Donnerstag, 25. April 2024

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VW-Abgasskandal
"Typisch amerikanische Lösung"

In den USA will VW seinen Kunden wegen des Abgasskandals Schadenersatz zahlen. Die Entscheidung sei eine spezifische Lösung für die USA, sagte der CSU-Politiker Ulrich Lange im Deutschlandfunk. Wie VW mit seinen Kunden in Deutschland und Europa umgehen werde, müsse sich erst noch zeigen.

Ulrich Lange im Gespräch mit Christoph Heinemann | 21.04.2016
    Volkswagen einigt sich im Abgasskandal mit den US-Behörden
    Volkswagen einigt sich im Abgasskandal mit den US-Behörden (dpa / picture-alliance / Karl-Josef Hildenbrand)
    In Deutschland erwarte man von VW jetzt vor allem Transparenz, Offenheit und ein seriöses Angebot an die Kunden, sagte Ulrich Lange, CSU-Obmann im Verkehrsausschuss des Bundestages im Deutschlandfunk. Auf die Frage, wie genau so ein Angebot aussehen könnte, wollte der Politiker nicht antworten. Er machte aber darauf aufmerksam, dass es in Deutschland ein Recht auf Nachbesserung gibt. Zudem forderte er einen neuen Ehrenkodex in der Automobilindustrie.

