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VW-Abgasskandal
Teure Konsequenzen und verlorenes Vertrauen

Ein schmutziger Trick für ein scheinbar sauberes Auto kommt VW jetzt teuer zu stehen. Der Konzern muss 2,4 Millionen manipulierte Dieselfahrzeuge zurückrufen. Und damit nicht genug: In den USA wird den Wolfsburgern vorgeworfen, irreführende Werbung verbreitet zu haben.

Von Alexander Budde | 15.10.2015
    Ein VW-Logo glänzt am 25.09.2015 in der Morgensonne am VW Werk in Wolfsburg.
    Dunkle Wolken ziehen auf über Volkswagen: Der Betrug bei den Abgaswerten könnte des Konzern teuer zu stehen kommen. (picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte)
    Jürgen Bauer ist aus dem Rheinland eigens in die Autostadt Wolfsburg gereist, um seinen neuen Diesel in Empfang zu nehmen.
    "Ich hole heute ganz bewusst auch meinen Tiguan ab. Ich habe die saubere Maschine drin - mit ´ner etwas besseren Technologie, was die Abgasreinigung angeht. Ja, und das ist so! Wenn ich einen Verbrennungsmotor bewege, dann weiß ich, dass er emittiert!"
    Doch so viele Vertrauen setzten zuletzt nicht mehr viele Kunden in die Marke. Volkswagen hat zugegeben, dass die Manipulations-Software auf dem Prüfstand auch die vergleichbar laschen europäischen Abgas-Tests erkennt, also auch in Europa - fein abgestimmt auf die jeweiligen Vorschriften - die Motorsteuerung so verändert, dass weniger Stickoxide entweichen. Nur so wurde die Abgasnorm eingehalten.
    Der Autobauer hat den betroffenen Autohaltern von sich aus eine freiwillige Beseitigung der manipulierten Software vorgeschlagen. Den Begriff "Rückruf" mied das Unternehmen bis zuletzt, weil die Sicherheit der Fahrzeuge durch die Software nicht berührt sei. Die Reparatur der fast drei Millionen allein in Deutschland betroffenen Dieselautos soll laut VW Anfang kommenden Jahres starten. Je nach Motorvariante stellt das Unternehmen unterschiedliche technische Lösungen in Aussicht: Während bei den 2,0-Liter-Aggregaten lediglich die Software neu aufgespielt werden müsse, seien beim 1, 6-Liter-Motor zusätzliche Eingriffe etwa bei den Katalysatoren nötig. Nach dem Umbau werden die Autos die Abgasnorm erfüllen, so lautet das Versprechen.
    USA ermittelt wegen irreführender Werbung
    Doch das ist dem Kraftfahrtbundsamt nicht genug. Die Flensburger Behörde zwingt VW jetzt zum Rückruf von 2,4 Millionen Fahrzeugen. Details zu diesem verpflichtenden Rückruf und zum Umfang der betroffenen Fahrzeuge stellte Verkehrsminister Dobrindt am Vormittag in Berlin vor. Dobrindt sagte, dass VW jetzt alle Kunden benachrichtigen wird. Ab Januar sollen die Autos in die Werkstätten - angesichts der hohen Zahl der betroffenen Fahrzeuge ein beachtlicher Rückruf, stellte der Minister fest:
    "Die Maßnahme ist durchaus beachtlich! Ich darauf hingewiesen, dass sie mit 2,4 Millionen Fahrzeugen in Deutschland groß ist. Wir gehen ja auch von 8 Millionen Fahrzeugen in Europa aus. Zumindest hat das KBA aus meiner Sicht vollkommen richtig jetzt hier rechtsverbindlich den Rückruf angeordnet!"
    Über Wochen hatte sich das Kraftfahrtbundesamt mit öffentlicher Kritik an Volkswagen zurückgehalten. Umweltorganisationen wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) werfen der Aufsichtsbehörde eine Mitverantwortung für den Skandal vor. Denn Messstationen, die entlang der Hauptverkehrsstraßen die realen Abgaswerte aufzeichnen, die sogenannten Real Drive Emissions, zeigen seit Jahren weit höhere Belastungen an, als unter Laborbedingungen gemessen wurden. VW hat bisher offengelassen, ob das Unternehmen für seine Kunden eine Kulanzregelung treffen – und, je nachdem, wie hoch deren Schaden ausfällt - für die restliche Nutzungsdauer einen Ausgleich anbieten wird. Der Chef der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Jürgen Resch, warnt VW-Kunden vorsorglich vor einer Mogelpackung:
    "Die gemessenen realen Werte dieser Fahrzeuge liegen in Europa bei neuen Euro 5 Fahrzeugen, aber auch Euro 6 Fahrzeugen 7 bis 25mal höher als erlaubt. In den USA sind es 10 bis 40 mal mehr. Und jetzt umgekehrt diese Software einfach abzuschalten: Das möchten wir erst mal sehen, welche Auswirkungen dies hat. Das kann dazu führen, dass man die Fahrzeuge mit einer Beschränkung der Höchstgeschwindigkeit und der Beschleunigung ausstatten muss."
    Unterdessen droht VW aus den Vereinigten Staaten neues Ungemach: Neben der Umweltbehörde und dem Justizministerium ermittelt nun auch die Handelsbehörde gegen Volkswagen. Dabei geht es um irreführende Werbung. In der massiven Werbekampagne für den nordamerikanischen Markt hatte der Konzern nämlich behauptet, dass VW-Dieselautos wegen ihres vergleichbar geringen Schadstoffausstoßes besonders umweltfreundlich seien.
    Zurück in Wolfsburg, in der Autostadt, die auch so heißt: VW-Käufer Jürgen Bauer bestaunt das hoch automatisierte Auslieferungssystem für die Neuwagen. Der Händler habe ihm versichert, dass er vom Manipulationsskandal nicht direkt betroffen sei, sagt der Rheinländer zum Abschied.
    "Und dann werden wir uns so langsam wieder auf die Rückreise machen. Mit keinem schlechten Gewissen – sagen wir es mal so!"