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Votum zur "Masseneinwanderung"
EU stoppt Verhandlungen mit der Schweiz

Der Streit zwischen der EU und der Schweiz um die Freizügigkeit von EU-Bürgern geht weiter. Brüssel setzte Verhandlungen zu Austausch- und Forschungsprogrammen aus, nachdem die Schweiz ein Abkommen zur Öffnung ihres Arbeitsmarkts für Menschen des neuen EU-Mitglieds Kroatien gestoppt hatte.

17.02.2014
    Ein Schild an der schweizerisch-deutschen Landesgrenze
    Der Stopp der Verhandlungen könnte langfristig auch Auswirkungen auf den Studentenaustausch zwischen der Schweiz und Deutschland haben (dpa / picture-alliance / Patrick Seeger)
    Die Verhandlungen über eine Beteiligung der Schweiz an dem Studenten-Austauschprogramm Erasmus Plus und dem milliardenschweren EU-Forschungsprogramm Horizon 2020 seien vorläufig auf Eis gelegt, sagte EU-Kommissionssprecher Joe Hennon am Sonntag. Damit könnten der Schweiz EU-Gelder für Forschung und Bildung entgehen. Die geplante Anbindung der Schweiz an Horizont 2020 und an Erasmus Plus seien "an den freien Personenverkehr geknüpft".
    Die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Julia Klöckner sagte: "Zu den Besonderheiten der Einwanderer in die Schweiz gehört ihr relativ hohes Bildungsniveau." Mehr als die Hälfte habe einen Hochschulabschluss. "Die Schweizer sägen also gerade heftig an dem Ast, auf dem sie sitzen."
    Alle Verhandlungsrunden sind verschoben
    Die Schweizer hatten vor einer Woche mit knapper Mehrheit einer Volksinitiative gegen eine sogenannte "Masseneinwanderung" zugestimmt. Die Schweiz ist kein Mitglied der Europäischen Union, doch hatten EU-Bürger bisher freien Zugang zum Arbeitsmarkt des Landes. An diesem Wochenende hatte die Schweizer Justizministerin Simonetta Sommaruga der kroatischen Außenministerin Vesna Pusic mitgeteilt, dass die neue Verfassungsbestimmung ab sofort den Abschluss völkerrechtlicher Verträge untersage, die eine unbegrenzte Zuwanderung bedeuten würden. Ein fertig ausgehandeltes Protokoll gewährt Kroatien aber nach zehn Jahren volle Freizügigkeit. Der Bundesrat prüfe mögliche Lösungen, die Kroatien nicht diskriminierten.
    "Der freie Personenverkehr zwischen der EU und der Schweiz ist ein Grundprinzip, das wir nicht infrage stellen wollen", sagte Kommissionssprecher Hennon. "Auch weil dies Teil eines größeren Pakets ist, das der Schweiz Zugang zum EU-Binnenmarkt gewährt." Zwischen den beiden Programmen Erasmus Plus sowie Horizon 2020 und der Freizügigkeit - in dem Fall für Studenten und Forscher - gebe es einen engen Zusammenhang. Alle kommenden Verhandlungsrunden über eine Partizipation der Schweiz an den Programmen seien so lange verschoben worden, bis das Alpenland das Protokoll unterzeichne.
    Sozialdemokraten hoffen auf weitere Abstimmung
    Unterdessen drückt die national-konservative Schweizer Volkspartei (SVP) als Initiatorin der Volksinitiative aufs Tempo. Fragen der Kontingentierung bei der Einwanderung könnten "auf dem Verordnungsweg sofort gelöst werden", sagte SVP-Chef Toni Brunner dem Blatt "Schweiz am Sonntag".
    Aus Sicht der Sozialdemokraten (SP) kommt eine neue Volksabstimmung in Betracht, sobald die bilateralen Verträge mit der EU gekündigt werden müssten. Das Volk müsse wählen können zwischen der Umsetzung der Initiative und der Sicherung des bilateralen Wegs, sagte SP-Chef Christian Levrat der "Sonntagszeitung". Die Eidgenossen hätten die Initiative am 9. Februar angenommen im Glauben, sie sei mit den bilateralen Verträgen vereinbar. Nach einer repräsentativen Umfrage des "Sonntagsblicks" sind 74 Prozent der Schweizer für die Beibehaltung dieser Verträge mit der EU.