    Das Interview in voller Länge:
    Peter Kapern: 216 Tage ist es her, dass einer der größten Wirtschaftskonzerne im Mark erschüttert wurde. Damals flog auf, dass VW die Abgaswerte von Hunderttausenden von Fahrzeugen manipuliert und seine Kunden schlichtweg betrogen hatte. Ausgerechnet in den USA waren die Behörden dem Schwindel auf die Spur gekommen. Dort, wo Politik, Justiz und Öffentlichkeit alles andere als zimperlich mit betrügerischen Konzernen umgehen. Und so stellte sich bald sogar die Frage, ob der VW-Konzern diesen Skandal überhaupt überleben kann.
    Heute gelang dem Unternehmen eine Schadensbegrenzung. Die Wolfsburger und die US-Umweltbehörde einigten sich auf ein Konzept zur Regulierung des von VW angerichteten Desasters. Und nun sieht es so aus, als sei der wirtschaftliche Schaden zwar etliche Milliarden Euro groß, aber doch noch irgendwie überschaubar.
    Am Telefon ist nun Ulrich Lange, Obmann der Unions-Fraktion im Verkehrsausschuss des Bundestages. Guten Abend, Herr Lange.
    Ulrich Lange: Guten Abend!
    Kapern: Da zeichnet sich eine Einigung zwischen den US-Behörden und dem VW-Konzern ab in Sachen Dieselgate. Ist VW damit über den Berg?
    Lange: Das ist sicherlich für VW in den USA ein ganz wichtiger Schritt, der auch notwendig und richtig war. Über den Berg? Wie gesagt, ich halte es für einen wichtigen und guten Schritt in den USA, aber das Ganze ist natürlich noch ein Prozess und ein Verfahren und die Details kommen ja erst auf.
    "Deutsche Gerichtsverfahren sind nicht identisch mit amerikanischen"
    Kapern: Einige Details kennt man nun schon, jedenfalls aus diesen Eckpunkten, über die da berichtet wird. Die lauten etwa so: VW repariert die betroffenen Autos oder kauft sie gar zurück und obendrauf gibt es für die Kunden auch noch einen Schadenersatz. Wie beurteilen Sie das?
    Lange: Das ist eine vergleichsweise Lösung, die VW in den USA, wenn sie denn so sich im Detail gestaltet, wie es die Eckpunkte heute erscheinen lassen, gefunden hat. Wie gesagt: eine Lösung vor einem amerikanischen Gericht, eine spezifische Lösung auch für dort.
    Kapern: Das heißt, VW wird in Europa, in Deutschland mit seinen betrogenen Kunden ganz anders verfahren?
    Lange: Na ja, deutsche Gerichtsverfahren oder europäische Gerichtsverfahren sind nicht zwingend identisch mit den amerikanischen Verfahren. Es wird sich also zeigen, wie VW mit den Kunden in Deutschland und Europa umgeht. Klar ist: VW hat einen guten Namen zu verlieren, auch jetzt ganz besonders in dieser Krise. Also wird sich VW sehr genau überlegen, wie sie mit den deutschen und europäischen Kunden umgehen.
    "VW ist ganz deutlich in der Pflicht"
    Kapern: Regen Sie doch mal bei VW ein paar Überlegungen an mit einigen Äußerungen hier bei uns im Deutschlandfunk. Sagen Sie doch mal, was Sie von VW im Umgang mit seinen deutschen und europäischen betrogenen Kunden erwarten.
    Lange: Ja! Wir erwarten von VW natürlich für die Kunden die Transparenz, die Offenheit, die Frage, dass man ein seriöses Angebot macht, denn der Kunde hat sich ja darauf verlassen, ein technisch einwandfreies, aber auch in Sachen Klima und Verbrauch einwandfreies Auto zu kaufen, und da ist VW ganz deutlich in der Pflicht.
    Kapern: Was ist ein seriöses Angebot?
    Lange: Sie werden von mir sicher nicht erwarten, dass ich jetzt hier mich in irgendwelchen Zahlen oder in irgendwelchen juristischen Details verliere. Aber ich denke, VW wäre gut beraten, ein wirkliches Angebot zu machen.
    Kapern: Kann VW die europäischen und deutschen Kunden ohne Schadenersatz abspeisen, Schadenersatz, wie ihn jetzt die Kunden in den USA bekommen?
    Lange: Ich habe gerade, glaube ich, schon versucht, so ein bisschen zu beleuchten, dass es natürlich eine typisch amerikanische Lösung ist. Wir sehen ja jetzt an den ersten Prozessen in Deutschland - ich verweise da auf die Entscheidung des Landgerichts in Bochum -, dass das deutsche Recht ein bisschen anders funktioniert. Aber deshalb denke ich, dass VW gut beraten wäre, auch hier mit einem vernünftigen Angebot zu kommen.
    "Es besteht immer das Recht auf Nachbesserung"
    Kapern: Ich habe das leider, Herr Lange, noch nicht wirklich verstanden. Halten Sie es wirklich für denkbar, deswegen frage ich noch mal nach, dass die VW-Kunden in den USA Geld aufs Konto bekommen und die deutschen Kunden mit einem feuchten Händedruck abgespeist werden?
    Lange: Na ja, einen feuchten Händedruck sieht ja auch das deutsche Recht nicht vor. Das hat ja auch die Entscheidung in Bochum klar zum Ausdruck gebracht. Es geht nicht um einen feuchten Händedruck. Es besteht ja immer das Recht auf Nachbesserung, das Recht zur Mangelbeseitigung, das Recht, eventuellen Schaden ersetzt zu erhalten. All das sind Fragen, die VW in Deutschland, in Europa, im jeweiligen Land klären muss. Und wie gesagt: Da wäre VW gut beraten, offensiv damit umzugehen.
    Kapern: Das Kraftfahrtbundesamt hat ja nach Bekanntwerden des VW-Skandals eine ganze Reihe von Fahrzeugen anderer Hersteller unter die Lupe genommen, um rauszufinden, ob auch da getäuscht und betrogen wird. Morgen will, so heißt es jetzt in Agenturmeldungen, Verkehrsminister Dobrindt das Ergebnis vorlegen. Womit rechnen Sie?
    Lange: Da lasse ich mich so wie Sie auch überraschen. Ich kenne die Studie nicht.
    "Ein zweites solches Desaster kann sich die Automobilindustrie in Deutschland nicht leisten"
    Kapern: Ich lasse mich nicht nur überraschen. Ich lese auch Zeitungen und habe festgestellt, dass Kollegen von der Süddeutschen, vom NDR und vom WDR gestern schon berichtet haben, dass es auch da Tricksereien mit den Schadstoffwerten gegeben haben soll. Halten Sie das für plausibel? Erwarten Sie so etwas?
    Lange: Wissen Sie, ich kann es weder ausschließen noch bestätigen. Deswegen verlasse ich mich dann auf die Studie, von der ich überzeugt bin, dass sie mit der notwendigen Sorgfalt und Akribie ausgearbeitet wurde, denn das war ja genau der Auftrag, den Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt gegeben hatte. Da habe ich in diese Untersuchungskommission volles Vertrauen, dass man sich das jetzt wirklich genau angeschaut hat. Denn ein zweites solches Desaster, glaube ich, kann und will sich auch die Automobilindustrie in Deutschland nicht leisten.
    Kapern: Wo würde denn die Automobilindustrie stehen, ihrem Ansehen nach, wenn sich herausstellen sollte, dass auch andere Hersteller getrickst haben bei den Abgaswerten?
    Lange: Wir sehen ja, dass in der Automobilindustrie - das zeigt ja auch der Fall Mitsubishi auf einer anderen Ebene oder bei einer anderen technischen Frage -, dass hier das eine oder andere nicht so läuft, wie man sich das unter Transparenz- und auch unter Verbrauchsaspekten vorstellt, und hier ist die Industrie aufgefordert, offensiv damit umzugehen. Ich kann mich da nur wiederholen. Ich erwarte einfach eine Art vielleicht auch neuen Ehrenkodex in der Automobilindustrie.
    Kapern: Ulrich Lange, Obmann der Unions-Fraktion im Verkehrsausschuss des Bundestages. Das Gespräch haben wir kurz vor der Sendung aufgezeichnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.