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VW-Abgas-Skandal
Ramsauer: Winterkorn-Rücktritt ist "erste Korrektur"

Der Rücktritt von VW-Chef Martin Winterkorn sei honorig und die erste Korrektur beim VW-Konzern nach der Abgas-Manipulation, sagte Peter Ramsauer (CSU) im DLF. Dieser Schritt sei vielleicht gar nicht nötig gewesen, ergänzte der ehemalige Bundesverkehrsminister. Er nehme Winterkorn zudem ab, nichts von Manipulationen bei VW gewusst zu haben.

Peter Ramsauer im Gespräch mit Thielko Grieß | 24.09.2015
    Porträt von Peter Ramsauer
    Der CSU-Politiker Peter Ramsauer, Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses im Deutschen Bundestag. (imago / Sven Simon)
    "Von der Führung her glaube ich unter gar keinen Umständen an kriminelle Energie", sagte der CSU-Politiker im DLF. Die Manipulation selbst bezeichnete Ramsauer als "völlig inakzeptables Fehlverhalten". Er rechne mit einer umfassenden Aufklärung der Fälle bei Volkswagen. Die technischen und rechtlichen Fragen müssen aufgearbeitet werden, auch im Hinblick auf das Management.
    Ramsauer verteidigte indes die deutschen Prüfverfahren: "Ich glaube schon, dass die Testverfahren auf deutscher und europäischer Ebene gut sind." Auch im Hinblick auf die USA, wo VW bei Prüfverfahren manipuliert hat, sagte Ramsauer, dass die deutsche Automobiltechnik die Vorgaben in Amerika auch einhalten könne.

    Das Interview in voller Länge
    Thielko Grieß: Am Telefon begrüße ich jetzt Peter Ramsauer, Christ-Sozialer, Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses im Deutschen Bundestag und von 2009 bis 2013 Bundesverkehrsminister. Schönen guten Morgen, Herr Ramsauer!
    Peter Ramsauer: Guten Morgen aus Berlin.
    Grieß: Herr Winterkorn sitzt nicht mehr am VW-Steuer. Kann das Fahrzeug jetzt so weiterfahren?
    Ramsauer: Zunächst einmal: Bei aller Tragik dieses ganzen Falles ist und bleibt es so, dass die deutsche Autoindustrie exzellente Autos baut, Weltspitze-Autos baut, und man kann auch aus wirtschaftspolitischer Sicht dem VW-Konzern nur alles, alles Gute für die Zukunft wünschen. Sie fragen, ob dieses Auto weiter so fahren kann.
    "Ein ausgesprochen honoriger Schritt, den Winterkorn hier gegangen ist"
    Grieß: Stimmt! Genau das hatte ich gefragt.
    Ramsauer: Ob das Auto weiter so fahren kann? - Es wird umfassende Aufklärungen geben. Das hat Martin Winterkorn angekündigt. Das beinhaltet natürlich, um im Bild zu bleiben, bestimmt Korrekturen. Eine Korrektur ist erfolgt, nämlich der Rücktritt von Martin Winterkorn. Und die ganzen technischen Fragen und rechtlichen Fragen müssen natürlich aufgearbeitet werden, auch die Fragen im Hinblick auf das Management. Aber dieser erste Schritt ist erfolgt: die Übernahme, in der Politik würde man sagen, der politischen Gesamtverantwortung. Ich muss sagen, ein ausgesprochen honoriger Schritt, den Winterkorn hier gegangen ist, der vielleicht gar nicht nötig gewesen wäre.
    Grieß: War es Blindheit, war es Inkompetenz oder kriminelle Energie, die Volkswagen in diesen Strudel gerissen hat?
    Ramsauer: Von der Führung her glaube ich unter gar keinen Umständen an kriminelle Energie. Ich nehme es Winterkorn ab, dass er nichts davon gewusst hat. Wie solche Informations- und Berichtsstränge in einem Unternehmen laufen, das ist die Frage des Managements, das ist die Frage des Aufsichtsrats. Das ist sicherlich keine politische Frage, die von einem Politiker zu beantworten wäre.
