine genauere Untersuchung, so Dannemann gegenüber dem "Focus", könne Klarheit schaffen, ob Steinmeier gegen Zitierregeln verstoßen habe, in einem Ausmaß die das Erträgliche klar überschreiten würden.