    Grieß: Aber das Unternehmen ist offenkundig falsch gemanagt. Sie haben den Aufsichtsrat und dessen Rolle angesprochen. Ist der seinen Funktionen nachgekommen?
    Ramsauer: Das ist alles aufzuarbeiten. Es wäre völlig vermessen, als Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses im Deutschen Bundestag jetzt zu diesem Zeitpunkt zu beurteilen, wer welche Fragen nicht gestellt hat, wer sich was nicht berichten hat lassen. Man muss hier schon auf dem Boden der Tatsachen bleiben.
    Grieß: Aber Sie fragen sich das schon auch?
    Ramsauer: Ja sicherlich. Man frägt sich auch in meiner Position. Das heißt aber noch lange nicht, dass man zum jetzigen Zeitpunkt alle Antworten parat hat.
    "Ich habe auch hier keinen Zweifel in die Qualität der Prüfbedingungen"
    Grieß: Ins Gerede gekommen sind auch die Prüfverfahren, die in Europa herrschen. Da werden Autos getestet und geprüft auf ihre Abgase, die mit der Realität und dem, was auf unseren Straßen herumfährt, überhaupt nichts zu tun haben. Die Bedingungen sind ganz andere, künstliche Laborbedingungen, und es sind günstigere Bedingungen für die Autos. Was soll der Unsinn?
    Ramsauer: Sie können das als Unsinn bezeichnen, aber setzen Sie das mal richtig in die Praxis um. Jeder Messwert, der gewonnen wird, ist ein Wert unter bestimmten Bedingungen. Man kann das als Laborbedingung bezeichnen. Wir brauchen standardisierte Verfahren, damit Werte überhaupt vergleichbar sind, und wenn Sie in Autoprospekte hineinsehen und Verbrauchswerte etwa ansehen, dann sehen Sie die theoretischen Verbrauchswerte, aber dann sehen Sie zum Vergleich auch die Durchschnittswerte etwa, die sich im praktischen Straßenverkehr ergeben. Ich glaube schon, dass die Testverfahren gut sind, auf europäischer und auch auf deutscher Ebene. Wir haben ausgesprochen starke und strenge Maßstäbe. Ich habe auch hier keinen Zweifel in die Qualität der Prüfbedingungen.
    Grieß: Da möchte ich doch noch mal einhaken. Was strenge Maßstäbe sind, das hören und lesen wir ja nun gerade aus den Vereinigten Staaten, Herr Ramsauer. Wenn in Europa Autos getestet werden, die ganz andere Bauteile haben, um zum Beispiel den Luftwiderstand zu verringern, dann wird höchstens 120 km/h gefahren. Ich nehme an, auch Sie fahren gelegentlich schneller auf den Autobahnen. Und dann wird so getan, das seien die Messergebnisse, die real sind. Ich wiederhole es noch mal: Ist das nicht Unsinn?
    Ramsauer: Noch mal: Es müssen vergleichbare Bedingungen simuliert und dargestellt werden. Jedes Auto hat eine andere Bauart, eine andere Aerodynamik, ist von der Motorik her anders konzipiert und deswegen müssen sie auch vergleichbare Bedingungen schaffen. Ich halte es für nicht fair, ganz einfach hier von Unsinn und einem Versagen zu sprechen. Vom grünen Redaktionstisch aus redet es sich sehr, sehr viel leichter als vom Tisch des planenden und ausführenden Ingenieurs und Autobauers.
    Grieß: Der Redaktionstisch ist, um das nur zu schildern, grau, also farblos im Prinzip, jedenfalls nicht grün und keiner Partei zugeordnet, wenn Sie das gerade meinten.
    Ramsauer: Nein, unter keinen Umständen.
    Grieß: Sind die deutschen Autobauer denn nur in der Lage, die Grenzwerte in den Vereinigten Staaten, die schärfer sind, mit Tricks einzuhalten?
    Ramsauer: Die deutschen Autobauer sind weltweit Spitze und ich bin überzeugt und andere belegen dies auch, andere Autobauer. BMW ist beispielsweise in den USA der größte Autoexporteur inzwischen, mit dieser Technik, mit deutscher Technik die Grenzwerte einzuhalten. Wenn hier mit oder ohne kriminelle Energie - das lassen wir jetzt mal dahingestellt - eine Software eingebaut wurde, die die Prüfverfahren austrickst, dann ist das ein völlig inakzeptables Fehlverhalten. Aber das heißt nicht, dass die deutsche Automobiltechnik nicht in der Lage wäre, strenge Grenzwerte einzuhalten. Ja, man muss sagen, die europäischen Grenzwerte, die vorgegeben sind für den sogenannten Flottenverbrauch, sind ausgesprochen ambitioniert und extrem streng. Sie sind nicht leicht einzuhalten. Aber das führt natürlich auch dazu, dass wir zum Beispiel im Bereich der Elektromobilität stark und gut vorankommen, entgegen anderer Unkenrufe, um diese Grenzwerte im Flottendurchschnitt einzuhalten.
    Grieß: Wenn Sie die europäischen Grenzwerte für ambitioniert halten, was ist dann mit den amerikanischen? Haben die Amerikaner, um im Bild zu bleiben, sozusagen ein Rad ab?
    Ramsauer: Nein! Natürlich nicht! Aber jedes Land - - Sehen Sie, Amerika ist ein riesengroßer Binnenmarkt und ist seinerseits Maßstab für andere Märkte. Aber das muss man anderen Ländern zugestehen, dass sie ihre eigenen Grenzwerte haben. Mit solchen Ländern verhandeln wir, beispielsweise mit den USA, zwischen den USA und der EU auch im künftigen Freihandelsabkommen TTIP, dass solche Standards möglichst nach europäischen Maßstäben auch harmonisiert werden.
    Ramsauer spricht deutscher Autoindustrie sein Vertrauen aus
    Grieß: Da kann man ja nur hoffen, dass die amerikanischen Grenzwerte nicht schon bald auch in Europa gelten.
    Ramsauer: Noch mal: Wir haben höchste Maßstäbe innerhalb Europas und ich glaube, dass wir mit den Grenzwerten, die wir derzeit haben in Europa, dass wir hier der deutschen Autoindustrie Machbares, aber extrem Hohes abverlangen. Und mit diesen Grenzwerten ist die deutsche Autoindustrie insgesamt weltweit führend. Mein Vertrauen in "Made in Germany" insgesamt ist in keiner Weise erschüttert. Ich stehe weiterhin uneingeschränkt zur Marke "Made in Deutschland" und dann auch zur deutschen Autoindustrie, um das ganz klar zu sagen.
    Grieß: Ganz kurz, Herr Ramsauer. Wir haben nur noch wenige Sekunden. Sie sind sicher, dass ähnliche Vorwürfe bei BMW und anderen nicht auch noch auftreten?
    Ramsauer: Man soll wie gesagt das Kind nicht mit dem Bade ausschütten, und ich wehre mich dagegen, dass alles jetzt unter Generalverdacht gestellt wird und dass andere mit Klagen wieder ihr Geschäft jetzt mit diesen Dingen machen. Das darf nicht sein. Ich bin überzeugt, dass auch andere Autohersteller, auch wenn sie hier nicht betroffen sind, für sich selbst jetzt alles tun, um Glaubwürdigkeit zu bewahren.
    Grieß: ... sagt der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses im Deutschen Bundestag, Peter Ramsauer (CSU). Danke schön vom grauen Redaktionstisch nach Berlin.
    Ramsauer: Danke schön.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.